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Hauptsache nichts vermag, aber die Ausführung unterstüßt, eben weil der Genius nicht in jeder Stunde zu Gebote steht, das Werk aber doch in allen Theilen vollendet und zu einem Ganzen geründet seyn soll *).

§. 13.

Alle diese Betrachtungen sowohl des Nuhens, als des Nachtheils der Anwendung der Vernunft, sollen dienen deutlich zu machen, daß, obwohl das abstrakte Wissen der Refler der anschaulichen Vorstellung und auf diese gegründet ist, es ihr doch keineswegs so kongruirt, daß es überall die Stelle derselben vertreten könnte: vielmehr entspricht es ihr nie ganz genau; daher, wie wir gesehn haben, zwar viele der menschlichen Verrichtungen nur durch Hülfe der Vernunft und des überlegten Verfahrens, jedoch einige beffer ohne deren Anwendung zu Stande kommen. Eben jene Inkongruenz der anschaulichen und der abstrakten Erkenntniß, vermöge welcher diese sich immer jener nur so annåhert, wie die Musivarbeit der Malerei, ist nun auch der Grund eines sehr merkwürdigen Phänomens, das, eben wie die Vernunft, der menschlichen Natur ausschließlich eigen ist, dessen bisher immer von Neuem versuchte Erklärungen aber alle unge= nügend sind: ich meine das Lachen. Wir können, dieses seines Ursprunges wegen, uns einer Erörterung desselben an dieser Stelle nicht entziehn, obwohl sie unsern Gang von Neuem aufhält. Das Lachen entsteht jedesmal aus nichts Anderem, als aus der plößlich wahrgenommenen Inkongruenz zwischen einem Begriff und den realen Objekten, die durch ihn in irgend einer Beziehung gedacht worden waren, und es ist selbst eben nur der Ausdruck jener Inkongruenz. Diese tritt oft dadurch hervor, daß zwei oder mehrere reale Objekte durch einen Begriff gedacht und seine Identität auf sie übertragen wird: eine gänzliche Verschiedenheit derselben im übrigen aber muß es auffallend machen, daß der, Begriff nur in einer einseitigen Rücksicht auf sie paßte. Eben so oft jedoch ist es ein einziges reales Objekt, dessen Inkongruenz zu dem Begriff, dem es einerseits mit Recht subsumirt worden, plößlich fühlbar

*) Hiezu Kap. 7 des zweiten Bandes.

wird. Je richtiger nun einerseits die Subsumtion solcher Wirklich keiten unter den Begriff ist, und je größer und greller anderer= seits ihre Unangemessenheit zu ihm, desto stärker ist die aus diesem Gegensatz entspringende Wirkung des Lächerlichen. Ich werde mich hier nicht damit aufhalten, Anekdoten als Beispiele des Lächerlichen zu erzählen, um daran meine Erklärung zu erläutern: denn diese ist so einfach und faßlich, daß sie dessen nicht bedarf, und zum Beleg derselben ist jedes Lächerliche, dessen sich der Leser erinnert, auf gleiche Weise tauglich. Wohl aber erhält unsere Erklärung Bestätigung und Erläuterung zugleich durch die Entfaltung zweier Arten des Lächerlichen, in welche es zerfällt, und die eben aus jener Erklärung hervorgehn. Entweder nämlich sind in der Erkenntniß zwei oder mehrere sehr verschiedene reale Objekte, anschauliche Vorstellungen, vorhergegangen, und man hat sie willkührlich durch die Einheit eines beide fassenden Begriffes identifizirt: diese Art des Lächerlichen heißt Wit. Oder aber umgekehrt, der Begriff ist in der Erkenntniß zuerst da, und man geht nun von ihm zur Realität und zum Wirken auf dieselbe, zum Handeln über: Objekte, die übrigens grundverschieden, aber alle in jenem Begriffe gedacht sind, werden nun auf gleiche Weise angesehn und behandelt, bis ihre übrige große Verschiedenheit zur Ueberraschung und zum Erstaunen des Handelnden hervortritt: diese Art des Lächerlichen heißt Narrheit. Demnach ist jedes Lächerliche entweder ein wißiger Einfall, oder eine nårrische Handlung, je nachdem von der Diskrepanz der Objekte auf die Identitát des Begriffs, oder aber umgekehrt gegangen wurde: ersteres immer willkührlich, lehteres immer unwillkührlich und von Außen aufgedrungen. Diesen Ausgangspunkt nun aber scheinbar umzukehren und Wig als Narrheit zu maskiren, ist die Kunst des Hofnarren und des, Hanswurst: ein solcher, der Diversität der Objekte sich wohl bewußt, vereinigt dieselben, mit heimlichem Wit, unter einem Begriff, von welchem sodann ausgehend er von der nachher gefundenen Diversität der Objekte diejenige Ueberraschung erhålt, welche er selbst sich vorbereitet hatte. Es ergiebt sich aus dieser kurzen, aber hinreichenden Theorie des Lächerlichen, daß, lehteren Fall der Lustigmacher bei Seite gesezt, der Wiß sich immer in Worten zeigen muß, die Narrheit aber meistens in Handlungen, wiewohl auch in Worten, wenn sie nåmlich nur ihr Vor

