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wenig ähneln, verglich man aufmerksam, berathschlagte und stritt über ihre Einerleiheit, fand dann zuleht, daß sie doch nicht dasselbe wåren und schloß, daß Platons Ideenlehre und Kants Bernunftkritik gar keine Uebereinstimmung hátten *). Aber genug davon.

§. 32.

In Folge unserer bisherigen Betrachtungen ist uns, bei aller innern Uebereinstimmung zwischen Kant und Platon, und der Identität des Zieles, das beiden vorschwebte, oder der Weltanschauung, die sie zum Philosophiren aufregte und leitete, dennoch Idee und Ding an sich nicht schlechthin Eines und dasselbe: vielmehr ist uns die Idee nur die unmittelbare und daher adáquate Objektität des Dinges an sich, das aber selbst der Wille ist, der Wille, sofern er noch nicht objektivirt, noch nicht Vorstellung geworden ist. Denn das Ding an sich soll, eben nach Kant, von allen dem Erkennen als solchen anhängenden Formen frei seyn: und es ist nur (wie im Anhange gezeigt wird) ein Fehler Kants, daß er zu diesen Formen nicht, vor allen andern, das Objekt-für-ein- Subjekt-seyn zählte, da eben dieses die erste und allgemeinste Form aller Erscheinung, d. i. Vorstellung, ist; daher er seinem Ding an sich das Objektseyn ausdrücklich hätte absprechen sollen, welches ihn vor jener großen, früh aufgedeckten Inkonsequenz bewahrt hätte. Die Platonische Idee hingegen ist nothwendig Objekt, ein Erkanntes, eine Vorstellung, und eben dadurch, aber auch nur dadurch, vom Ding an sich verschieden. Sie hat bloß die untergeordneten Formen der Erscheinung, welche alle wir unter dem Sah vom Grunde begreifen, abgelegt, oder vielmehr ist noch nicht in sie eingegangen; aber die erste und allgemeinste Form hat sie beibehalten, die der Vorstellung überhaupt, des Objektseyns für ein Subjekt. Die dieser untergeordneten Formen (deren allgemeiner Ausdruck der Sah vom Grunde ist) sind es, welche die Idee zu einzelnen und vergånglichen Indivi

P. 49

*) Man sehe z. B. Immanuel Kant, ein Denkmal von Fr. Bouterweck und Buhle's Geschichte der Philosophie, Bd. 6, pp. 802 bis 815 Der oben als lebend erwähnte Herr war F. H. Jacobi.

und 823.

duen vervielfältigen, deren Zahl, in Beziehung auf die Idee vollig gleichgültig ist. Der Sah vom Grund ist also wieder die Form, in welche die Idee eingeht, indem sie in die Erkenntnißdes Subjekts als Individuums fällt. Das einzelne, in Gemäßheit des Sahes vom Grunde erscheinende Ding ist also nur eine mittelbare Objektivation des Dinges an sich (welches der Wille ist), zwischen welchem und ihm noch die Idee steht, als die alleinige unmittelbare Objektität des Willens, indem sie keine andere dem Erkennen als solchem eigene Form angenommen hat, als die der Vorstellung überhaupt, d. i. des Objektseyns für ein Subjekt. Daher ist auch sie allein die möglichst adäquate Objektitát des Willens oder Dinges an sich, ist selbst das ganze Ding an sich, nur unter der Form der Vorstellung: und hierin liegt der Grund der großen Uebereinstimmung zwischen Platon und Kant, obgleich, der größten Strenge nach, Das, wovon beide reden, nicht das Selbe ist. Die einzelnen Dinge aber find keine ganz adäquate Objektität des Willens, sondern diese ist hier schon getrübt durch jene Formen, deren gemeinschaftlicher Ausdruck der Sah vom Grunde ist, welche aber Bedingung der Erkenntniß sind, wie sie dem Individuo als solchem möglich ist. Wir würden in der That, wenn es erlaubt ist, aus einer unmöglichen Voraussetzung zu folgern, gar nicht mehr einzelne Dinge, noch Begebenheiten, noch Wechsel, noch Vielheit erkennen, sondern nur Ideen, nur die Stufenleiter der Objektivation jenes einen Willens, des wahren Dinges an sich, in reiner ungerübter Erkenntniß auffassen, und folglich würde unsre Welt ein Nunc stans seyn; wenn wir nicht, als Subjekt des Erkennens, zugleich Individuen wåren, d. h. unsre Anschauung nicht vermittelt wäre durch einen Leib, von dessen Affektionen sie ausgeht, und welcher selbst nur konkretes Wollen, Objektität des Willens, also Objekt unter Objekten ist und als solches, so wie er in das erkennende Bewußtseyn kommt, dieses nur in den For: men des Sahes vom Grunde kann, folglich die Zeit und alle andern Formen die jener Saß ausdrückt, schon voraussetzt und dadurch einführt. Die Zeit ist bloß die vertheilte und zerstückelte Ansicht, welche ein individuelles Wesen von den Ideen hat, die

