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sind: fie gleicht einem lebendigen, sich entwickelnden, mit Zeugungskraft begabten Organismus, welcher hervorbringt, was nicht in ihm eingeschachtelt lag.

Allem Gesagten zufolge ist nun der Begriff, so nüßlich er für das Leben, und so brauchbar, nothwendig und ergiebig er für die Wissenschaft ist, für die Kunst ewig unfruchtbar. Hingegen ist die aufgefaßte Idee die wahre und einzige Quelle jedes ächten Kunstwerks. In ihrer kräftigen Ursprünglichkeit wird sie nur aus dem Leben selbst, aus der Natur, aus der Welt ge= schöpft, und auch nur von dem åchten Genius, oder von dem für den Augenblick bis zur Genialität Begeisterten. Nur aus solcher unmittelbaren Empfängniß entstehn åchte Werke, die unsterbliches Leben in sich tragen. Eben weil die Idee anschaulich ist und bleibt, ist sich der Künstler der Absicht und des Ziels seines Werkes nicht in abstracto bewußt; nicht ein Begriff, sondern eine Idee schwebt ihm vor: daher kann er von seinem Thun keine Rechenschaft geben: er arbeitet, wie die Leute sich ausdrücken, aus bloßem Gefühl und unbewußt, ja instinktmåßig. Hingegen Nachahmer, Manieristen, imitatores, servum pecus, gehn in der Kunst vom Begriff aus: fie merken sich was an ächten Werken gefällt und wirkt, machen sich es deutlich, fassen es im Begriff, also abstrakt, auf und ahmen es nun, offen oder versteckt, mit kluger Absichtlichkeit nach. Sie saugen, gleich parasitischen Pflanzen, ihre Nahrung aus fremden Werken, und tragen, gleich den Polypen, die Farbe ihrer Nahrung. Ja man könnte, im Vergleichen noch weiter gehend, behaupten, sie glichen Maschinen, die, was man hineinlegt, zwar sehr fein zerhacken und durch einander mengen, aber nie verdauen können, so daß sich die fremden Bestandtheile noch immer wiederfinden, aus der Mischung hervorsuchen und sondern ließen: der Genius allein gliche dagegen dem organischen, assimilirenden, umwandelnden und producirenden Leibe. Denn er wird von den Vorgångern und ihren Werken zwar erzogen und gebildet; aber befruchtet wird er nur vom Leben und der Welt selbst unmittelbar, durch den Eindruck des Anschaulichen: daher schadet auch die höchste Bildung doch nie seiner Originalität. Alle Nachahmer, alle Manieristen fassen das Wesen fremder musterhafter Leistungen im Begriffe auf: aber Begriffe können nie einem Werke inneres Le

ben ertheilen. Das Zeitalter, d. h. die jedesmalige stumpfe Menge, kennt selbst nur Begriffe und klebt daran, nimmt daher manierirte Werke mit schnellem und lautem Beifall auf: dieselben Werke sind aber nach wenig Jahren schon ungenießbar, weil der Zeitgeist, d. h. die herrschenden Begriffe, fich geändert haben, auf denen allein jene wurzeln konnten. Nur die ächten Werke, welche aus der Natur, dem Leben, unmittelbar geschöpft sind, bleiben, wie diese selbst, ewig jung und stets urkräftig. Denn sie gehören keinem Zeitalter, sondern der Menschheit an: und wie sie ebendeshalb von ihrem eigenen Zeitalter, welchem sich anzuschmiegen sie verschmähten, lau aufgenommen, und, weil sie die jedesmalige Verirrung desselben mittelbar und negativ aufdeckten, spåt und ungern anerkannt wurden; so können sie dafür auch nicht veralten, sondern sprechen auch in der spätesten Zeit immer noch frisch und immer wieder neu an: dann sind sie auch dem übersehn und verkannt werden nicht ferner ausgeseht, da sie gekrönt und sanktionirt dastehn durch den Beifall der wenigen urtheilsfähigen Köpfe, die einzeln und sparsam in den Jahrhunderten erscheinen *) und ihre Stimmen ablegen, deren langsam wachsende Summe die Autoritát begründet, welche ganz allein jener Richterstuhl ist, den man meint, wenn man an die Nachwelt appellirt. Jene successiv erscheinenden Einzelnen sind es ganz allein: denn die Masse und Menge der Nachwelt wird allezeit eben so verkehrt und stumpf seyn und bleiben, wie die Masse und Menge der Mitwelt allezeit war und allezeit ist. Man lese die Klagen großer Geister, aus jedem Jahrhundert, über ihre Zeitgenossen: stets lauten sie wie von heute; weil das Geschlecht immer das selbe ist. Zu jeder Zeit und in jeder Kunst vertritt Manier die Stelle des Geistes, der stets nur das Eigenthum Einzelner ist: die Manier aber ist das alte, abgelegte Kleid der zulezt dagewesenen und erkannten Erscheinung des Geistes. Dem Allen gemäß wird, in der Regel, der Beifall der Nachwelt nicht anders, als auf Kosten des Beifalls der Mitwelt erworben; und umgekehrt **).

