Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

es sey nöthig zur Seligkeit, daß man wisse, dem römischen Papst seyen alle menschliche Creaturen unterthan. Clemens V hat das bekannte Blutbad, die unerhörten Grausamkeiten gegen die Tempelherren angestiftet. Johannes XXII hat den guten Kaiser Ludwig für einen Keher erklärt, ihn des Reichs beraubt und ihn auf alle mögliche Art beschimpft und gemißhandelt. Natürlich folgte die Geistlichkeit diesen erhabenen Beispielen. Es ist kein Laster, kein Verbrechen denkbar, das nicht die gleichzeitigen Schriftsteller diesen damaligen Volksgößen vorgeworfen und ohne Widerspruch vorgeworfen hätten. Dabei artete die Theologie in cinen leeren, buchstäbelnden Speculatismus aus. Wer am feinsten distinguiren, Haare spalten, das Unbegreifliche durch Erklärungen noch unbegreiflicher machen, mit unverstandenen Worten wie ein Taschenspieler spielen konnte, der war Meister in der Theologie. Die formalitates, entitates, esseitates des Duns Sotus, Petrus Aurelius und Anderer sollten die Menschen aus dem Verderben retten und zur Aehnlichkeit mit Gott erhöhen. Alle Wochen mußte Einer einen ganzen Tag, von Morgens fünf bis Abends sieben Uhr, öffentlich disputiren, 60 Baccalauren mußten ihm Einwürfe machen. Sie begreifen doch, wie dadurch die wahre Gottseligkeit befördert wurde? - In der nämlichen Zeit

traten aber auch die herrlichen Menschen, Tauler, Thomas von Kempen, Ruysbroek, Bernhardinus Sinensis, Gerhard von Zütphen und Andere auf, die weit und breit um sich her wirkten, dafür aber auch von der versunkenen Kle= risei tüchtig verkehert und verfolgt wurden. Die Versunkenheit des Klerus im sechszehnten Jahrhundert ist bekannt; eben so bekannt sind aber auch die Männer, die gegen sie auftraten; Månner, in denen sich das Wesentliche, die Blüthe der wahren Mystik fand, ob sie gleich nicht Mystiker hießen. So wahr ist das Bekenntniß, das dem gewiß keiner Art von Schwärmerei verdächtigen Henke durch die geschichtliche Wahrheit entrissen wurde:,,Croftbegierige Seelen fanden gar leicht bei Tauler, Thomas, Brodwarein und Johann von Ruysbroek (bekannte Mystiker) mehr Erquikkung, als bei all' den scharfsichtigen · Schulgelehrten, welche in den Erbauungsbüchern dieser Månner manchen Gedanken, der auf der Bleiwaage der symbolischen Bücher die Prüfung nicht aushielt, manche im Feuer der Andacht überspannte, oder sonst einer Mißdeutung fähige Redensarten, manche aus katholischen oder schwenkfeldischen Schriften erborgte Stellen entdeckten." Und über Johann Bona: ,,Er war noch ganz ohne Tadel, ein Lobredner und Beförderer jener stillen', prakti

schen Privat - Religion (der Mystik), welcher man von jeher diesen Namen beigelegt hatte?" Das lautet anders, als wenn unsere einseitigen Verstandestheologen in der Mystik Nichts als Phantastereien und Schwärmereien finden.

[ocr errors][merged small][merged small]

Es freut mich, daß Sie mir sagen, Sie feyen

[ocr errors]

schon etwas für die wahre Mystik eingenommen, weil sie sich zu allen Zeiten erhalten und so manches Gute gewirkt hat; weil Männer, die nichts weniger als Mystiker waren, sich so bestimmt für ihre Wirksamkeit erklären; weil sie so tief im Innern anfångt und langsam auf das Aeußere wirkt. Auch erweckt es Ihnen ein gutes Vorurtheil für fie, weil die Bösen zu allen Zeiten die Anhänger dieser Gemüthsreligion verfolgt, und die Ueberweisen, die Wißlinge über sie abgesprochen haben. Alles sehr natürlich! Man hålt viel von einer Arzenei, fo= bald sie gut wirkt, ob man gleich ihre innere Natur noch nicht kennt.

Die Natur, die wesentlichen Unterscheidungslehren der Mystik wünschten Sie aber jest nåher

kennen zu lernen. und ich will Sie etwas bekannt damit zu machen suchen, so weit man Jemand ohne eigene Anschauung, die ich bei Ihnen nicht voraussehen will, be= kannt machen kann. Einer ihrer Hauptgrundsåße, wie ich bemerkte, schon von Clemens von Alexan= drien vorgetragen, ist: der göttliche Logos sen über alle Menschen ausgegossen, dies Göttliche müsse nur in den Menschen geweckt und belebt werden; daher müsse Vereinigung mit Gott durch ein Mittelwesen das höchste Streben des Menschen seyn.

Das finde ich sehr natürlich,

Geistige Vereinigung mit einem geistigen Wesen, also auch mit Gott', ist nur durch Glauben und Liebe möglich! Diese Liebe muß aber ohne Eigennuh, Selbstsucht, ohne die Absicht, dadurch glücklich zu werden, - fie muß eben Liebe seyn.

Willenloses Hingeben an das geliebte Wesen ist natürliche Folge dieser Liebe.

Dadurch gelangt man zu dem höchsten Gute, das in Vereinigung, in Zusammenfließen mit der Gottheit besteht.

Der Gang, Fortgang und Ausgang, die Entwickelungsstufen in der Körperwelt sind Abdruck, Symbol, Physiognomie in der geistigen, sittlichen; äußeres Leben ist Symbol des innern Lebens. Dies innere Leben kann darum auch nur durch Bilder aus dem äußern einigermaßen dargestellt werden.

« ZurückWeiter »