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Aber sie

weil de Cort - nicht katholisch war. bekam Licht über das Lehtere, reisete mit ihm, wollte aber in Amsterdam nur einen Tractat:,,das Licht der Welt", drucken lassen und dann nach Holstein reisen, um auf der benachbarten Insel mit den dortigen Christen ganz dem Herrn zu leben, was immer ihr Sehnen und Streben war. Sie wurde aber in Amsterdam so viel aufgesucht, daß sie glaubte, auch dort noch nüßlich seyn zu können, und lernte das Gute in jeder Secte kennen, weil Personen aus allen Secten sie besuchten.

Erlauben Sie mir hier eine Bemerkung, die fich mir aufgedrungen hat, da auch mir die Gelegenheit ward, Personen aus allen Secten des Christenthums kennen zu lernen. Jede Kirche und Secte scheint mir Depofitår, Aufbewahrerin besonders Einer Hauptlehre des Christenthums zu seyn. Die katholische Kirche ist gleichsam der Mosaismus des Christenthums, Einleitung, Bildung dazu. In dieser Kirche werden die Menschen mehr als in anderen wie Unmündige behandelt. Sie treten aus der Mündigkeit heraus im Lutherthum. Weniger Ceremonien und Symbole, Lehrfreiheit nach der Bibel, allgemeine Gnade sind in dieser Kirche charakteristisch. Von ihr ist die reformirte wenig verschieden; doch hat sie noch weniger Ce=

remonien, weniger Geheimnisse, aber eine strengere Kirchenzucht. Sie ist die consequenteste in ihren Lehrsåßen, in so weit sie der Geist des Protestantismus zu bestimmen erlaubt. Selbst die Prådestinationslehre gehört zu dieser Consequenz. Ihre eigentliche Kirchenverfassung ist rein demokras tisch. Sie ist Erhalterin der großen Wahrheit, daß nur Ein Haupt Christus, alle Uebrige aber Glieder an diesem Haupte seyen; Alle gleich unent= behrlich zu Erhaltung des Leibes, 1. Kor. 12. 12. bis Ende. Die Brüdergemeinde war und ist offenbar bestimmt, die wesentlichste, charakteristische Lehre des Christenthums, die Lehre von der Erldsung durch den Tod Jesus in der Welt zu erhalten, so wie die Mennoniten dic Sitteneinfalt, und die Quaker die Lehre von den Geisteseingebungen. Wird denn auch eine Kirche einseitig und verfällt dadurch oder aus andern Ursachen in Irrthum, so verfehlt sie darum ihre Bestimmung noch nicht ganz. Ihr Daseyn zeugt schon davon, daß es eine solche Wahrheit im Christenthume gab und gibt, wie sie eine in ihrem Schooß bewahrt. Doch ich kehre zur Geschichte der frommen Bourignon zurück. De Cort hatte die Insel Nordstrand im Holsteinischen zum Aufenthalt für fromme Christen erkauft und sie nach seinem Tode ihr vermacht. Sie reisete dahin, hatte aber viele Mühe, in den Besit

derselben zu kommen, und am Ende mußte fie doch die Güter und Holstein verlassen. Sie flüchtete nach Hamburg, wo sie funfzehn Monate lang ruhig lebte. Nun fingen aber die Prediger an fie zu verfolgen, und sie floh nach Ostfriesland. Auch dort verfolgt, ob sie gleich Nichts als Stille und Ruhe suchte, floh sie nach Westfriesland, da fie kaum von einer schweren Krankheit genesen war. In Franeker wurde sie wieder damit befallen und starb, ein Opfer der mannichfaltigsten Verfolgungen, am 30. Dctober 1680.

Sie hat zwar die Fehler der Geistlichen, ihren Weltsinn, ihren Pharisäismus, ihre Verfolgungssucht, besonders frommer, christlicher Menschen, und andere große, offenbare Laster scharf gerügt, aber doch in einer Schrift gegen die Quåker das Ansehen derselben und jeder Art von Obrigkeit sowohl als den diesen Obrigkeiten schuldigen Gehorsam aus der Bibel deutlich gezeigt, in ihrer trefflichen Schrift von der wahren Krafttugend den Gang des Christen durch Leiden und Verleugnung nach dem Muster seines Herrn so dargestellt, daß man wohl fühlt, wie sehr sie aus Erfahrung spreche. Ihre Schrift, die hohe Schule der Wahrheit, enthält so viele scharfsinnige Bemerkungen über die Art, den Zustand der Seele zu erkennen, zu prüfen die Geister, ob sie aus Gott seyen, von den Miß

brauchen des äußerlichen Gottesdienstes, und widerlegt die Irrthümer der Jansenisten und Molinisten so gründlich, wie es selten geschehen ist. Ihre Erzählung von dem innern Leben, seiner Entstehung und seines Fortgangs kann schwerlich ein Christ ohne Gefühl der tiefen Wahrheit lesen. Ueber den beschränkten und beschränkenden Geist des Kirchenthums war sie ganz erhaben, was damals sehr selten war. Ich bin mit den römischen Kirchen einig in dem, was sie Gutes und Wahrhaftiges haben, aber so die Lutheraner auch was Gutes haben, bin ich mit ihnen darin einig, und so auch mit den Calvinisten und Anderen." „Ich suche Niemand an mich zu ziehen,“ — was man ihr vorgeworfen hatte - ,,sondern schicke fie Alle zum Herrn Jesus, welcher das rechte Kriegshaupt ist. Ich habe keine Lehrlinge versammelt, auch den Vorsaß nicht, zu versammeln, damit ich neue Rotten stiften möchte, weil deren schon mehr als zu viel seyn. Und dieses ist wohl zu bejammern, daß man so viele Spaltungen in der Christenheit sieht, da doch unter allen ihren Kindern nur Ein Herz und Ein Wille seyn sollte. Gleichwie nur Ein Gott und Eine Lehre und Eine Wahrheit, welche die wahre Kirche macht. Und wenn es in meiner Macht stünde, so wollte ich alle diese zertheilte Meinungen wieder in eine ei=

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nige bringen, damit man nicht mehr als eine ei nige Kirche hätte, deren Haupt der Herr Christus, und alle Christen seine Glieder wåren." Wie wenige Theologen der damaligen Zeit dachten so libera!! Festes Halten an dem Herrn, uneigennüßige Liebe zu ihm und durch ihn zu dem Vater, Einkehr in sich selbst, willenlose Ergebung in feinen Willen und seine Führung, auch im dunkelften Glauben, Trieb auch Andere, die Zutrauen zu ihr hatten, zu Jesus und von Irrwegen abzuführen, ist der Geist ihrer Schriften; und was das Beste war, sie handelte ganz so, wie sie schrieb. Der bekannte Christian Thomasius, den Niemand in dem Verdachte einer Vorliebe für Schwärmer oder Schwärmerinnen haben wird, schrieb von ihr: ,,Ich bin überzeugt, daß die Jungfrau Bourignon fehr gottselig, und ihr Herz eine Wohnung des heiligen Geistes gewesen sey. Ihre Seele ist im Grunde heilig und gesund, und ihre Bücher sind wohl werth, daß sie von Frommen gelesen werden. Was die Begriffe von den Geheimnissen belangt, hat sie ohne Zweifel so geschrieben, wie sie überzeugt worden ist, und ihre Ueberzeugung hält nichts ungeschicktes oder Enthusiastisches in sich, wenn man ihre Schriften ohne passionnirtes Vorurtheil und sectirische Unbetrüglichkeit lieset." Der bekannte Menage nannte sie einen Theologen

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