*) Apparent rari, nantes in gurgite vasto,

**) Hiezu Kap. 34 des zweiten Bandes.

§. 50.

Wenn nun der Zweck der Kunst Mittheilung der aufgefäßten Idee ist, welche eben durch diese Vermittelung durch den Geist des Künstlers, in der sie von allem Fremdartigen gesåubert und isolirt erscheint, nunmehr auch Dem faßlich wird, der schwåchere Empfänglichkeit und keine Produktivität hat; wenn ferner das Ausgehn vom Begriff in der Kunst verwerflich ist; so werden wir es nicht billigen können, wenn man ein Kunstwerk absichtlich und eingeständlich zum Ausdruck eines Begriffs bestimmt: dieses ist der Fall in der Allegorie. Eine Allegorie ist ein Kunstwerk, welches etwas anderes bedeutet, als es darstellt. Aber das Anschauliche, folglich auch die Idee, spricht unmittelbar und ganz vollkommen sich selbst aus, und bedarf nicht der Vermittelung eines Andern, wodurch es angedeutet werde. Was also, auf diese Weise, durch ein ganz Anderes angedeutet und repråsentirt wird, weil es nicht selbst vor die Anschauung gebracht werden kann, ist allemal ein Begriff. Durch die Allegorie soll daher immer ein Begriff bezeichnet und folglich der Geist des Beschauers von der dargestellten anschaulichen Vorstellung weg, auf eine ganz andere, abstrakte, nicht anschauliche, geleitet werden, die völlig außer dem Kunstwerke liegt: hier soll also Bild oder Statue leisten, was die Schrift, nur viel vollkommner, leistet. Was nun wir für den Zweck der Kunst erklären, Darstellung der nur anschaulich aufzufassenden Idee, ist hier nicht der Zweck. Für das, was aber hier beabsichtigt wird, ist auch gar keine große Vollendung des Kunstwerks erforderlich; sondern es reicht hin, daß man sehe, was das Ding seyn soll, da, sobald dies gefunden ist, der Zweck erreicht ist und der Geist nun auf eine ganz anderartige Vorstellung, auf einen abstrakten Begriff geführt wird, welcher das vorgesezte Ziel war. Allegorien in der bildenden Kunst sind folglich nichts anderes als Hieroglyphen: der Kunstwerth, den sie übrigens als anschauliche Darstellungen haben mögen, kommt ihnen nicht als Allegorien, sondern anderweitig zu. Daß die Nacht von Correggio, der Genius des Ruhms von Hannibal Caracci, die Horen von Poussin, sehr schöne Bilder find, ist ganz davon zu trennen, daß sie Allegorien sind. Als Allegorien leisten sie nicht mehr, als eine Inschrift, ja eher we

