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nicht muthlos zu machen, ihm Vergebung seiner Sünde angekündigt, oder wie man es nennt, ihm die Absolution ertheilt werden. So groß auch die Mißbräuche, die mit dieser Einrichtung bekanntlich getrieben wurden und manchmal noch jest getrieben werden; so großen Nußen könnte, besonders die Privatbeichte, noch jest stiften und stiftet sie wirklich, wenn der beichthörende Priester ein religiöser und weiser Mann ist. Bei den Protestanten ist alle Privatbeichte so gut wie abgeschafft; allein, wenn der Prediger das Zutrauen seiner Gemeindeglieder hat, so ist er ein freigewählter Beichtvater; etwas an an sich Besseres, wenn es nur allgemeiner wäre und in innigerer Verbindung mit dem Christlichreligiösen stånde. Ohne alle äußere Einrichtung hat dies Blicken in sein Inneres indeß bei Nichtreligiösen noch einen andern Zweck. Sie wollen nicht blos darauf ach= ten, wie sie handelten gegen Gott, sondern auch wie Gott handelte gegen sie, wie er sie durch ihre Schicksale leitete und führte, zurückhielt und antrieb, ermunterte und beschirmte. Sie wollen verstehen lernen, was er mit ihnen wolle, und glauben lernen, daß er ihr Bestes wolle, auch wo sie es nicht verstehen. Vielleicht erinnern Sie sich des treffenden Worts von Herder: In der Natur und Bibel spricht Gott allgemein zu den Menschen.

Aber in unseren Schicksalen nimmt er uns bei Seite und sagt uns, was kein Anderer versteht, Keiner aber auch zu verstehen braucht." Das ist der feste Glaube, besonders der Mystiker. Schon in den Auszügen, die ich Ihnen aus einer Schrift der Guyon gegeben habe, werden Sie Spuren davon finden; in dem Briefwechsel zwischen ihr und Fenelon finden sich viele; auch in den bekann= ten Schriften von Tauler, Arndt und Anderen. Vor einiger Zeit bin ich aber in der Büchersammlung eines Freundes auf einen mir bisher ganz unbekannten Mystiker gestoßen, der nach meiner Meinung viel Wahres und Gutes über die göttliche Führung sagt. Er nennt sich Bertot und Directeur mystique, über welchen Titel ich Ihnen keine weitere Aufklärung geben kann. Ich gebe Ihnen einige Auszüge aus seiner Schrift: ,,Welcher Gestalt die Seelen von Gott geführt werden," weil ich Ihnen wirklich nichts Besseres zu geben weiß.

Es gibt eine mittelbare und unmittelbare Führung, (durch Menschen oder blos durch Schicksale, ohne das Mittel von Menschen). Alle Dinge sind in der Hand Gottes ganz gleich, und wenn die Seelen nur ganz treu sind, um den ewigen Rath

schluß Gottes über sie vollstrecken zu lassen, so dur fen sie sich im Uebrigen nicht bekümmern über das Mittel, dessen sich Gott hierzu bedient; ja dieses um so mehr, als die Hand Gottes, ob sie gleich der Creatur verborgen und unsichtbar ist, sein Werk in der Creatur schaffen und wecken wird; denn es ist ganz gewiß, daß nicht nur das mittelbare Mittel eben so vortheilhaft in der Hand Gottes ist als das unmittelbare, sondern es ist das mittelbare Mittel öfters noch viel vortheilhafter, weil es nach unserer Schwachheit mehr eingerichtet und proportionirt ist; gleichwie wir sehen, daß die Worte Jesu Christi in ihrer Kraft und Wirkung nicht nur gleich gewesen sind, sondern sie sind sogar noch weit größer und wunderbarer gewesen, da er durch den Mund seiner Apostel redete, als da er selbst geredet hat. (Am Tage der Geistesausgießung ließen sich 3000 Menschen taufen. Ap. Geschichte 2, 41. Jesus hatte vermuthlich nur 500 Schüler: er hatte es ja auch vorausgesagt. Joh. 14, 12.)

Nachdem die Anleitung, welche durch ein der gleichen Mittel verrichtet werden kann, geschehen und vollendet worden, daß alsdann die unmittel= bare Führung die Stelle der mittelbaren einnimmt

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und an deren Plak kommt, dann thut der Führer (vermuthlich ein Mann wie Bertot) weiter Nichts mehr, als daß er die Führung gutheißt und approbirt.

Es sind wahrhaftig sehr wenig Seelen, die gleich im Anfange und in der Mitte ihres Laufs unmittelbarer Weise geführt werden. (Der Ver= fasser beruft sich auf Personen, die er kannte, und auf Bücher, wie er keinen Einzigen gefunden.) Sie schreiten fort in ihrem Wege und verewigen sich in ihrem Centro, wo alles Absonderliche in Vorstellungsarten und Kirchen sich in der Einheit verliert wie eine große Anzahl Linien, die nach Einem Mittelpunct gezogen sind. Je mehr sothane Linien von ihrem Mittelpunct entfernt sind, um so weiter sind sie auch von einander entfernt. Je mehr sie sich einem Mittelpuncte nahen, um so viel nåher kommen sie auch, eine zu der andern, bis sie sich endlich in dem einzigen Mittelpuncte verlieren nicht nur dem Namen nach, sondern in der That, indem aus allen ein einziger Punct wird, der in keine Theile kann getheilt werden.

Da Gott nicht Mehr verlangt, als daß wir

ihn lieben und seiner selbst fähig (empfänglich) werden möchten; wenn nun das unmittelbare Mittel gleich im Anfange das vortheilhafteste wåre, würde er solches nicht ergreifen, da er von dieser so gar starken Liebe zu uns getrieben wird? Da er es nun nicht thut, oder nur selten thut, so ist es ein überzeugender Beweis, daß die unmittelbare Führung nicht die vortheilhafteste ist.

Eine Seele, die unmittelbar geführt wird, hütet sich wohl sich dessen zu überheben, sie wird dadurch im Gegentheil unendlich gedemüthigt und zu Staube zermalmt. (Sehr natürlich! Sie müßte ja ihr Gedächtniß, ihren gesunden Menschenverstand verloren haben, wenn sie nicht fühlte, wie viel für sie geschieht, und wie wenig sie es verdient.)

Eine Seele foll in der Hand der ewigen Weisheit seyn und sich verhalten eben wie ein Kind, das durch seine Mutter geführt wird. Es wird `zu Zeiten an der Hand geführt; also geht es mit seinen Füßen und schreitet durch seine Kraft weiter fort, wird aber doch von der Mutter gehalten (und geleitet). Dies Führen der Mutter dient

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