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wie von der Gegenwart, so auch von jeder Vergangenheit und jeder Zukunft, vom Fernsten, wie vom Nahen: denn es gilt von Zeit und Raum selbst, in welchen allein sich dieses alles unterscheidet. Alles, was irgend zur Welt gehört und gehören kann, ist unausweichbar mit diesem Bedingtsein durch das Subjekt behaftet, und ist nur für das Subjekt da. Die Welt ist Vorstellung.

Neu ist diese Wahrheit keineswegs. Sie lag schon in den skeptischen Betrachtungen, von welchen Kartesius ausging. Berkeley aber war der erste, welcher sie entschieden aussprach: er hat sich dadurch ein unsterbliches Verdienst um die Philosophie erwor ben, wenn gleich das Uebrige seiner Lehren nicht bestehen kann. Kants erster Fehler war die Vernachlässigung dieses Sahes, wie im Anhange ausgeführt ist.

Also nur von der angegebenen Seite, nur sofern sie Vorstellung ist, betrachten wir die Welt in diesem ersten Buche. Daß jedoch diese Betrachtung, ihrer Wahrheit unbeschadet, eine einseitige, folglich durch irgend eine willkürliche Abstraktion hervorgerufen ist, kündigt Jedem das innere Widerstreben an, mit welchem er die Welt für seine bloße Vorstellung annimmt; welcher Annahme er sich andererseits doch nimmermehr entziehen kann. Die Einseitigkeit dieser Betrachtung aber wird das folgende Buch ergänzen, durch eine Wahrheit, welche nicht so unmittelbar gewiß ist, wie die, von der wir hier ausgehen; sondern zu welcher nur tiefere Forschung, schwierigere Abstraktion, Trennung des Verschiedenen und Vereinigung des Identischen führen kann, durch eine Wahrheit, welche sehr ernst und Jedem, wo nicht furchtbar, doch bedenklich seyn muß, nämlich diese, daß eben auch er sagen kann und sagen muß: die Welt ist mein Wille."

Bis dahin aber, also in diesem ersten Buch, ist es nöthig, unverwandt diejenige Seite der Welt zu betrachten, von welcher wir ausgehen, die Seite der Erkennbarkeit, und demnach, ohne Widerstreben, alle irgend vorhandenen Objekte, ja sogar den eige nen Leib (wie wir bald nåher erörtern werden) nur als Vorstellung zu betrachten, bloße Vorstellung zu nennen. Das, wovon hierbei abstrahirt wird, ist, wie später hoffentlich Jedem gewiß seyn wird, immer nur der Wille, als welcher allein die andere Seite der Welt ausmacht: denn diese ist, wie einerseits durch und

durch Vorstellung, so andererseits durch und durch Wille. Eine Realität aber, die keines von diesen Beiden wäre, sondern ein Objekt an sich (zu welcher auch Kants Ding an sich ihm leider unter den Händen ausgeartet ist), ist ein erträumtes Unding, und dessen Annahme ein Irrlicht in der Philosophie.

§. 2.

Dasjenige, was Alles erkennt und von Keinem erkannt wird, ist das Subjekt. Es ist sonach der Träger der Welt, die durchgångige, stets vorausgesetzte Bedingung alles Erscheinenden, alles Objekts: denn nur für das Subjekt ist, was nur immer da ist. Als dieses Subjekt findet Jeder sich selbst, jedoch nur sofern er erkennt, nicht sofern er Objekt der Erkenntniß ist. Objekt ist aber schon sein Leib, welchen selbst wir daher, von diesem Standpunkt aus, Vorstellung nennen. Denn der Leib ist Objekt unter Objekten und den Gesetzen der Objekte unterworfen, obwohl er unmittelbares Objekt ist *). Er liegt, wie alle Objekte der Anschauung, in den Formen alles Erkennens, in Zeit und Raum, durch welche die Vielheit ist. Das Subjekt aber, das Erkennende, nie Erkannte, liegt auch nicht in diesen Formen, von denen selbst es vielmehr immer schon vorausgeseht wird: ihm kommt also weder Vielheit, noch deren Gegensah, Einheit, zu. Wir erkennen es nimmer, sondern es eben ist es, das erkennt, wo nur erkannt wird.

