Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

oder gar nöthigen würde. Ist Jahve seinem Wesen nach zwar wohl absolut, aber doch Persönlichkeit, liegt der ganzen Auffassung seines eigenschaftlichen Seins der Begriff der Heiligkeit zu Grund- in jener eigenthümlichen ethischen Schärfe und Reinheit der Offenbarungsreligion, stellt sich sein Wirken nicht als ein allgemeines, sich ewig selbst gleiches dar, sondern als ein concreter, stufenweise von engeren zu weiteren Kreisen fortschreitender Geschichtszusammenhang, in welchem eine specielle Selbstoffenbarung in den verschiedenen Formen der Theophanie, des Wunders und der Weissagung stattfindet, so sind das lauter Momente, die mit der Idee des Tao unvereinbar sind. Dieses Tao ist eben überhaupt so wenig eine religiöse Idee, eine Gottheit, als das Nirvana des Buddha. Es ist ein rein philosophischer Begriff, der, sofern er überhaupt eine Definition zulässt, das höchste Wesen an sich als die absolute Indifferenz der Gegensätze falst (daher als das schlechthin leere, ruhige, stille Eine geschildert), wie er denn schon durch seinen eigenthümlichen Namen (tào = Weg, Princip, Methode)') seinen abstracten Sinn und philosophischen Ursprung verräth. Wie sollte Lao-tse, wenn er je von der so absolut fremdartigen Religion des jüdischen Volkes etwas vernommen gehabt hätte, sich dazu haben versteigen können, die Gleichung Tao = Jahve zu vollziehen?! Wir können einen geschichtlichen Zusammenhang dieser Art noch weniger einräumen, als einen Zusammenhang zwischen der Lehre Lao-tse's und der des Anaxagoras, dessen vous in der That zur Vergleichung gezogen werden kann, wenn auch das uns darüber Bekannte die Idee des griechischen Philosophen weit weniger tiefsinnig erscheinen läfst. So bestimmt ferner das alte Testament Gott, als dem geoffenbarten, einen eigentlichen

1) Vgl. dazu Julien, le livre de la voie etc. p. XII ss.

Namen, der sein Wesen erschliefst und zusammenfasst, zuschreibt, leugnet Lao-tse, dafs das höchste Wesen einen Namen habe. Dasselbe ist wu ming d. i. namenlos (C. 32. 41), wū ming tshĩ pho d. i. eine unnennbare Substanz (C. 37). Wenn es vom Philosophen mit dem Titelnamen (tsí) Tao bezeichnet wird, so kennt derselbe doch seinen ming (rechten, ursprünglichen Namen) nicht (C. 25). An sich hat es freilich einen ming, der von Anbeginn an unverändert geblieben ist, wie das Wesen des Tao selbst (C. 21), aber dieser ming ist für den Menschen unnennbar (wäre er nennbar, so wäre er vergänglich) und daher nicht vorhanden (C. 1). Nur uneigentlich (erzwungener Weise khiang) kann dem Tao ein ming beigelegt werden, wie z. B. der Name tá (das Grofse C. 25). Ein solcher nennbarer Name (ming) kann erst von dem Augenblick an eine Stelle finden, wo das Tao angefangen hat, sich zu differenziren und in einzelne bestimmte modi einzugehen (tshí C. 32). Dann kann es je nachdem entgegengesetzt -klein oder grofs benannt (ming) werden. Hieraus (es sei besonders noch einmal auf C. 25 verwiesen) ergiebt sich zugleich, dafs der aus dem wiederholten Ausdruck ming yǎe in unserer Stelle C. 14 gezogene Schlufs v. Strauss's, mit den Wörtern i, hī, wēi solle ein eigentlicher (,,trigrammatischer" Rémusat) Name des Tao gegeben werden, gänzlich unberechtigt ist. Einen importirten Ihiwei (= Jahve) hat es für Lao-tse sicherlich so wenig gegeben, als einen dreigliedrigen chinesischen Namen I-hi-wei. Vielmehr haben die uneigentlichen ming in C. 14 dieselbe Function, wie der ming tá (oder shí oder yuèn oder fần) in C. 25, sie sind gesonderte Aussagen und bringen in verschiedenen Relationen den Gegensatz des Tao zum sinnlich Wahrnehmbaren, Materiellen zum Bewulstsein.

Auf den von v. Strauís am Schlufs seiner Erörterung gegebenen Hinweis 1) darauf, dafs schon nach Jes.49, 12 China

Israel bekannt war 1), 2) dafs die späte Sage von Wanderungen des chinesischen Weisen in den fernsten Westen") irgendwie eine thatsächliche Veranlassung gehabt haben müsse, dürfte es nach der obigen Darlegung nicht nöthig sein, weiter einzugehen. Mit dieser fabelhaften Occidentreise Lao-tse's lässt sich noch weniger anfangen, als mit der Orientreise des Pythagoras. Was aber die Sinim der Jesajastelle betrifft, so gehört u. E. die Identification derselben noch heute zum Ungewissen. Wir beschränken uns darauf, auf die Bemerkungen v. Gutschmid's in seiner Besprechung von Ferd. v. Richthofen's "China" (Zeitschr. d. d. morg. Ges. XXXIV, 199 ff.) zu verweisen, und betonen nur noch, dafs uns die von Straufs versuchte Erklärung der DD aus chin. jin (Mensch, Leute) schon aus lautlichen Gründen unzulässig erscheint.