haben ausspricht, statt es wirklich zu vollführen, oder auch sich in bloßen Urtheilen und Meinungen äußert.

Zur Narrheit gehört auch die Pedanterei. Sie entsteht daraus, daß man wenig Zutrauen zu seinem eigenen Verstande hat und daher ihm es nicht überlassen mag, im einzelnen Fall unmittelbar das Rechte zu erkennen, demnach ihn ganz und gar unter die Vormundschaft der Vernunft stellt und sich dieser überall bedienen, d. h. immer von allgemeinen Begriffen, Regein, Marimen ausgehn und sich genau an sie halten will, im Leben, in der Kunst, ja im ethischen Wohlverhalten. Daher das der Pedanterei eigene Kleben an der Form, an der Manier, am Ausdruck und Wort, welche bei ihr an die Stelle des Wesens der Sache treten. Da zeigt sich denn bald die Inkongruenz des Begriffs zur Realität, zeigt sich, wie jener nie auf das Einzelne herabgeht und wie seine Allgemeinheit und starre Bestimmtheit nie genau zu den feinen Nuancen und mannigfaltigen Modifikationen der Wirklichkeit passen kann. Der Pedant kommt daher mit seinen allgemeinen Marimen im Leben fast immer zu kurz, zeigt sich unklug, abgeschmackt, unbrauchbar: in der Kunst, für die der Begriff unfruchtbar ist, producirt er leblose, steife, manierirte Aftergeburten. Sogar in ethischer Hinsicht kann der Vorsak, recht oder edel zu handeln, nicht überall nach abstrakten Marimen ausgeführt werden; weit in vielen Fällen die unendlich sein. nüancirte Beschaffenheit der Umstände eine unmittelbar aus dem Charakter hervorgegangene Wahl des Rechten nöthig macht, indem die Anwendung bloß abstrakter Marimen theils, weil fie nur halb passen, falsche Resultate giebt, theils nicht durchzuführen ist, indem sie dem individuellen Charakter des Handelnden fremd sind und dieser sich nie ganz verläugnen läßt: daher dann Infonsequenzen folgen. Wir können Kanten, sofern er zur Bedingung des moralischen Werths einer Handlung macht, daß sie aus rein vernünftigen abstrakten Marimen, ohne alle Neigung oder momentane Aufwallung geschehe, vom Vorwurf der Veranlassung moralischer Pedanterei nicht ganz frei sprechen; welcher Vorwurf auch der Sinn des Schillerschen Epigramms,,,Gewissensskrupel" überschrieben, ist.

Noch ist, zur Vervollständigung der Theorie, eine Afterart des Wißes zu erwähnen, das Wortspiel, Calembourg, pun, zu

welchem auch die Zweideutigkeit, l'équivoque, deren Hauptgebrauch der obscône (die Zote) ist, gezogen werden kann. Wie der Wit zwei sehr verschiedene reale Objekte unter einen Begriff zwingt, so bringt das Wortspiel zwei verschiedene Begriffe, durch Benuhung des Zufalls, unter ein Wort: derselbe Kontrast entsteht wieder, aber viel matter und oberflächlicher, weil er nicht aus dem Wesen der Dinge, sondern aus dem Zufall der Namengebung entsprungen ist. Beim Wig ist die Identität im Begriff, die Verschiedenheit in der Wirklichkeit: beim Wortspiel aber ist die Verschiedenheit in den Begriffen und die Identität in der Wirklichkeit, als zu welcher der Wortlaut gehört. Es wäre nur ein etwas zu gesuchtes Gleichniß, wenn man sagte, das Wortspiel verhalte sich zum Wiß, wie die Parabel des obern umgekehrten Kegels zu der des untern. Der Misverstand des Worts aber, oder das quid pro quo, ist der unwillkührliche Calembourg, und verhält sich zu diesem gerade so wie die Narrheit zum Wik: daher auch muß oft der Harthörige, so gut wie der Narr, Stoff zum Lachen geben, und schlechte Komödienschreiber brauchen jenen statt diesen, um Lachen zu erregen *).