Die Welt als Vorstellung also, in welcher Hinsicht allein wir sie hier betrachten, hat zwei wesentliche, nothwendige und untrennbare Hålften. Die eine ist das Objekt: dessen Form ist Raum und Zeit, durch diese die Vielheit. Die andere Hälfte aber, das Subjekt, liegt nicht in Raum und Zeit: denn sie ist ganz und ungetheilt in jedem vorstellenden Wesen: daher ein einziges von diesen, eben so vollständig als die vorhandenen Millionen, mit dem Objekt die Welt als Vorstellung ergänzt: verschwände aber auch jenes einzige; so wäre die Welt als Vorstellung nicht mehr. Diese Hälften sind daher unzertrennlich, selbst für den Gedanken: denn jede von beiden hat nur durch und für die andere Bedeutung

*) Ueber den Sag vom Grunde §. 21.

und Daseyn, ist mit ihr da und verschwindet mit ihr. Sie begrånzen sich unmittelbar: wo das Objekt anfångt, hört das Subjekt auf. Die Gemeinschaftlichkeit dieser Gränze zeigt sich eben darin, daß die wesentlichen und daher allgemeinen Formen alles Objekts, welche Zeit, Raum und Kausalität sind, auch ohne die Erkenntniß des Objekts selbst, vom Subjekt ausgehend gefunden und vollständig erkannt werden können, d. h. in Kants Sprache, a priori in unserm Bewußtseyn liegen. Dieses entdeckt zu haben, ist ein Hauptverdienst Kants und ein sehr großes. Ich behaupte nun überdies, daß der Sah vom Grunde der gemeinschaftliche Ausdruck für alle diese uns a priori bewußten Formen des Db: jekts ist, und daß daher Alles, was wir rein a priori wissen, nichts ist, als eben der Inhalt jenes Sahes und was aus diesem folgt, in ihm also eigentlich unsere ganze a priori gewiffe Erkenntniß ausgesprochen ist. In meiner Abhandlung über den Sak vom Grunde habe ich ausführlich gezeigt, wie jedes irgend mögliche Objekt demselben unterworfen ist, d. h. in einer nothwendigen Beziehung zu andern Objekten steht, einerseits als bestimmt, andererseits als bestimmend: dies geht so weit, daß das ganze Daseyn aller Objekte, sofern sie Objekte, Vorstellungen und nichts anderes sind, ganz und gar zurückläuft auf jene ihre nothwendige Beziehung zu einander, nur in solcher besteht, also gänzlich relativ ist: wovon bald ein Mehreres. Ich habe ferner gezeigt, daß, gemäß den Klassen, in welche die Objekte ihrer Möglichkeit nach zerfallen, jene nothwendige Beziehung, welche der Sah vom Grunde im Allgemeinen ausdrückt, in andern Gestalten erscheint, wodurch wiederum die richtige Eintheilung jener Klassen sich bewährt. Ich sehe hier beständig alles dort Gesagte als bekannt und dem Leser gegenwärtig voraus: denn es würde, wenn es nicht dort schon gesagt wäre, hier seine nothwendige Stelle haben.

§. 3.

Der Hauptunterschied zwischen allen unsern Vorstellungen ist der des Intuitiven und Abstrakten. Lehteres macht nur eine Klasse von Vorstellungen aus, die Begriffe: und diese sind auf der Erde allein das Eigenthum des Menschen, dessen ihn von allen Thieren unterscheidende Fähigkeit zu denselben von jeher

