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Der Psalmen commentar des Theodor von Mopsuestia in syrischer Bearbeitung.

Von Friedrich Baethgen.

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In meinen Händen befindet sich eine mir vom Besitzer, Herrn Professor Sachau in Berlin, freundlichst zur Verfügung gestellte syrische Handschrift '), welche folgendermalsen anfingt :

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D. i. „Mit Hülfe Gottes und unter dem Beistande des Herrn beginnen wir zu schreiben die Erläuterungen der Psalmen des Königs und Propheten David, welche verfalst und hergestellt sind von Mâr Theodoros, dem Ausleger der göttlichen Schriften, d. h. dem Patriarchen von Mopsuestia. Zuerst

Psalm I, von David."

Ich gebe zuerst eine Beschreibung der Handschrift. Höhe 31 cm, Breite 23 cm, 19 Lagen (La) zu je 10 Blättern, aufser der ersten und sechsten Lage, welche nur 8 Blätter haben, ohne dafs im Text etwas fehlte. Im Ganzen also 186 Blitter. _ Eine Paginirung ist nicht vorhanden; dagegen sind die einzelnen Lagen auf der ersten und letzten Seite vom Schreiber durch Buchstaben beziffert. Die ersten sieben und die letzte Seite sind unbeschrieben. Geschrieben auf europäischem Papier mit dem Wasserzeichen F. F. PALAZZUOLI in schöner grofser und deutlicher nestorianischer Schrift, die durchgehend mit Vocalpunkten nebst Rukkâkhâ und Quššâyâ versehen

') Jetzt in den Besitz der Kgl. Bibliothek zu Berlin übergegangen.

ist 1). Durch Einfluss von Feuchtigkeit ist das Papier vielfach dunkelgrau geworden und sind die Schriftzüge hin und wieder auf den gegenüberstehenden Seiten abgekleckst. Die Rubra der Inhaltsangaben zu den einzelnen Psalmen sind zum Theil verwischt, doch sind kaum einige wenige Worte ganz unleserlich geworden.

Nach dem Colophon auf den beiden vorletzten Seiten ist die Abschrift beendet am 29. Teschrin II 1882 p. Chr. zu Telkêphê, einer in der Nähe von Mosul am Tigris belegenen Ortschaft). Als Schreiber nennt sich der Diakon MIMI;o jO lama jo meqiang jɔ MAMIJI Franciscus b. Georgios b. Joseph b. Franciscus aus, das zu Telkêphê gehört". Trotz mancher Fehler ist die Handschrift doch besser als man bei solch geringem Alter erwarten möchte; der Schreiber hat jedenfalls recht gute Kenntnisse des Altsyrischen.

Von Vulgarismen ist mir nur 83, 17

statt

3) aufgestofsen. Fast regelmässig wird u. dgl. für

.geschrieben ܛܟ ܗܘ

Die Handschrift enthält auf den ersten 179 Blättern einen Commentar übr die Psalmen, der nach der Ueberschrift von Theodor von Mopsuestia verfafst ist. Nach

ܫܠܡ ܠܡܟܬܒ ܢܘܗܪ̈ܐ .der Unterschrift auf Bl. 179 r

This 1400 l;alo ās lapo po??? wird fortgefahren 2020 Jaobo? Asopo (Asaosz? limal 902 pomlojao (29) \„Ferner Erläuterung des ersten Lobgesanges Mosis und der Kinder Israel für ihre Errettung" (Exod. 15, 1-21). Bl. 181 r. folgt ein gleicher Commentar über das Loblied des Propheten Jesaias (Jes. 42, 10-13.

1) In den unten abgedruckten Stücken sind diese Punkte wegen der typographischen Schwierigkeiten gröfstentheils fortgelassen. *) S. Rosen und Forshall, Catalog. Cod. orient. Mus. Brit. pp. 4. 5. 7. 3) Vgl. Nöldeke, Gram. d. neusyr. Sprache § 22.

45, 8); 181 v. ein ebensolcher über den zweiten Lobgesang Mosis (Deut. 32, 1-21 a); endlich 183 r. unter dem Rubrum Lasso („das dritte von Moses") die Fortsetzung des Vorhergehenden, beginnend mit den Worten Hi lo

(Deutern. 32, 21 b-43). Es wird in der Handschrift nicht gesagt, dafs die Erläuterungen zu diesen letzteren Abschnitten von Theodor herstammten, sie sind aber ganz in demselben Stil gehalten, wie die zu den Psalmen. Sind nun diese Erläuterungen wirklich die syrische Uebersetzung des von Theodor griechisch geschriebenen, bis auf einige Fragmente verloren gegangenen Psalmen commentars?

Dals Theodor einen Commentar zu den Psalmen geschrieben hat, sagt er selbst1), und zwar war dies Werk, ebenfalls nach seiner eignen Aussage, seine erste literarische Leistung), die er, kaum 20 Jahre alt ), niederschrieb.

