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bat sie, den König um diese

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zu bitten. Der Bischof von Chartres sollte die Commission leiten. Aber der Herr Beichtvater lehnte den Auftrag ab. Nun wurde der Cardinal von Noailles, Bossuet, Fenelon und Tronchon, Superior des Seminars von Saint Sulpice beauftragt, die Schriften der Madame Guyon zu untersuchen. Das Resultat der Untersuchung war, daß die in ihren Schriften enthaltene Lehre den ältesten Traditionen gemäß sey, daß, wenn man auch manche Ausdrücke nicht ganz nach dem Buchstaben nehmen müsse, doch immer die Hauptwahrheit bleibe, ,,daß man Gott lieben müsse als wohlthätig, aber noch mehr, als höchst vollkommen, daß man ihn lieben müsse um sein selbst willen, und Alles um seinetwillen, und unser Wesen als sein Bild; daß wir uns wohlwollen sollen, weil wir Gott angehören, also veredlen unsere Hoffnung durch die Liebe und uns sehnen nach ewiger Glückseligkeit als einem Zustand, der erhöhet, reinigt und vollendet unsere Liebe."- Wirklich, eine gefährliche, verführerische Schwärmerin! Nicht wahr, sie håtte wohl auch uns zu solchen Schwärmereien verführen können? - Indeß siegte doch die Hofcabale und die Hofheuchlerin Frau von Maintenon. Drei Bischöfe gaben Hirtenbriefe gegen den Quietismus heraus und verdammten darin die Schriften

der Madame Guyon. Diese hatte sich in ein Kloster, in der Nähe des Bischofs von Meaur zurückgezogen, um dort alle seine Fragen zu beantworten und ihr Endurtheil zu erwarten. Er muthete ihr zu, die Irrthümer zu widerrufen, deren man sie in dem Hirtenbriefe beschuldigt hatte. Natürlich weigerte sie sich, weil ihr kein Gedanke an diese Irrthümer gekommen war. Ich kann mich geirrt haben in der Wahl meiner Ausdrücke," sagte sie, „aber, ohne mein Gewissen zu verlezen, kann ich mich nicht zu den abscheulichen Irrthümern bekennen, die Sie mir vorwerfen. Bossuet konnte der Wahrheit nicht widerstehen. Außerdem drangen die Nonnen des Klosters, in dem sich die Guyon aufhielt, so stark in ihn, erhoben die Frömmigkeit der Frau so sehr, daß er in einem ihr ge= gebenen Zeugniß erklärte, er sey zufrieden mit ihrer Aufführung, er verweigere ihr auch in Zukunft die Sacramente nicht, er finde sie durchaus nicht verwickelt in die abscheulichen Lehren des Molinus oder anderer Irrlehrer, auch habe er sie nicht ge= meint in seinem Hirtenbrief, da er von diesen Abscheulichkeiten geredet habe. Frau von Maintenon indeß fürchtend, die Guyon möchte durch ihre stille Frömmigkeit mehr Aufsehen machen als sie mit ihrer prunkenden Frömmelei, suchte Bossuet zur Zurücknahme seines Zeugnisses zu bewegen.

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Er nahm es nicht öffentlich, aber unter der Hand zurück. Man cabalirte, intriguirte, verleumdete, Alles, um der damals allmächtigen Frau von Maintenon zu gefallen. Kurz, die gute fromme Guy on wurde eingezogen und in das Schloß von Vincennes gefangen gesezt. Und obgleich die versammelte Geistlichkeit ihr abermals das Zeugniß gegeben hatte, daß ihre Sitten rein seyen, daß nie die Rede ́seyn könne von den Abscheulichkeiten, die man als Folge ihrer Grundsäße ansehe, weil sie ihnen immer mit Empórung widersprochen habe, so mußte fie doch drei Jahre darin bleiben, wo sie schon fünf Jahre gesessen hatte. Sie wurde endlich nach Blois verwiesen, wo sie in in der Stille ihr Leben beschloß, nachdem sie auf die rührendste Art für ihre Verfolger gebetet hatte.

