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hatte, so wurde der Prediger auf das Rathhaus beschieden, erschien aber nicht, sondern ließ sagen, der Rath habe sich um geistliche Sachen nicht zu bekümmern. Indes hatte der Prediger auch seine Partei für sich, und diese siegte so weit, daß Böhm zur Stadt hinaus geführt wurde. Aber schon in der nächsten Sizung hatte man sich anders be= dacht, und Böhm wurde durch zwei Rathsherrn feierlich wieder in die Stadt geführt, die Aurora aber auf dem Rathhause verwahrt, auch Böhm aufgegeben, daß er bei seinem Leisten bleiben und das Bücherschreiben unterlassen solle. Er folgte auch wie ein guter Bürger, und schrieb in sechs Jahren keine Seile. In der Folge konnte er aber den äußeren Aufmunterungen, und noch weniger dem innern Antriebe widerstehen, und schrieb von den drei Principien göttlichen Wesens",,,von dem dreifachen Leben des Menschen",,,von der Menschwerdung Christi",,,von dem himmlischen und irdischen Mysterio", und alle übrige von ihm bekannte Schriften von 1619 bis 1624, wo er an einem hißigen Nervenfieber starb, nachdem er seinen Tod bis auf die Stunde vorausgesagt hatte. In seiner Aurora hatte er eine eigenthümlichsten Ideen oder Anschauungen niedergelegt. Sie enthält viel Tiefes und Wahres. Hätte er gelehrte Bildung ge= habt und seine Anschauungen zum klaren Bewußt

feyn bringen können, so hätte er vielleicht ein deutscher Plato werden können. Er erkannte, daß die ganze Natur magisch, wie er es nennt, oder mystisch sey, daß jedes Ding ein Mysterium enthalte, weil das wahre Wesen des Dings nicht das äußerlich Erscheinende sey, was geboren wird, wächst und stirbt, sondern das Verborgene, wovon der Körper nur die Hülle ist. Jedes Ding habe also eine doppelte Natur, eine leibliche und eine geistige; nach dem Tode gehe es wieder in die geistige Welt ein. Was er von Gott sagt, gehört zu dem Tiefsten, was sich über Gott sagen läßt, so sehr er auch mit der Sprache, dem Ausdrucke kämpfen muß, um nicht anthropomorphisch zu werden, was er am Ende doch ganz naiv wird. ,,In sich selbst betrachtet," sagt er,,,ist Gott die ewige Einheit, als das unmäßliche ewige Gut, das nichts vor noch hinter sich hat, ohne alle Nüglichkeiten und Eigenschaften, das ohne Ursprung der Zeit in sich selbst nur Eins ist, als eine eitle (bloße) Lauterkeit ohne Berührung, welcher nirgends kein Ort noch Stelle hat noch bedarf zu seiner Woh= nung, sondern ist zugleich außer der Welt und in der Welt, und tiefer, als sich ein Gedanke schwingen mag. Denn wenn man hundert tausend Jahr hinter einander ausspräche, so hätte man noch nicht angefangen, seine Tiefe auszusprechen, denn er ist

die Unendlichkeit. Alles, was kann gezählt und ge= messen werden, ist bildlich; aber die Einheit Gottes kann nicht ausgesprochen werden, denn sie ist durch Alles zugleich. Er ist also ein ewig Nichts (da= hin reducirt sich auch wirklich jede Anmaßùng, die Gottheit objectiv zu erkennen), davon man keinen Gedanken noch Bild machen kann; die allergeheimsten Gottesschauer in ihrer hohen und tiefen Erkenntniß haben endlich müssen bekennen, daß Gott in sich selbst nicht anders als per negativam möge erkannt werden, d. h. aus dem, was er eigentlich nicht ist."

,,So wie die Sonne in dem unendlichen Bezirk des Himmels gleichsam das Herz der Sterne ist, so ist der Sohn in allen Kräften des Vaters. Ohne die Natur wäre Gott nicht offenbar, sondern allein ein stilles Nichts. Er aber allein ist der ewige Anfang und fasset das Centrum zur Gebårerin; er ist nicht eher als er, aber sein Wort hat einen ewigen, unergründlichen Anfang in ihm, und ein ewig unergründlich Ende. Er ist gleichsam das Gewächs, aus dem ewigen Centrum geboren. Er ist recht die Flamme der Liebe und der Glanz des Vaters im ewigen Willen u. s. w.“ Sie se= hen die Tiefe und die chaotische, ungenießbare Darstellung, die begrifflose Kraft, das Ringen mit Ausdrücken, um Etwas von dem zu bezeichnen, was er Alles aus sich selbst nahm, und was doch

mit der Bibel übereinkommt, besonders mit Johannes, (Joh. 1, 15. 18, wo es aber Böhm offenbar nicht fand.),,Der heilige Geist ist der heilige, wallende Freudenquell in dem ganzen Vater; ein lieblich sanftes und stilles Saufen aus allen Kräften des Vaters und des Sohnes." (Wie viel biblischer, natürlicher, als wenn man aus dem Geiste eine Person macht!),,Alle Dinge in der Welt sind nach dem Gleichniß dieser Dreiheit worden. In einem Holze, Kraut 2c. sind drei Dinge: 1) Die Kraft, daraus ein Leib wird; 2) ein Saft, das ist das Herz eines Dinges; 3) eine quellende Kraft, Geruch oder Geschmack, das ist der Geist eines Dinges, davon es wächst. So nun unter den Dreien Eins fehlt, so kann das Ding nicht bestehen." (Denken Sie dabei an das Biblische: Geist, Seel und Leib, was keine bloßen Worte sind.) Sie werden nun genug von Böhm wissen, um zu ahnen, weß Geistes Kind er ist, daß zwar seine Darstellungen abschreckend genug find, daß er sich auch verwirrt, wenn er tiefer in die Wahrheiten oder Anschauungen eindringen will, daß man aber sehr unrecht oder oberflächlich urtheilt, wenn man die genialischen Blicke in Natur und Menschheit nicht sieht, die sich offen blos in seinen Schriften finden. Sie werden zugleich ahnen, in wie weit man Böhm einen Schwärmer nens

nen kann. Er kann allerdings so heißen in dem Sinne, in dem man dieses Wort gewöhnlich nimmt. Es wäre dann aber auch kein Schimpfwort, da man Jeden, der etwas Höheres als Essen, Trinken und Sinnengenuß kennt und sucht, einen Schwärmer zu nennen pflegt. Indes hat doch Böhms Schwärmerei, wie alle, Etwas mit der Philofophie gemein, daß sie auch nach dem Absoluten strebt, ja in ihm lebt und webt. Nur wird es bei dem Schwärmer nicht erkannt. Er fühlt wohl seine Einheit mit ihm, aber es bleibt bei ihm blos subjectiv. Er ist sich des Göttlichen nicht mit Klarheit bewußt. Er kann es nicht entwickeln, sondern beruft sich auf Gefühle und Empfindungen des Göttlichen, die er keinem Andern mittheilen kann außer dem, der die nåmlichen Anschauungen und Empfindungen hat. Und will er sie mittheilen aus innerem, unwiderstehlichem Drange wie Böhm, so geht es ihm, wie es diesem gegangen ist; er geht von einer ziemlich klaren Idee aus, trifft manches glücklich erläuternde Bild, verwickelt sich aber bald so, daß nur der gleich Organisirte ihm nachfühlen kann.

Nun genug, und vielleicht zu viel von diesem allerdings außerordentlichen Manne, den nur Flachköpfe für einen Narren, und nur Schwachköpfe für ein Drakel erklären können.

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