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sich darin gefiele, das Uebermaß der Sünde zu überbieten durch das Uebermaß seiner Erbarmung. Eine davon kann diese seyn, daß die Seelen, welche nie gesündigt haben, auf eine ungebührliche Weise eingenommen sind von ihrer eigenen Gerechtigkeit, und einen allzugroßen Werth legen auf eine oder andere ihnen etwa eigene Tugend. Sind fie Jungfrauen, so vergöttern sie ihre Reinheit, und so thun sie auch in Ansehung des Uebrigen. Dieses Unkleben nun, diese Selbstachtung und Selbstbespie= gelung, diese ungebührliche Liebe der eigenen Gerechtigkeit ist ein weit schwerer zu beseitigendes Hinderniß, als die gröbsten Sünden find; angesehen es nicht möglich ist, an die Sünden, die an und für sich selbst so häßlich sind, eine solche Anhänglichkeit zu haben, als an den gleißenden Schein der eigenen Gerechtigkeit. (Ganz im Geist des Ausspruchs Jesus: Matth. 21, 31. hier ist der Grund angegeben). Es scheint, als ob Gott seine Freude daran habe, diese fündigen Seelen gerade zum Thron seiner Liebe zu erwählen, auf daß offenbar werde, daß es ihm ein Leichtes sey, solchen entstellten Seelen ihre ursprüngliche Reinheit wieder zu geben, und sie sogar schöner und glänzender darzustellen, als solche, welche nie besudelt wur den." (Gleichniß vom verlornen Sohn. Der Mórder am Kreuz.)

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S. 56.,,Sobald Gott der Seele die Gabe des leidentlichen Glaubens verliehen hat, (der Gabe still zu halten und doch fest zu glauben, wenn uns auch Alles, selbst das Gefühl der Liebe Gottes entzogen wird), verleiht er ihr zugleich einen Trieb, ihm als ihrem Centrum unablässig zuzustreben." (So etwas war in David, als er den 42. 63. 143. Psalm nicht dichtete, sondern als diese Lieder sich aus seiner Brust herausdrångten. Wer in ihnen blos Sehnsucht nach der äußern Theilnahme an dem jüdischen Cult findet, der versteht ihren tiefen Sinn nicht.)

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S. 67.,,Man muß es Gott überlassen, die Seele zu entblößen. Sich entblößen wollen aus eigener Kraft und nach eigenem Geheiß, heißt Alles verscherzen und einen göttlichen Stand herabsehen zu einem sehr gemeinen und geringen. Sie entkleiden sich wohl ihrer selber, aber Gott bekleidet sie nicht wieder mit sich selber." (Wieder eine treffende Warnung gegen die Schwärmerei, in dem so niedrig scheinenden und doch so erhabenen Zustand sich selbst weiter bringen zu wollen. Sehr passend heißt dies in der Sprache der Mystiker: einen Ismael einem Isaak unterschieben wollen.)

S. 73.,,Unser lieber Herr fångt demnach (weil die Seele sich an die Gaben und Kräfte und we niger an den Herrn hålt) an, die Seele zu ent

blößen. Er nimmt ihr anfangs alle seine Gaben, Gnaden und Liebespfänder, welche sind wie die Kleinodien, womit er sie geschmückt hat; er nimmt ihr hernach die Leichtigkeit und Fertigkeit, das Gute zu thun, oder entzieht ihr die Gelegenheit, es zu thun; er nimmt ihr endlich auch die Schönheit ihres Angesichts, welches find die göttlichen Tugenden, die sie von nun an außer Stand ist, auf eine wirksame Weise zu üben. Dies sind die drei Stufen der Entblößung, welche vorangehen vor dem vollendeten mystischen Tode." (Freilich widersinnig, wenigstens unbegreiflich, was bei den Absprechern Eins ist, für Jeden, der Nichts davon erfuhr; aber der Erfahrne findet darin die tiefste Wahrheit und einen Aufschluß, der ihm so manches Räthsel seines Lebens löset. Die ganze Darstellung von Nro. IX. bis XIII. ist sehr belehrend und ermunternd. Wer es weiß, durch welche Sümpfe der Weg nach der Heimath führt, welche Felsen überstiegen, welche Hige ertragen, welcher Mangel gelitten werden muß, der behält doch Muth, wenigstens verliert er ihn nicht ganz und nicht lange, weil er weiß, daß es der Weg nach der Heimath ist.)

S. 81 findet sich eine herrliche Stelle über das Gefühl von der Verdorbenheit des Seelengrundes, ohne bestimmte Sünde wegen des Ideals von

Reinheit, das Gott in ein solches Wesen eingedrückt hat. Gemeine Christen nahmen es für falsche Demuth, die es auf einer niedrigen Stufe auch seyn kann, weil dann die Menschen einzelne Fehler nicht bekennen wollen, sondern sich mit dem allgemeinen, oft übertriebenen Bekenntniß ihrer Sündhaftigkeit begnügen. Auf einer höhern Stufe ist es aber Wahrheit. Die Menschen verachten ein solches Wesen, nicht, als ob sie einen Fehler an ihm såhen, sondern weil es nicht mehr wirkt um sich her wie sonst. Daher denn der Vorwurf von Müßiggang, Hånde in den Schooß legen, Quietismus c.

S. 84. Die entblößende Gnade greift hauptsächlich die allergeheimsten und verborgensten Schäden an, gewisse Lieblingseigenheiten, welche die Natur sorgsam nåhrt und pflegt, welche den Leuten nicht als Fehler vorkommen, sondern vielmehr als Tugenden, so daß, wenn man sie verliert, man zu verlieren scheint an der Tugend.". (Wie wahr von der Werkheiligkeit, Selbstbespiege= lung, von dem Zutrauen auf eigenes Verdienst, überhaupt von dem feinen Pharisäismus unserer Zeit!)

S. 88.,,Nachdem die Seele Ales verloren, soll sie auch nun noch sich selbst verlieren, indem fie gänzlich verzagt an den Geschöpfen und an sich selber, (deutlicher, das Beste, was sie noch in sich

hatte, die Nähe Gottes, wie das Folgende zeigt.) Das Gebet ist während dieses Standes sehr pein= lich. Da die Seele den Gebrauch ihrer Kräfte verloren, da überdies ein gewisser innerer, in den Tiefen ihres Grundes verborgener, unaussprechlich süßer Friede, der ihr zur lehten Stüße diente, ihr von Gott entnommen worden, so irrt sie umher gleich verwaisten Kindlein u. f. w." (War nicht unser Herr in ähnlicher Lage, als er am Kreuz rief: mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?)

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S. 98. Nachdem der Strom sich endlich in das Meer ergossen, unterscheidet er sich noch eine Zeit lang von dem Meere auf eine wahrnehmbare Weise. Die Farbe seiner Gewässer ist eine andere z die Bewegung seiner Wellen eine andere. Also behält auch die Seele, nachdem sie in Gott aufge= nommen worden, zu Anfang noch eine gewisse Eigenthümlichkeit; allmählig aber verliert sie Alles, was sie Eigenes hat, und wird nur Eins mit Gott. Gleichwie der in das Meer ausgeflossene Strom das eigene Seyn verliert, um das Seyn des Meeres anzunehmen; also verliert auch die Seele das Menschliche, um sich in das Göttliche zu verlieren, welches von nun an ihr Seyn und Bestehen wird, nicht auf wesentliche, sondern auf mystische Weise." (,,Ich lebe, aber nicht ich, sondern

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