und

niger. Wir werden hier wieder an die oben gemachte Unterscheidung zwischen der realen und der nominalen Bedeutung eines Bildes erinnert. Die nominale ist hier eben das Allegorische als solches, z. B. der Genius des Ruhms; die reale das wirklich Dargestellte: hier ein schöner geflügelter Jüngling, von schönen Knaben umflogen: dies spricht eine Idee aus: diese reale Bedeu tung wirkt aber nur so lange man die nominale, allegorische vergißt: denkt man an diese, so verläßt man die Anschauung, ein abstrakter Begriff beschäftigt den Geist: der Uebergang von der Idee zum Begriff ist aber immer ein Fall. Ja, jene nominale Bedeutung, jene allegorische Absicht, thut oft der realen Bedeutung, der anschaulichen Wahrheit, Eintrag: so z. B. die widernatürliche Beleuchtung in der Nacht von Correggio, die, so schön auch ausgeführt, doch bloß allegorisch motivirt und real unmöglich ist. Wenn also ein allegorisches Bild auch Kunstwerth. hat, so ist dieser von dem was es als Allegorie leistet ganz gesondert und unabhängig: ein solches Kunstwerk dient zwei Zwecken zugleich, nämlich dem Ausdruck eines Begriffs und dem Ausdruck einer Idee: nur lekterer kann Kunstzweck seyn; der andere ist ein fremder Zweck, die spielende Ergößlichkeit, ein Bild zugleich den Dienst einer Inschrift, als Hieroglyphe, leisten zu lasfen, erfunden zu Gunsten Derer, welche das eigentliche Wesen der Kunst nie ansprechen kann. Es ist damit, wie wenn ein Kunstwerk zugleich ein nüßliches Werkzeug ist, wo es auch zweien Zwecken dient: z. B. eine Statue, die zugleich Kandelaber oder Karyatide ist, oder ein Bas-Relief, der zugleich der Schild des Achills ist. Reine Freunde der Kunst werden weder das Eine noch das Andere billigen. Zwar kann ein allegorisches Bild auch gerade in dieser Eigenschaft lebhaften Eindruck auf das Gemüth hervorbringen: dasselbe würde dann aber, unter gleichen Umstän den, auch eine Inschrift wirken. 3. B. wenn in dem Gemüth eines Menschen der Wunsch nach Ruhm dauernd und fest gewur: zelt ist, indem er wohl gar den Ruhm als sein rechtmäßiges Eigenthum ansieht, das ihm nur so lange vorenthalten wird, er noch nicht die Dokumente seines Besites producirt hat: und dieser tritt nun vor den Genius des Ruhms mit seinen Lorbeerkronen; so wird sein ganzes Gemüth dadurch angeregt und seine Kraft zur Thätigkeit aufgerufen: aber dasselbe würde auch ge

als

schehn, wenn er plöhlich das Wort „Ruhm" groß und deutlich an der Wand erblickte. Oder wenn ein Mensch eine Wahrheit kund gemacht hat, die entweder als Aussage für das praktische Leben, oder als Einsicht für die Wissenschaft wichtig ist, derselbe aber keinen Glauben fand; so wird ein allegorisches Bild, die . Zeit darstellend, wie sie den Schleier aufhebt und nun die nackte Wahrheit sehn läßt, gewaltig auf ihn wirken: aber dasselbe würde auch die Devise,, le tems découvre la vérité" leisten. Denn was hier eigentlich wirkt, ist immer nur der abstrakte Gedanke, nicht das Angeschaute.

Ist nun, dem Gesagten gemäß, die Allegorie in der bildenden Kunst ein fehlerhaftes, einem der Kunst ganz fremden Zwecke dienendes Streben; so wird es vollends unerträglich, wenn es so weit abführt, daß die Darstellung gezwungener und gewaltsam herbeigezogener Deuteleien in das Alberne fällt. Dergleichen ist z. B. eine Schildkröte zur Andeutung weiblicher Eingezogenheit; das Herabblicken der Nemesis in den Busen ihres Gewandes, andeutend, daß sie auch ins Verborgene sieht; die Auslegung des Bellori, daß Hannibal Caracci die Wollust deswegen mit einem gelben Gewande bekleidet hat, weil er andeuten gewollt, daß ihre Freuden bald welken und gelb wie Stroh werden. Wenn, nun gar zwischen dem Dargestellten und dem dadurch angedeuteten Begriff durchaus keine auf Subfumtion unter jenen Begriff, oder auf Ideenassociation gegründete Verbindung ist; sondern Zeichen und Bezeichnetes ganz konventionell, durch positive, zufällig veranlaßte Sahung zusammenhängen: dann nenne ich diese Abart der Allegorie Symbol. So ist die Rose Symbol der Verschwiegenheit, der Lorbeer Symbol des Ruhms, die Palme Symbol des Sieges, die Muschel Symbol der Pilgrimschaft, das Kreuz Symbol der christlichen Religion: dahin gehören auch alle Andeutungen durch bloße Farben unmittelbar, wie Gelb als Farbe der Falschheit, und Blau als Farbe der Treue. Derglei chen Symbole mögen im Leben oft von Nugen seyn, aber der Kunst ist ihr Werth fremd: sie sind ganz wie Hieroglyphen oder gar wie Chinesische Wortschrift anzusehn und stehn wirklich in einer Klasse mit den Wappen, mit dem Busch der ein Wirthshaus andeutet, mit dem Schlüssel, an welchem man die Kammerherren, oder dem Leder, an welchem man die Bergleute er

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