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chen dagegen, wo der Unglaube, in welcher Form es sey, einen kümmerlichen Sieg behauptete, und wenn sie auch einen Augenblick mit einem Sonnenglanze prahlen sollten, verschwinden vor der Nachwelt, weil sich Niemand mit Erkenntniß des Unfruchtbaren abgeben mag. Der Unglaube geht mit seinem Wissen nur einen kurzen Weg fort. Nun stößt er auf Etwas, was geglaubt werden muß, (das fehlt nicht), und so stußt und strauchelt er. Er fångt an zu zweifeln, und jeder Zweifel lähmt. Sein Wissen ist nur ein halbes Wissen, seine Ueberzeugung eine halbe Ueberzeugung, seine Entschlüsse find halbe Entschlüsse, sein Thun ist ein halbes Thun. Er ist nur ein halber Mensch mit halber Kraft.

(Goethe.)

In dem magnetischen Zustande, wo der Mensch in der höchsten Passivität lebt, wird er erst einer anderen und höheren Einwirkung fähig. Mystiker sind in diesem passiven Zustande. Sie wollen nichts als auf sich wirken lassen von Gott, (nåmlich bis Gott sie wirken heißt, und was er sie wirken heißt); natürlich, daß auf sie gewirkt

wird. Wo die natürlichen Kräfte aufhören, fan

gen die göttlichen an.

Ein einziges Verlangen der Seele, welches in ihr von Zeit zu Zeit sich nach dem Besseren, dem Zukünftigen offenbart, ist mehr als ein mathematischer Beweis der Gottheit. (Hemsterhuys.)

Die Ueberzeugung des Gefühls, wovon alle andere Ueberzeugung nur abgeleitet ist, entsteht in dem Wesen selbst und kann nicht mitgetheilt werden. (Derselbe.)

Was zum Verstehen des Göttlichen gehört, kann auf keine Art mit Worten ausgedrückt werden so wie andere Wissenschaften. Aber aus tåglichem Gewöhnen an dasselbe und Verbindung des Lebens mit ihm nåhert es sich endlich selbst und spiegelt sich ab in der Seele wie ein vom Feuer. wiederstrahlendes Licht. (Plato.)

Anders ist es mit göttlichen, anders mit menschlichen Dingen. Menschliche muß man. kennen, um sie zu lieben; göttliche muß man lieben, um sie zu kennen. (Pascal.)

Was ist die Mystik?

Sie stammt wie die Liebe von oben. Worte

können das nicht ausdrücken, was des Gemüths innerste Tiefe ergreift.

Jede Religion muß Mystik als einen wesentlichen Bestandtheil haben; sonst kann sie wohl ein philosophisches Wissen, aber keine Religion seyn; sonst entspricht sie nicht der zweiten Function der Seele, dem Gemüth, dem Gefühle nämlich.

Daß Gott dem Menschen sich äußerlich offenbart, daß er im Fleische den Sterblichen erschienen, daß die Bibel göttlich offenbarte Wahrheit sey diese dem Christenthume wesentlichen Vorstellungen sind schon so rein mystisch, daß wir nicht begreifen, wie Christenthum ohne Mystik ge= dacht werden könne. Der Mystiker sieht sich durch das Medium der Religion und, seht der Katholik hinzu, der Kirche, welche die allgemeine Mystik hegt mit dem Ueberfinnlichen in nåheren Contact geseßt, ohne daß er diesen Zusammenhang schulgerecht definiren könnte. So ist z. B. der Eid rein mystisch; die Erinnerung an die Pflicht, die Wahrheit sagen zu müssen, ist es nicht blos, was den Begriff des Eides bildet, es ist et

was unendlich Tieferes, was das Gemüth des Schwörenden bewegt: er sagt sich los von dem guten Geiste, der über den Sternen wohnt, er unterwirft fich undeutlich gedachter Strafe, indem er falsch schwört. Dieses schauerliche Dunkel, von dem sich der Schwörende selbst keine Rechenschaft zu geben weiß, ist beim Eide, wie wir ihn bei allen Völkern treffen, wesentlich. In vielen Instructionen sieht man es so recht deutlich, wie der wahre Begriff des Eides Manchen unbekannt ist, ganz wåsserige Ansichten vom Eide findet man häufig. In ihrer Art eben so schauerlich dunkel ist die katholische und lutherische Ansicht vom Abendmahl. — Diese Beispiele werden genügen, um eine allgemeine Idee von der Mystik zu geben.

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Aber, möchte man sagen, was soll uns diese dunkle Kammer der Seele? Deutlich helle Begriffe müssen wir haben! Nicht doch! Nicht Alles kann in Begriffe zerlegt werden. Ein Wort von Möser ist hier sehr treffend: „Ein deutlicher Begriff kommt mir eben so vor wie eine Hafersuppe, worin man Wasser und Grüße, Butter und Salz völlig von einander unterscheiden kann.

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Aber ein dunkler Begriff ist wie ein Pudding von Miß Samson, worin die Masse vortrefflich schmeckt, ohnerachtet man nur eine Vermuthung von allen einzelnen Ingredienzen bekömmt." Patriotische Phantasien 11. S. 307.

Das ist eben das Eigene der Religion, daß fie mehr als Begriff ist, daß sie durch Symbole eben so stark zum Gemüthe redet als durch die Lehre zum Geiste.

Wenn man die Mystik vertheidigt, so vertheidigt man nicht alles das, was Thoren als Mystik betrachten; der Schluß der Wahlverwandtschaften, wo verschiedene Ingredienzen der Mystik nach dem Recepte der ästhetischen Schwärmer gemischt sind, wird Niemand als Mystik erbauen. Auch hier gibt es ein Ziel und Maß, und zwischen den Verehrern der Schweißtücher der Nonne zu Dülmen und jenen Reformirten, die nicht einmal eine Orgel in ihren Versammlungsorten dulden wollten, liegt die Wahrheit in der Mitte. Die Mystik muß verständig, nicht ausschweifend, fie muß in den constitutionellen Schranken seyn; und diese finden sich von selbst, sobald die Lehre

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