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ganze Welt als Vorstellung nur die Sichtbarkeit des Willens; so ist die Kunst die Verdeutlichung dieser Sichtbarkeit, die camera obscura, welche die Gegenstände reiner zeigt und besser übersehn und zusammenfassen läßt, das Schauspiel im Schauspiel, die Bühne auf der Bühne im Hamlet.

Der Genuß alles Schönen, der Trost, den die Kunst gewährt, der Enthusiasmus des Künstlers, welcher ihn die Mühen des Lebens vergessen läßt, dieser eine Vorzug des Genius vor den Undern, der ihn für das mit der Klarheit des Bewußtseyns in gleichem Maaße gesteigerte Leiden und für die öde Einsamkeit unter einem heterogenen Geschlechte allein entschädigt,

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dieses Alles beruht darauf, daß, wie sich uns weiterhin zeigen wird, das Ansich des Lebens, der Wille, das Daseyn selbst, ein stetes Leiden und theils jämmerlich, theils schrecklich ist; dasselbe hingegen als Vorstellung allein, rein angeschaut, oder durch die Kunst wiederholt, frei von Quaal ein bedeutsames Schauspiel gewährt. Diese rein erkennbare Seite der Welt und die Wiederholung der selben in irgend einer Kunst ist das Element des Künstlers. Ihn fesselt die Betrachtung des Schauspiels der Objektivation des Willens: bei demselben bleibt er stehn, wird nicht müde es zu betrachten und darstellend zu wiederholen, und trägt derweilen selbst die Kosten der Aufführung jenes Schauspiels, d. h. ist ja selbst der Wille, der sich also objektivirt und in stetem Leiden bleibt. Jene reine, wahre und tiefe Erkenntniß des Wesens der Welt wird ihm nun Zweck an sich: er bleibt bei ihr stehn. Daher wird sie ihm nicht, wie wir es im folgenden Buche bei dem zur Resignation gelangten Heiligen sehn werden, Quietiv des Willens, erlöst ihn nicht auf immer, sondern nur auf Augenblicke vom Leben und ist ihm so noch nicht der Weg aus demselben, sondern nur einstweilen ein Trost in demselben; bis seine dadurch gesteigerte Kraft, endlich des Spieles müde, den Ernst ergreift. Als Sinnbild dieses Ueberganges kann man die h. Caecilie von Raphael betrachten. Zum Ernst also wollen nun auch wir uns im folgenden Buche wenden.

Viertes Buch.

Der Welt als Wille zweite Betrachtung:

Bei erreichter Selbsterkenntniß Bejahung und Verneinung des Willens zum Leben.

Tempore quo cognitio simul advenit, amor e medio supersurrexit.

Oupnek'hat, studio Anquetil Duperron. Vol. II, P. 216.

§. 53.

Der leste Theil unsrer Betrachtung kündigt sich als der ernsteste an, da er die Handlungen der Menschen betrifft, den Gegenstand der Jeden unmittelbar angeht, Niemanden fremd oder gleichgültig seyn kann, ja auf welchen alles Andre zu beziehn, der Natur des Menschen so gemäß ist, daß er, bei jeder zusammenhängenden Untersuchung, den auf das Thun sich beziehenden Theil derselben immer als das Resultat ihres gesammten Inhalts, wenigstens sofern ihn derselbe interessirt, betrachten und daher diesem Theil, wenn auch sonst keinem andern, ernsthafte Aufmerksamkeit widmen wird. In der angegebenen Beziehung würde man, nach der gewöhnlichen Art sich auszudrücken, den jest folgenden Theil unsrer Betrachtung die praktische Philosophie, im Gegensatz der bisher abgehandelten theoretischen nennen. Meiner Meinung nach aber ist alle Philosophie immer theoretisch, indem es ihr wesentlich ist, sich, was auch immer der nächste Gegenstand der Untersuchung sei, stets rein betrachtend zu verhalten und zu forschen, nicht vorzuschreiben. Hingegen praktisch zu werden, das Handeln zu leiten, den Charakter umzuschaffen, find alte Ansprüche, die fie, bei gereifter Einsicht, endlich aufgeben sollte. Denn hier, wo es den Werth oder Unwerth eines Daseyns, wo es Heil oder Verdammniß gilt, geben nicht ihre todten Begriffe den Ausschlag, sondern das innerste Wesen des Menschen selbst, der Dåmon, der ihn leitet und der nicht ihn, sondern den er selbst gewählt hat, —wie Platon spricht, wie Kant sein intelligibler Charakter, sich ausdrückt. Die Tugend wird nicht gelehrt, so wenig als der Genius: ja, für sie ist der Begriff so unfruchtbar und nur als Schopenhauer, Die Welt. I.

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Werkzeug zu gebrauchen, wie er es für die Kunst ist. Wir wür den daher eben so thöricht seyn, zu erwarten, daß unsre Mora!systeme und Ethiken Tugendhafte, Edle und Heilige, als daß unsre Aesthetiken Dichter, Bildner und Musiker erweckten.

Die Philosophie kann nirgends mehr thun, als das Vorhandene deuten und erklären, das Wesen der Welt, welches in concreto, d. h. als Gefühl, Jedem verständlich sich ausspricht, zur deutlichen, abstrakten Erkenntniß der Vernunft bringen, Dieses aber in jeder möglichen Beziehung und von jedem Gesichtspunkt aus. Wie nun Dasselbe, in den drei vorhergegangenen Büchern, in der der Philosophie eigenthümlichen Allgemeinheit, von andern Gesichtspunkten aus zu leisten gesucht wurde; so soll im gegenwärtigen Buch auf gleiche Weise das Handeln des Menschen betrachtet werden; welche Seite der Welt wohl nicht nur, wie ich vorhin bemerkte, nach subjektivem, sondern auch nach objektivem Urtheil, als die wichtigste von allen befunden werden möchte. Ich werde dabei unsrer bisherigen Betrachtungsweise völlig getreu bleiben, auf das bisher Vorgetragene als Voraussehung mich stüßen, ja eigentlich nur den einen Gedanken, welcher der Inhalt dieser ganzen Schrift ist, wie bisher an allen andern Gegenständen, jezt eben so am Handeln des Menschen entwickeln und damit das Lehte thun, was ich vermag zu einer möglichst vollständigen Mittheilung desselben.

Der gegebene Gesichtspunkt und die angekündigte Behand lungsweise geben es schon an die Hand, daß man in diesem ethischen Buche keine Vorschriften, keine Pflichtenlehre zu erwarten hat: noch weniger soll ein allgemeines Moral- Princip, gleichsam ein Universal - Recept zur Hervorbringung aller Tugenden angegeben werden. Auch werden wir von keinem „unbedingten Sollen" reden, weil solches, wie im Anhang ausgeführt, einen Widerspruch enthält, noch auch von einem,,Gesetz für die Freiheit," welches sich im selben Fall befindet. Wir werden über haupt ganz und gar nicht von Sollen reden: denn so redet man zu Kindern und zu Völkern in ihrer Kindheit, nicht aber zu De: nen, welche die ganze Bildung einer mündig gewordenen Zeit sich angeeignet haben. Es ist doch wohl handgreiflicher Wider: spruch, den Willen frei zu nennen und doch ihm Geseze vorzu: schreiben, nach denen er wollen soll:,,wollen soll!"

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