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Státte des Herrn?" sagt David. *),,Wer unschuldige Hånde hat und reines Herzens ist." ,,Selig find die reinen Herzen," sagt Jesus, „sie werden Gott schauen." **) Daher auch die Mystiker von einem dreifachen Wege reden: Reinigung, Erleuchtung, Vereinigung. Nicht Erleuchtung erst. Echte Reinheit des Herzens und nicht Sprachkenntniß, philosophischer Geist oder irgend eine Gelehrsamkeit. Im Gegentheil! Jesus preiset seinen Vater im Himmel, daß er den Geist feines Evangeliums den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen (den Kinderseelen) offenbaret hat. ***) Paulus schreibt an die Korinther: ****),,Das Wort vom Kreuz ist eine Thorheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist es eine Gotteskraft; denn es steht geschrieben: ich will zu nichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen. Der gekreuzigte Christus ist den Juden ein ergerniß und den Heiden eine Thorheit, uns aber göttliche Kraft

*) f. 24, 4.

**) Matth. 5, 8.
***) Matth. II, 20.

****) I. Kor. 1, 18 u. f.

und göttliche Weisheit.

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Nicht viel Weise nach dem Fleisch, nicht viel Gewaltigé, nicht viel Edle find berufen; sondern was thöricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, daß er die Weisen zu Schanden mache. Und was schwach ist vor der Welt, das hat er erwählt, daß er zu Schanden. mache, was stark ist. Und das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, und das da Nichts ist, daß er zu nichte mache, was Etwas ist." Und nun der tiefe, psychologische Grund:,,auf daß sich vor ihm kein Fleisch rühme;" damit der Mensch den Grund der hohen Wohlthat, daß Gott sein Liebstes, Einziges für die Menschen hingegeben habe, nicht in fich suche, und dadurch der Grund aller Sittlich= keit, Demuth verunreinigt werde, wobei denn auch die Dankbarkeit nicht mehr rein bleiben würde. Dies Wort des Apostels ist auch in allen Zeiten bei vielen hundert Vernünftlern, Grüblern, foge= nannten Philosophen, die Musik sehen und Liebe anatomiren wollen, um zu wissen, ob Etwas daran sey, erfüllt worden. Keine Lehre des Christenthums hat mehr Anstoß gegeben, ist mehr für Thorheit, für schädlich erklärt, und deßwegen mehr verdreht, verwässert, in Schatten gez stellt worden, als die Lehre von Erlösung des Menschen, und besonders durch seinen Tod, da

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Ist er einmal nur

doch der Mittelpunct des Christenthums das tiefste, heiligste Geheimniß und zugleich die Feder ist, die den ganzen innern Menschen auf die natürlichste Art in Bewegung seht, und allein so in Bewegung sehen kann, durch Glauben an Liebe und durch Liebe. Niemand soll sich indeß entschuldigen, daß er zu diesem mystischen Leben nicht tauge, weil sein Herz nun einmal unrein sey.,,Das Blut Jesus Christus," der Glaube an die aufopfernde Liebe Jesus reinigt; ein reines Herz wird dann geschaffen. Auch ist es keine Entschuldigung, daß ein Mensch zu sehr in Geschäfte verwickelt sey, um so in sich zu kehren, wie es das innere Leben in Christus erfordert. auf dem rechten Wege dazu, so wird ihn der Geist mitten unter seinen Geschäften erinnern, antreiben, warnen, leiten, wenn er sein Inneres nur offen erhålt für diese Stimme. Gelehrte, wissenschaftlich Gebildete sind freilich in der Regel weniger empfänglich für wahre Mystik, weil sie zu wenig kindlichen Sinn haben, weil es ihnen schwerer wird, der Wahrheit recht zu geben gegen sich selbst, weil sie nicht so leicht wahrhaft demüthig sind, und weil sich in ihr Wissen sehr leicht manchmal unvermerkt der Zweck, etwas in der Welt zu gelten, einmischt. Schon das ist Hinderniß, daß sie einseitig zu viel Werth auf das Wissen sehen, und

Mystik ist kein eigentliches Wissen, keine Theorie, keine Vernunftspeculation. Alles muß bei dem echten Mystiker Erfahrung seyn, Erfahrung von Glaube und Liebe. Ueberall redet die Liebe," sagt der heilige Bernard, *),,und wenn Jemand von dem, was geredet wird, Kenntniß haben will, so liebe er, sonst versteht er Nichts." Und gilt dies nicht von aller Liebe?,,Diese Weisheit," sagt Bonaventura, **) ist darin von allen andern Wissenschaften verschieden, daß man in ihr erst den Gebrauch in sich kennen muß, ehe man die Worte versteht. Die Praris geht vor der Theorie her." ,,Um menschliche Dinge zu lieben, muß man sie „Um erst kennen", sagt Pascal; aber um göttliche Dinge kennen zu lernen, muß man sie erst lieben.“ Und wie wahr ist es, so sonderbar es auch lauten mag! Nur Liebe öffnet den feinen Sinn, durch den das eigentlich - Göttliche in einem Wesen, in der Natur, in dem Menschen und in Gott erkannt wird. Mit welch anderem Auge sieht der Mensch die Natur und die Menschen an, wenn er liebt! Alle Romane sind ja voll von den Veränderungen des Blicks, die die Liebe schafft. Nur das Ge=

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*) In der 79. Predigt über das Hohelied.
**) In der Vorrede zu seiner mystischen Theologie.

meine, Zergliederbare erkennt der Verstand. Das Höhere, Göttliche wird nur durch das Gemüth erfaßt, und es hat seine wahre Genialität, wenn der Mensch liebt. Es geht nicht an, daß man durch den Verstand empfinde, aber man kann denken durch das Herz. Alle darum, die nicht von Erfahrung ausgehen und lehren wollen, was sie nicht erfahren haben, zeigen, daß ihnen Gott eigentlich fremd ist, daß sie ihn eigentlich in seiner Göttlichkeit noch nicht erkannt haben. Nur der, der lieb hat, ist von Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht lieb hat, kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe. *) Wer dies Wort Johannes versteht, dem brauche ich Nichts weiter zu sagen. Es enthält die tiefste Mystik, die je in Worten ausgedrückt ward. Was ich indeß sagte, daß Gelehrte in der Regel weniger zu wahrer Mystik fähig seyen, leidet Ausnahmen; auch sagte ich nicht: ganz unfähig, sondern nur: weniger fähig. Daß Jesus feine Schů ler nicht unter den jüdischen Gelehrten wählte, sondern unter der geringern Menschenclasse, das hatte seine Ursache offenbar darin, daß er in dieser mehr kindlichen Sinn fand als in der gelehrten Classe. Pries er ja darum seinen Vater, daß der Geist

*) 1. Joh. 4, 7. 8.

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