Vernunft genannt worden ist *). Wir werden weiterhin diese abstrakten Vorstellungen für sich betrachten, zuvörderst aber ausschließlich von der intuitiven Vorstellung reden. Diese nun befaßt die ganze sichtbare Welt, oder die gesammte Erfahrung, nebst den Bedingungen der Möglichkeit derselben. Es ist, wie gesagt, eine sehr wichtige Entdeckung Kants, daß eben diese Bedingungen, diese Formen derselben, d. h. das Algemeinste in ihrer Wahrnehmung, das allen ihren Erscheinungen auf gleiche Weise Eigene, Zeit und Raum, auch für sich und abgesondert von ihrem Inhalt, nicht nur in abstracto gedacht, sondern auch unmittelbar angeschaut werden kann, und daß diese Anschauung nicht etwan ein durch Wiederholung von der Erfahrung entlehntes Phantasma ist, sondern so sehr unabhängig von der Erfahrung, daß vielmehr umgekehrt diese als von jener abhängig gedacht werden muß, indem die Eigenschaften des Raumes und der Zeit, wie sie die An=" schauung a priori erkennt, für alle mögliche Erfahrung als Gesetze gelten, welchen gemäß diese überall ausfallen muß. Dieserhalb habe ich, in meiner Abhandlung über den Sah vom Grunde, Zeit und Raum, sofern sie rein und inhaltsleer angeschaut werden, als eine besondere und für sich bestehende Klasse von Vorstellun= gen betrachtet. So wichtig nun auch diese von Kant entdeckte Beschaffenheit jener allgemeinen Formen der Anschauung ist, daß sie nämlich für sich und unabhängig von der Erfahrung anschaulich und ihrer ganzen Gesetzmäßigkeit nach erkennbar sind, worauf die Mathematik mit ihrer Unfehlbarkeit beruht; so ist es doch eine nicht minder beachtungswerthe Eigenschaft derselben, daß der Saß vom Grunde, der die Erfahrung als Gesetz der Kausalität und Motivation, und das Denken als Gesetz der Begründung der Urtheile bestimmt, hier in einer ganz eigenthümlichen Gestalt auftritt, der ich den Namen Grund des Seyns gegeben habe, und welche in der Zeit die Folge ihrer Momente, und im Raum die Lage seiner sich ins Unendliche wechselseitig bestimmenden Theile ist.

Wem aus der einleitenden Abhandlung die vollkommene Iden

*) Kant allein hat diesen Begriff der Vernunft verwirrt, in welcher Hinsicht ich auf den Anhang verweise, wie auch auf meine,,Grundprobleme der Ethik": S. 148 154.

tität des Inhalts des Sahes vom Grunde, bei aller Verschieden heit seiner Gestalten, deutlich geworden ist, der wird auch überzeugt seyn, wie wichtig zur Einsicht in sein innerstes Wesen gerade die Erkenntniß der einfachsten seiner Gestaltungen, als solcher, ist, und für diese haben wir die Zeit erkannt. Wie in ihr jeder Augenblick nur ist, sofern er den vorhergehenden, seinen Vater, vertilgt hat, um selbst wieder eben so schnell vertilgt zu werden; wie Vergangenheit und Zukunft (abgesehen von den Folgen ihres Inhalts) so nichtig als irgend ein Traum sind, Gegenwart aber nur die ausdehnungs- und bestandlose Gränze zwischen beiden ist; eben so werden wir dieselbe Nichtigkeit auch in allen andern Gestalten des Sahes vom Grunde wiedererkennen und einsehen, daß wie die Zeit, so auch der Raum, und wie dieser, so auch Alles, was in ihm und der Zeit zugleich ist, Alles also, was aus Ursachen oder Motiven hervorgeht, nur ein relatives Daseyn hat, nur durch und für ein Anderes, ihm gleichartiges, d. h. wieder nur eben so bestehendes, ist. Das Wesentliche dieser Ansicht ist alt: Herakleitos bejammerte in ihr den ewigen Fluß der Dinge; Platon würdigte ihren Gegenstand herab, als das immerdar Werdende, aber nie Seiende; Spinoza nannte es bloße Accidenzien der allein seienden und bleibenden einzigen Substanz; Kant sette das so Erkannte als bloße Erscheinung dem Dinge an sich entgegen; endlich die uralte Weisheit der Inder spricht: „es ist die Maja, der Schleier des Truges, welcher die Augen der Sterblichen umhüllt und sie eine Welt sehen läßt, von der man' weder sagen kann, daß sie sei, noch auch, daß sie nicht sei: denn sie gleicht dem Traum, gleicht dem Sonnenglanz auf dem Sande, welchen der Wanderer von ferne für ein Wasser hält, oder auch dem hingeworfenen Strick, das er für eine Schlange ansieht." (Diese Gleichnisse finden sich in unzähligen Stellen der Vedas und Puranas wiederholt.) Was Alle diese aber meinten und wovon sie reden, ist nichts Underes, als was auch wir jest eben betrachten: die Welt als Vorstellung, unterworfen dem Sahe des Grundes.

§. 4.

Wer die Gestaltung des Sahes vom Grunde, welche in der reinen Zeit als solcher erscheint und auf der alles Zählen und

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