Nach dem Katalog kirchlicher Bücher, welchen der 1318 verstorbene nestorianische Schriftsteller Ebedjesu, Metropolit von Soba (Nisibis) verfasst hat, wurden die Schriften Theodors durch den bekannten Ibas von Edessa († 457) in das Syrische übersetzt, wobei ihm zwei Lehrer an der Schule zu Edessa, Cumas und Probus, zur Seite standen 1). Nach Bar Hebraeus soll auch der Perser Maanes, welcher zur Zeit des Rabulas die Schule von

1) Vgl. Comment. in Hoseam proph. Prooem. Zach. 9, 9. al. Quae scripta sunt in psalmos . quae etiam prima ceterorum omnium scripsimus bei Facundus von Hermiane pro defens. trium capp. III, 6.

3) Hunc aiunt non amplius quam decem et octo annos natum in scripturas debacchatum esse. Leontius von Byzanz, angeführt bei Fritzsche, De Theodori Mopst. vita et scriptis p. 27, und dazu die Bemerkung von Tillemont ebeuda.

4) Assem. Bibl. or. III. I. 85.

Edessa besuchte, während seines dortigen Aufenthalts die Schriften Theodors in das Syrische übersetzt haben 1).

Sie standen bei den syrischen Nestorianern im höchsten Ansehen; durch Concilbeschlüsse wurde die bindende Auctorität Theodors für die Schriftauslegung wiederholt officiell festgesetzt; wer ihn bekämpfte wurde mit dem Anathem belegt3), und er führt noch heute bei den syrischen Nestorianern den Ehrennamen des Exegeten xar' §oxip.

Dafs unter den in das Syrische übersetzten Schriften Theodors) sich auch sein Psalmen commentar befand, ist ausdrücklich bezeugt'); derselbe scheint sogar im 14. Jahrh. dem oben genannten Ebedjesu noch vorgelegen zu haben. Ich glaubte daher, als ich die oben beschriebene Handschrift zum ersten Mal sah, den ächten Commentar Theodors vor mir zu haben. Dem war nun leider nicht so.

Die syrische Handschrift kann schon deswegen keine einfache Uebersetzung von Theodor's Commentar enthalten, weil letzterer seiner Erklärung die Septuaginta zu Grunde legte, während der Psalmentext des syrischen Commentars derjenige der Peschita ist 5). Dem entsprechend ist auch die Zählung der Psalmen in unserem Commentar die der Peschita, d. h. 9 und 10 sind getrennt (in LXX zu einem verbunden), 114 und 115 bilden einen einzigen und

1) Assem. Bibl. or. III. I. 378.

2) 1. 1. pp. 84. 236. 342. 448. 452.

3) Die im Syrischen erhaltenen Fragmente sind gesammelt von E. Sachau, Theodori Mops. fragmenta syriaca, Lipsiae 1869.

4) B. O. III. I. 31.

") Allerdings sind die Berührungen dieses Textes mit den LXX etwas zahlreicher als der von Lee. 1, 4 findet sich nach Loi der

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Im Grofsen und Ganzen aber überschreiten die aus LXX eingedrungenen Lesarten doch kaum das Mafs, welches sich auch sonst in manchen syrischen Bibelhandschriften findet.

147 ist in zwei vertheilt'). Nun könnte man freilich annehmen, der Syrer hätte den Commentar Theodors übersetzt, dabei aber aus praktischen Gründen den Bibeltext seiner Kirche zu Grunde gelegt. Diese Annahme wird jedoch durch die Beobachtung hinfällig, dafs die Septuaginta und Peschita unter sich (und vom Hebräer) so sehr abweichen, dass ein Commentar zu der griechischen Uebersetzung vielfach für die syrische gar nicht passt und umgekehrt. Allerdings hat der syrische Uebersetzer der Psalmen bei seiner Arbeit die LXX vielfach zu Rathe gezogen), trotzdem bleibt eine aufserordentlich grofse Anzahl von Stellen übrig, die in der Peschita ganz abweichend von den LXX übersetzt sind und auf die daher die Erläuterungen des griechischen Textes nicht anwendbar sind, vgl. z. B. in beiden Uebersetzungen die Stellen 2, 6. 12; 4, 3; 12, 6. 9 u. v. a.

Weiter wäre es möglich, dafs der syrische Uebersetzer diejenigen Stellen in Theodor's Commentar ausgelassen hätte, welche auf den von ihm zu Grunde gelegten Peschitatext nicht passten, so dafs also bei unserem Syrer allerdings nicht der ganze Theodor erhalten wäre, das aber, was der syrische Commentar bietet, wirklich auf Theodor zurückginge. Aber auch das ist nicht der Fall. Es finden sich nämlich in unserem Commentar eine Anzahl von Stellen, die nur auf den syrischen Text passen, also griechisch nicht existirt haben können, sondern original syrisch sind. Hierher gehören zuerst Erklärungen syrischer Wörter, die zur Zeit der Abfassung des Commentars nicht mehr verstanden wurden. 1, 3 12 (LXX diɛğódovs) durch lies] lina o} |Avos. 1, 4

1) Vgl. meine Untersuchungen über die Psalmen nach der Peschita" p. 9. Ich citire auch in der vorliegenden Abhandlung überall nach dem hebräischen Text.

*) Vgl. meine Abhandlung: „Der textkritische Werth der alten Uebersetzungen zu den Psalmen" in Jahrb. f. prot. Theol. 1882 §. 435 ff.

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