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nun nicht ich, sondern Chriftus lebt in mir; denn was ich jeht lebe im Fleisch, das leb' ich im Glauben des Sohns Gottes, der mich geliebt hat, und sich selbst für mich gegeben.“ (Gal. 2, 20.) Hier werden auch zugleich die Mittel angegeben, durch welche der Christ in Christus lebt, nämlich Glaube und Liebe; Mittel, ohne die ohnehin keine innige Verbindung, kein Leben in dem Andern möglich ist. Die Bibel, wie die Mystiker, redet viel von einer Wiedergeburt aus Gott, wodurch Christen eigentlich Kinder Gottes würden. (Johannes sagt, wie die Mystiker,,,der aus Gott Geborne fündige nicht." (1. Joh. 3, 9). Und Paulus: ,,Der Mensch werde dadurch eine neue Creatur." (2. Kor. 5, 17).,,Der alte Mensch müsse dann abgelegt und der neue angezogen werden." (Eph. 4, 12). Wenn man nun diese Bibelausdrücke von ihrer Fülle, Vielseitigkeit, von ihrem tiefen Sinn ausleert, und Nichts als Aufklärung, Besserung, Sittlichkeit, Bekenntniß zur christlichen Religion, Ruhe des Gewissens zc. daraus machen will, obe gleich Jesus und die Apostel eben so gut in diesen flachen, allgemeinen Ausdrücken håtten reden können, wenn sie es für gut gefunden håtten; warum verfährt man nicht eben so gerecht mit den mystischen Schriften? Warum verwirft man das Nämliche in den letteren als Schwärmerei, was man in

den biblischen Schriften gelten läßt? Ich weiß es wohl. Weil man die biblischen Schriften nicht schwärmerisch nennen will, wenn man sie auch dafür hält, mit den mystischen aber nicht so viel Umstände zu machen braucht. Es bleibt denn einem Jeden überlassen, das, was gegen die Lezteren gesagt wird, auf die Ersteren anzuwenden, weil es so ziemlich auch auf sie paßt. Die mystischen Schriften sind die soufre douleurs für die biblischen.

Neunzehnter Brief.

denselben.

Sie haben noch einige Vorwürfe auf dem Herzen, sagen Sie mir, die man den Mystikern macht, und einige Einwendungen, die Sie gelesen oder gehört haben. Sie wollen sie mir offen mittheilen.

Ich frage nicht, wo Sie Etwas davon gelesen haben, oder wer die Vorwürfe in Ihr Herz gepflanzt hat. Ich habe es nicht mit den Perso= nen, sondern nur mit den Sachen zu thun.

Man wirft den Mystikern vor, daß sie allen eigenen, freien Willen, alle Selbstthätigkeit verwerfen, davor warnen, kurz, daß sie sich blos als Maschinen Gottes betrachten. Mein Lieber! Aber wenn man das sagt, so hat man die Schriften der Mystiker nicht gelesen oder nicht verstan= den. Ich will Ihnen nur einige Stellen anführen,

die Ihnen gerade das Gegentheil sagen. Sie bestehen darauf, daß man Jesu nachfolgen müsse. „Es möchte Jemand sagen," sagt Rußbroch,,,sol= len wir nicht dem Herrn Christo folgen, da er die allerhöchste Lebensart erwiesen hat? Ja freilich ; denn er hat uns ein Erempel hinterlassen, daß wir seinen Fußstapfen folgen. Und je ähnlicher wir ihm sind, ie heiliger sind wir." (Und Jesus war doch wohl nicht unthätig?),,Gott fordert Gehorsam von uns nach seinem Evangelio, und wenn wir darin treu find, so will Gott auch das Ge= deihen dazu geben. Brauche du nur die Gnade, die in dir ist, und hûte dich vor dem, was den Bau hindern kann. Darum ackere und pflüge nicht allein, sondern rotte auch die Dornen aus. Wirst du aber låssig seyn, so wird dein Acker verwildern zc.",,Wenn wir tråge sind, so sind wir selbst schuld an unserer Verwüstung;" so ermahnt ein alter, berühmter Mystiker, (Ephrem der Syrer.),,An Räubern des Himmelreichs hat Gott seine Lust, wenn es der Gläubige den Ungläubigen gleichsam vor dem Munde wegnimmt", sagt ein Dritter, (Hilarius). ,,Gleichwie Paulus lief, daß er es ergriff, nicht mit langsamen Schritten oder müßigem Lauf, sondern daß er Gewalt anlegte und recht eilte." - ,,Die Liebe kann nicht müßig seyn," sagt noch ein

Anderer, (Rußbroch), „,sondern des Herrn Geist be= wegt durch und durch das Herz" u. s. w.,,Die neue Creatur," bezeugt ein alter Mystiker, (Profper),,,hat durch Gnade die Eigenschaft, daß die, welche Gottes Geschöpfe durch die himmlische Geburt in Christo geschaffen sind, nicht faul und müßig bleiben, sondern in der Kraft wachsen, auf dem Wege guter Werke wandeln. Sintemal eben dieses geschaffen werden heißt, daß man aus der alten Creatur eine neue werde;" u. f. w. ,,Wenn wir aus dem himmlischen Vater wollen geboren seyn," sagt der treffliche Makorius, fo müssen wir etwas Besseres thun als die übrigen Menschen; nämlich mit allem Fleiß, Mühe, Eifer, Liebe und gutem Wandel in Glauben und Furcht leben. Und wenn der Herr also diesen guten Vorsah und die Geduld merket, so erzeigt er seine Erbarmung und reinigt uns mit seinem himmlischen Wort, erwecket und machet lebendig die erstorbenen und verweseten Gemüther durch den guten Wandel und Lehre der Apostel." So könnte ich Ihnen noch unzählige Stellen anführen. Noch mehr beweiset gegen den Vorwurf das Leben der bekanntesten Mystiker selbst, was nicht bei allen Antimystikern der Fall seyn möchte. Was haben Mystiker gethan, geduldet, aufgeopfert! Denken Sie nur an Bonaventura, der schon im 35. Jahre

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