Zur Charakteristik der Bibelexegese Saadia Alfajjumis.

Von M. Wolff.

II.

Wenn zu dem im vorigen Jahrgange Besprochenen das hier Folgende hinzugefügt wird, so geschieht es in der Vermuthung, dass, bei der Bedeutung der Persönlichkeit Saadias und dem hohen Werthe seines religionsphilosophi

1) Vgl. Excurs I in Frz. Delitzsch, bibl. Commentar über den Propheten Jesaja. 3. Ausg. 1879. 8. 688-692 (von V. v. StraufsTorney).

*) Vgl. Julien, le livre de la voie etc. pp. VIII. XXV. Alles, was über jene Reisen gefabelt wird, beruht auf einer Legende des Ko-hung (c. 350 p. Chr.) in einer mythologischen Schrift (1. c. IX).

schen Werkes, eine weiter fortgeführte Untersuchung unseres Gegenstandes schon deshalb nicht ganz ohne Interesse sein werde, weil derselbe sonst nirgends eingehend behandelt worden ist1). So beginnen wir nun mit dem Abschnitte über die Seele", in dessen Mitte unser erster Aufsatz schlofs.

[ocr errors]
[ocr errors]

Hinsichtlich der Erhabenheit der Seele wirft Saadia die Frage auf, ob nicht in ihrer Verbindung mit dem sterblichen Körper ein Unrecht gegen sie begangen werde').

Und er antwortet hierauf, dass bei Gott überhaupt, von der Heiligkeit ganz abgesehen, ein Unrecht nicht gedacht werden könne. Ein solches werde nämlich (vom Menschen) nur aus drei Ursachen begangen:

1) aus Furcht vor dem, gegen den es verübt wird

; (يجور الجائر خوفًا ممن جار عليه

2) aus Begierde nach dem von diesem zu Erlangenden

3) aus Unkenntnifs des ihm rechtmässig Zukommenden

und رغبة الى شيء يناله منه)

.(جهلا منه بموضع

الحق)

Für die Ueberzeugung nun, dafs von diesem allen bei Gott nicht die Rede sein könne, findet er eine Bekräftigung in den Worten Job 34, 19. Es deute dort nämlich 102

يشير به الى باب (الخوف DDRESS auf die Furcht

Sanos y 7 auf die Begierde (1) und obɔ 17 nwyd auf das Wissen (1) hin.

Er sieht also in D die

nur von Menschen

ge

1) Einige hierher gehörige Punkte sind aufser dem schon erwähnten von Geiger in seiner lichtvollen Abhandlung: „zur Entwickelungsgeschichte der hebr. Sprachkunde" (, Wissenschaftl. Zeitschr." V, 289 ff.) in Betracht gezogen werden.

*) Ed. Land. p. 196 sequ.

[merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors]

Menschen, sowie seiner Bedürfnisse und berechtigten An

sprüche". Hierbei denkt er natürlich an die Psalmworte

בינו בערים בעם וכסילים מתי תשכילו הנטע און : (4-10) -und in diesem Gedanken sagt er ja ausdrtick הלא ישמע ונו' ان هو بصير بخلقهم فبالحرى أن يكون بصيرا بافعالهم وبما : lich ( يجب لهم وعليهم

Dafs es Saadia bei Behandlung seiner Frage nicht um eine eigentliche Erklärung des Bibelverses zu thun war, leuchtet ein.

Nach dieser allgemeinen Beantwortung derselben weist er die Nothwendigkeit der Verbindung der Seele mit dem Körper nach und fügt dann folgendes hinzu: wollte man, dafs diese Verbindung, welche die Grundbedingung des menschlichen Daseins und hierdurch zugleich der darauf beruhenden Existenz der Welt (s. den vorigen Jahrg. S. 235) ausmache, aufhöre, so wäre dies dasselbe, wie wenn man die Natur des Feuers oder des Wassers zu ändern wünschte, was gegen alle Weisheit stritte, denn die Weisheit fordere, dafs die Dinge in ihrem bekannten wahren Wesen sich er

[ocr errors]

icht berdafs كون الاشياء على حقائقها المعلومة) “halten

[ocr errors]

sie nach den Wünschen des Menschen sich gestalten; und dieser Gedanke liegt auch den prophetischen Worten (Jes.

.zu Grunde הוי רב את יוצרו ונו' (459

die

1) Mit dem letzteren sind wohl, wie ich oben angegeben, Bedürfnisse und berechtigten Ansprüche der Menschen gemeint.

بخُلقهم Dafs

zu lesen und nur in dem Sinne von: „ihre Natur“ (oder ihre Gemüthsverfassung) zu nehmen sei, habe ich schon in meinen Bemerkungen“ (Magaz. VII, 86) erwähnt.

Zeitschrift f. d. alttest. Wiss. Jahrgang 5. 1885.

2

« ZurückWeiter »