§. 14.

Von allen diesen mannigfaltigen Betrachtungen, durch welche hoffentlich der Unterschied und das Verhältniß zwischen der Erkenntnißweise der Vernunft, dem Wissen, dem Begriff einerseits, und der unmittelbaren Erkenntniß in der reinsinnlichen, mathematischen Anschauung und der Auffassung durch den Verstand andererseits, zu völliger Deutlichkeit gebracht ist, ferner auch von den episodischen Erörterungen über Gefühl und Lachen, auf welche wir durch die Betrachtung jenes merkwürdigen Verhältnisses unfrer Erkenntnißweisen fast unumgånglich geleitet wurden, kehre ich nunmehr zurück zur fernern Erörterung der Wissenschaft, als des, neben Sprache und besonnenem Handeln, dritten Vorzugs, den die Vernunft dem Menschen giebt. Die allgemeine Betrach tung der Wissenschaft, die uns hier obliegt, wird theils ihre Form, theils die Begründung ihrer Urtheile, endlich auch ihren Gehalt betreffen.

*) Hiezu Kap. S des zweiten Bandes.

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Wir haben gesehn, daß, die Grundlage der reinen Logik_ausgenommen, alles Wissen überhaupt seinen Ursprung nicht in der Vernunft selbst hat; sondern, anderweitig als anschauliche Erkenntniß gewonnen, in ihr niedergelegt ist, indem es dadurch in eine ganz andre Erkenntnißweise, die abstrakte, übergieng. Alles Wissen, d. h. zum Bewußtseyn in abstracto erhobene Erkennt niß, verhält sich zur eigentlichen Wissenschaft, wie ein Bruchstück zum Ganzen. Jeder Mensch hat durch Erfahrung, durch Betrachtung des sich darbietenden Einzelnen, ein Wissen um mancherlei Dinge erlangt: aber nur wer sich die Aufgabe macht, über irgend eine Art von Gegenstånden vollständige Erkenntniß in abstracto zu erlangen, strebt nach Wissenschaft. Durch den Begriff allein kann er jene Art aussondern: daher steht an der Spize jeder Wissenschaft ein Begriff, durch welchen der Theil aus dem Ganzen aller Dinge gedacht wird, von welchem sie eine vollståndige Erkenntniß in abstracto verspricht: z. B. der Begriff der räumlichen Verhältnisse, oder des Wirkens unorganischer Körper auf einander, oder der Beschaffenheit der Pflanzen, der Thiere, oder der successiven Veränderungen der Oberfläche des Erdballs, oder der Veränderungen des Menschengeschlechts im Ganzen, oder des Baues einer Sprache u. s. w. Wollte die Wissenschaft die Kenntniß von ihrem Gegenstande dadurch erlangen, daß sie alle durch den Begriff gedachten Dinge einzeln erforschte, bis sie so allmålig das Ganze erkannt håtte; so würde theils kein nkenschliches Gedächtniß zureichen, theils keine Gewißheit der Vollständigkeit zu erlangen seyn. Daher benußt sie jene oben erörterte Eigenthümlichkeit der Begriffssphären, einander einzuschließen, und geht hauptsächlich auf die weiteren Sphären, welche innerhalb des Begriffs ihres Gegenstandes überhaupt liegen: indem sie deren Verhältnisse zu einander bestimmt hat, ist eben damit auch alles in ihnen Gedachte im Allgemeinen mit bestimmt und kann nun, mittelst Aussonderung immer engerer Begriffssphären, genauer und genauer bestimmt werden. Hiedurch wird es möglich, daß eine Wissenschaft ihren Gegenstand ganz umfasse. Dieser Weg, den sie zur Erkenntniß geht, nåmlich vom Allgemeinen zum Besonderen, unterscheidet fie vom gemeinen Wissen: daher ist die systematische Form ein wesentliches und charakteristisches Merkmal der Wissenschaft. Die Verbindung der allgemeinsten Begriffssphären

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