Ihre Werke wurden von Poiret in 39 Bånden herausgegeben. Ihr Inneres erscheint am deutlichsten in den Strömen, die 1817 in einer sehr guten Uebersetzung herauskamen. Sie sind der Inbegriff und Grundriß der echten reinen Mystik. Lassen Sie mich Ihnen einen kleinen Auszug daraus geben, der die charakteristischen und tiefsten Stellen mit kleinen Winken über ihre Harmonie mit der Bibel oder mit andern Seelenbeobachtern enthält.

S. 16.,,Es gibt keine Seele, schlechthin keine, welche nicht des Gebets fähig wäre, und dessen

sich nicht befleißen könnte und sollte. Die rohesten und dumpfsten Menschen sind seiner fähig. Ich kenne deren, die eine unüberwindliche Untüchtigkeit zum Gebet zu haben schienen, die eben deßwegen aller Hoffnung, es sich anzueignen, entsagt hatten, und nachdem sie gleichwohl einen Ansah ge= nommen, sofort Alles wieder aufgeben wollten. Da sie jedoch an mich, zu der sie viel Vertrauen hatten, deshalb sich wendeten, so nöthigte ich sie fortzufahren ungeachtet ihres Widerwillens und des geringen Nugens, den sie davon verspürten; denn wirklich hielten sie solcher geistigen Uebungen sich gänzlich unfähig. Allein diese Untüchtigkeit verschwand, und nachdem sie einige Jahre beharrt, gelangten sie zu einer sehr erhabenen Stufe des Gebets.",,Der Atheist betet, wenn er in Noth ist," sagt Herder. Nichts ist aber schädlicher, als auf Stimmung warten und nicht beten wollen, weil man nicht gestimmt ist. Man kann sich auch selbst stimmen. Werden Kinder von Jugend auf zum Gebet angehalten, wie es unsere Alten thaten, so wird das Beten zum Bedürfniß. Man kann nicht einschlafen, wenn man nicht gebetet hat, und wird täglich besser gestärkt, ja getrieben dazu.

S. 19. 20.,,Das ist der Unterschied zwischen der göttlichen und menschlichen Liebe, daß die

Lettere die Erkenntniß des Gegenstandes vorausfest." Freilich ganz unbekannt darf uns das Göttliche nicht seyn; aber nur Liebe öffnet den feinen Sinn, durch den das Göttliche in der Natur, in dem Menschen und in Gott erkannt wird. Jest folgt eine Beschreibung solcher von der Liebe Gottes ergriffenen Seelen, die ich Ihnen gerne abschreiben möchte, wenn sie nicht zu lang wåre.

Mit welcher Weisheit wird der Rath gegeben, den sie S. 24 manchen Seelen gibt, die viel Gnade von Gott empfangen haben!,,Der Führer muß ihnen zu erkennen geben, daß es noch einen anderen und sicherern Weg für sie gebe, welcher ist der Weg des Glaubens; daß Gott ihnen jene Gnaden zutheile nur um ihrer Schwachheit willen. Er muß sie anhalten, von dem Sinnlichen überzugehen zum Ueberfinnlichen; von dem Wahrgenommenen und Wahrnehmbaren zu den Tiefen und Finsternissen des nackten Glaubens. Er muß nicht zulassen, daß fie darüber schreiten. (Denken Sie an Paulus Entzückung, 2. Kor. 12, von der er erst vierzehn Jahre hernach redete. Wie fern von dem Geist der ge= schwäßigen Schwärmer, die nicht genug von ihren Gefühlen der Nähe Gottes und Jesus zu reden wissen und dadurch ihre Gefühle verunreinigen!)

S. 33. Bisweilen scheint es, als ob Gott

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