Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

durch Glauben sich nach dem Unbekannten in Gott sehnt, sich also nicht mit der geistigen Milch be= gnügt, sondern dem Geliebten überall folgt, wohin er sie führt, ohne Furcht, sich zu beschmußen auf dem Wege durch Alles das, was mit dem Berufe verbunden ist, wozu er sie bestimmte. Die kindische Liebe will immer die Liebkosungen des Geliebten genießen; aber die starke Liebe will nur leiden für den Geliebten." Dahin winkt auch ihr schönes Sachbild von den Jahreszeiten in dem geistigen Leben, von der Nothwendigkeit des Winters, und warum es nicht immer Frühling seyn könne. „Die geistige Sinnlichkeit," sagt fie an einem andern Orte, „ist so gefährlich als die körperliche. Die Ursache ist, daß wenn man in Gott die fühlbaren Tröstungen sucht, so gewöhnt man sich an eine gewisse Weichlichkeit, (mollesse), die für äußere Sinnlichkeit empfånglich macht." (Wie genau und scharf beobachtet!) ,,Und ob man dies gleich nicht bemerkt, wenn die Gnade stark ist, so bemerkt man es doch in der Folge. Man findet sich gelegentlich schwach. Man ist voll Hang und Neigungen zu der Creatur, voll von Eigenliebe. Bei dem geringsten Leiden bemitleidet man sich selbst. Unsere Tugend muß månnlich seyn, die Kreuz und Abtödtungen allem füßen Gefühle vorzieht; denn man muß nackend (nud)

Jesus Christus folgen, so daß, wenn er seine tróstenden Süßigkeiten zurückzöge, du eben so zufrieden bliebest und ihm mit der nämlichen Treue dientest, indem du nicht die Natur zu trösten, sondern sie sogleich zu tödten suchtest. Du würdest sonst immer sinnlich bleiben." Ist hier nicht eher übertriebener geistiger Stoicismus als geistiger Epikurdismus zu finden? Welche reine, heilige Verbindung war auch die so verschrieene Freundschaft zwischen Fenelon und dieser Guyon! Kann man nur Etwas in ihrem geistreichen, über die Erde hebenden Briefwechsel lesen, ohne sich zu schåmen, wenn man je an eine sinnliche Verbindung zwischen ihnen gedacht hätte? Man muß sehr unrein seyn, schon allen Glauben an Reinheit verloren haben, wenn man hier noch etwas Unreines herauswittern will. Was würde man aber sagen, wenn Jemand ein ganzes Collegium rechtlich und unbescholten lebender Aerzte darum für wollüftige Heuchler erklärte, weil sie in ihren Schriften manche Glieder und Verrichtungen des menschlichen Körpers mit dem wahren Namen nennen, da sie keine anderen Namen dafür wußten?

So mögen denn die wahren Mystiker von einer hitzigen, brennenden, siedenden und überlaufenden Liebe, von einem Bräutigam und einer Braut, von einer geistlichen Vermählung, einem geistlichen

[ocr errors]

Kuß, einer geistlichen Ehe reden. Der, der Nichts davon erfuhr, mag es für Schwärmerei halten, wenn er anmaßend genug ist, um Alles zu verwerfen, was er nicht kennt; aber für Ausdrücke finnlicher Liebe wird er es nicht halten können, wenn er die Aeußerungen der Mystiker über ihre Art von Liebe hört. Obschon diese Gleichnisse von der Ehe gesegt werden," sagt eine reine Mystikérin, *) „so ist es doch also zu verstehen, daß hier auf die Leiber nicht mehr gesehen wird, als wenn die Seele ohne Leib und ein lauterer Geist wåre. Und dies noch viel mehr in der geistlichen Vermählung, wiewohl sich diese geheime Vereinigung in dem innersten Centro und Grund der Seele zuträgt, allda ohne Zweifel Gott selbst seine Wohnung haben wird, bedarf auch, meines Erachtens, kein Thor, durch welches er hineingehe; denn in Allem dem, was bisher gesagt worden, scheint, daß er vermittelst der Sinne und Kräfte hineingehe, wie denn auch diese Erscheinung der Menschheit Christi also wird geschehen seyn. In dem aber, was sich in der Vereinigung der geistlichen Vermählung zuträgt, ist ein großer Unterschied. Es erscheint allda der Herr in dem Grunde der

*) Therese à Jesu.

Seelen ohne einige fürgebildete Erscheinung, sondern durch ein Gesicht des Verstandes, (des Innern, würde sie sagen, wenn ihr die beschränktere Bedeutung des Verstandes bekannt gewesen wåre),, das jedoch viel subtiler ist als die vorigen. E kann Mehreres nicht gesagt werden (soviel man davon verstehen kann), als daß der Geist dieser Seelen Ein Ding mit Gott werde." Und der heilige Bernhard sagt: die Braut bittet den Kuß des Bräutigams, dadurch ihr der Geist des Küssenden eingegossen wird, gleichwie die, die sich küssen, nicht mit den bloßen Lippen vergnügt seyn, sondern einander ihren Geist einzuflößen scheinen. So halten wir nun, daß der Kuß nichts An ders sey, als der heilige Geist, der eis ner heiligen Seele zum Trost gesendet wird. Denn wie bei einem Kuß sich der Athem vereinigt und wie Ein Hauch wird; also wenn der heilige Geist in unseren Geist sånftiglich eingeflößet wird, so wird er mit ihm Ein Geist. Bittet nun die Braut um den Kuß, so rufet sie den heiligen Geist, durch welchen sie em pfångt den Geschmack der Weisheit und die Würze der Gnade." -,,Wenn der Brâutigam da ist," sagt der treffliche Richard de Sancto Victore, „so wird die Seele wie neugeboren; sie hångt sich an ihn und empfindet die

[ocr errors]

Süßigkeiten eines inwendigen Geschmacks, eine geistliche Verständniß, Erleuchtung des Glaubens, Vermehrung der Hoffnung, Entzündung der Liebe, Begierde, mit zu leiden, Eifer für die Gerechtigkeit, Lust an der Gottseligkeit. Sie hat im Gebet ein vertrauliches Gespräch mit Gott, und weiß, daß sie gehört und meist erhöret wird. Sie redet mit Gott, und hört, was er in ihr redet; sie bespricht und zwingt gleichsam ihn im Gebet." Hab' auch ein Mensch von dem Allen Nichts erfahren, môge er es denn für Phantasiespiel halten; aber welch ein Mensch müßte er seyn, wenn er in solchen Aeußerungen grobe Sinnlichkeit finden wollte! Er würde sich selbst brandmarken, indem er ganz naiv äußerte, daß er keine andere als finnliche Liebe kenne. Nichts mehr davon! Ferne von uns diese Sinnlinge! Wir kennen, Gott sey Dank, eine andere Liebe.

« ZurückWeiter »