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Totalität nicht mehr passende, mit manchen für jenes Zeitalter nöthigen Mythen und Wundergeschichten durchwebte Bibeloffenbarung zu erheben, das Gute davon beizubehalten, und das Uebrige jenem kindischen Zeitalter zu überlassen, dem es allerdings nüßlich war. In solchem Zeitalter lebten, für die Menschen in solchem schrieben die Mystiker, meist fromme, gute Menschen, die es mit ihren Vorstellungen ehrlich meinten, die sich auch hauptsächlich darum irrten, weil sie durch die Bibelbücher, als lauter wahre Geschichten, philo= sophische und moralische Wahrheiten zu begründen suchten. Man sieht, mit diesen fällt auch ihr ganzes System, wenn man anders eine Reihe von sogenannten Anschauungen, die man nicht erklären kann, ein System nennen will." In diesen Vorstellungen, die man so häufig liest und hört, die noch öfter stillschweigend vorausgeseht werden, wo man sie nicht auszusprechen für gut hält, ist so viel Wahres und Falsches, und Beides so fein gez mischt, daß es mich gar nicht wundert, wenn Sie, der in einem ganz andern Fache des Wissens lebt, dadurch irre gemacht wurden. Wahr ist's, daß ein hoher Grad von Perfectibilität in dem Menschen liegt, und daß er sich dadurch unter Anderm von dem Thiere unterscheidet. In der Thierwelt bleibt nämlich Alles ohne Fortschritt, durch

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Organisation und Instinct fest gebunden. Jedes wird Alles, was es in seiner Art werden kann und soll. Eine Generation ist, was alle vorhergehende waren, alle folgende seyn werden, ohne Fortschritte, ohne Rückgang in unübersteigbaren Schranken eingeschlossen. Von allen Wesen, die wir kennen, ist der Mensch das einzige, bestimmt ewig nach einem unerreichbaren Ziel zu streben, ewig unvollkommen zu seyn, und doch immer voll= kommener zu werden, ewig nicht zu seyn, was er werden kann, und ewig doch zu gewinnen an je= der Vollkommenheit. Wahr ist's auch, daß durch Jesus die. mosaische Religion erhöhet, vervollkommnet und allgemein gemacht wurde. Endlich ist es richtig, daß auch das Christenthum in gewissem Sinn perfectibel genannt werden kann. Aber be= denken Sie einmal, mein Lieber, daß wenigstens unser Erkenntnißvermögen bei aller Perfectibilitåt offenbar seine Grenzen hat, die man nicht überschreiten darf, ohne auf Abwege und Verwir rung zu gerathen. Hat ja Kant durch seine Antinomien der reinen Vernunft in Beispielen gezeigt, wohin sich die menschliche Vernunft verirre, wenn sie blos aus ihren Principien Schlüsse auf übersinnliche Dinge bilden will! Hat ja einer der größten Denker unserer Zeit ganz consequent behauptet, es sey Gotteslästerung, von Gott eine

Eristenz zu behaupten! Der, Mensch kann sich, wenn man will, in's Unendliche fortdenken, aber immer denkt er durch eine gewisse: Denkform. Auf keine Art kann er sich davon losmachen, und versucht er es, so kommt er dahin, daß ihm Nichts mehr wahr ist, weil Alles in und mit seiner Denkform gedacht wird, und er diese nicht will. Er bemüht sich, wie der tiefe und naive Jacobi sagt, um Brillen, durch die man ohne Augen fehen kann. Wer die Grenzen seines Denkvermögens nicht kennt, der steht noch auf der untersten Stufe des Denkens. Woher wollten denn die Christenthums - Verbesserer den Stoff zu neuen Wahrheiten nehmen, da die Vernunft von überirdischen Dingen Nichts weiß und sich gar arg verirrt, wenn fie aus sich allein Etwas davon erkennen will, wie alle åltere und neuere Beispiele zeigen, und åltere sowohl als neuere Philosophen bewiesen haben? Das einzige Sensorium für das Ueberirdische, Religiöse ist Glaube und Anschauung, wovon die Vernunft der Vernünftler Nichts wissen will. Der Gegenstand des Glaubens und Schauens ist aber eine gegebene, nicht herbeivernünftelte oder demonstrirte Offenbarung, Tradition oder wie es heißen mag; sie war's auch bei allen Völkern und von jeher. Ein Wesen, wie Jesus, konnte die mosaische Religion verbessern, weil er mehr

war als Moses, weil er höhere Offenbarungen und Kräfte hatte als Jener, und es durch Thaten zeigte, die man jetzt höchst inconsequent und unphiloso= phisch zu gewöhnlichen Curen, wohl gar zu Spielen eines Charlatans machen will. Die mosaische Religion trug die Spuren ihrer nationellen und temporellen Beschränkung schon in sich. Sie konnte ihrer Natur nach keine Religion für alle Völker und alle Zeiten seyn, weil sie auf ein bestimmtes Klima, auf ein bestimmtes Land be schränkt war, gewisse bestimmte Sitten voraussette. Konnte ja die jüdische Nation nicht mehr opfern, überhaupt ihren ganzen Cultus nicht mehr ausüben, sobald sie Jerusalem und ihren Tempel nicht mehr besaß, sobald sie außer Palästina lebte! Mußte ja schon Manches in ihren Speisegesehen geändert werden, sobald sie aus Nomaden ein ackerbautreibendes Volk wurde! Ihre eigenen Propheten haben es deutlich genug gesagt, daß eine bessere Verfassung, eine geistigere Religion kommen werde. Lesen Sie nur Jef. 2, 10. 10, 65. Daniel 2, 44. und ähnliche Stellen. Jesus aber sagt: „Himmel und Erde wird vergehen, aber meine Worte vergehen nicht" (Matth. 24, 35.). Und einer seiner ersten Apostel: „Jesus Christus ist gestern und heut, und derselbe in Ewigkeit" (Ebr. 13, 8.). ,,Wer euch ein ander Evangelium verkündigt, (als

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das von Jesus, was ich euch verkündige,) der sey verflucht" (1. Kor. 16, 22.). Auch bedarf es wirklich keines anderen, da das von ihm verkündigte alle wahre geistige Bedürfnisse des Menschen befriedigt oder zu befriedigen verspricht, sie auch Tausenden der besseren Menschen befriedigt hat. Die Apostel haben allerdings Manches mehr entwickelt, bestimmt, über Manches mehr Licht gegeben, wovon Jesus schwieg. Das hat aber Jesus vorausgesagt, er habe seinen Schülern noch Viel zu sagen, was sie jezt noch nicht tragen könnten; seht aber sogleich hinzu, wenn der Geist komme, so werde er fie in alle Wahrheit leiten (Joh. 16, 12.). Gegen Jesus, gegen das von ihm verkündigte Evangelium haben sie aber nie ein Wort gesagt. Sie haben uns Mehr, aber nichts Anderes geben wollen als ihr Herr. Was bieten uns aber die neueren, sogenannten Christenthums Verbesserer an? Eine flache oder unverständliche Philosophie, die höchstens wenigen scharfsinnigen Köpfen Etwas seyn kann, und nach einigen Jahren von einer andern verdrängt wird, ob sie gleich alle von ihren Erfindern und Nachbetern einzige Philosophien heißen; eine trockene Moral, die wie die hölzernen Arme an der Landstraße den Weg zeigen, aber Niemand weiter bringen, gebesserte Menschen voraussetzt; indem sie Menschen blos durch

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