außer der Zeit, mithin ewig sind: daher sagt Plotinos, die 3eit fei basil ber Gwigteit: αιωνος είκων ὁ χρόνος *).

§. 33.

Da wir nun also als Individuen keine andere Erkenntniß haben, als die dem Sah vom Grunde unterworfen ist, diese Form aber die Erkenntniß der Ideen ausschließt; so ist gewiß, daß wenn es möglich ist, daß wir uns von der Erkenntniß einzelner Dinge zu der der Ideen erheben, solches nur geschehn kann dadurch, daß im Subjekt eine Veränderung vorgeht, welche jenem großen Wechsel der ganzen Art des Objekts entsprechend und analog ist, und vermöge welcher das Subjekt, sofern es eine Idee erkennt, nicht mehr Individuum ist.

Es ist uns aus dem vorigen Buch erinnerlich, daß das Erkennen überhaupt selbst zur Objektivation des Willens auf ihren höheren Stufen gehört, und die Sensibilität, Nerven, Gehirn, eben nur wie andre Theile des organischen Wesens, Ausdruck des Willens in diesem Grade seiner Objektität sind und daher die durch sie entstehende Vorstellung auch eben so zu seinem Dienste bestimmt ist, als ein Mittel (unzarŋ) zur Erreichung seiner jekt komplicirteren (zodutehɛotega) Zwecke, zur Erhaltung eines vielfache Bedürfnisse habenden Wesens. Ursprünglich also und ihrem Wesen nach ist die Erkenntniß dem Willen durchaus dienstbar, und wie das unmittelbare Objekt, das mittelst Anwendung des Gesezes der Kausalität ihr Ausgangspunkt wird, nur objektivirter Wille ist, so bleibt auch alle dem Sahe vom Grunde nachgehende Erkenntniß in einer näheren oder entfernteren Beziehung zum Willen. Denn das Individuum findet seinen Leib als ein Objekt unter Objekten, zu denen allen derselbe mannigfaltige Verhältnisse und Beziehungen nach dem Sak vom Grunde hat, deren Betrachtung also immer, auf nåherem oder fernerem Wege, zu seinem Leibe, also zu seinem Willen, zurückführt. Da es der Sah vom Grunde ist, der die Objekte in diese Beziehung zum Leibe und dadurch zum Willen stellt; so wird die diesem dienende Erkenntniß auch einzig bestrebt seyn, von den Objekten eben die

*) Hiezu Kap. 29 des zweiten Bandes.

durch den Sah vom Grunde geseßten Verhältnisse kennen zu lernen, also ihren-mannigfaltigen Beziehungen in Raum, Zeit und Kausalität nachgehn. Denn nur durch diese ist das Objekt dem Individuo interessant, d. h. hat ein Verhältniß zum Willen. Daher erkennt denn auch die dem Willen dienende Erkenntniß von den Objekten eigentlich nichts weiter, als ihre Relationen, erkennt die Objekte, nur, sofern sie zu dieser Zeit, an diesem Ort, unter diesen Umstånden, aus diesen Ursachen, mit diesen Wirkungen da sind, mit Einem Wort, als einzelne Dinge: und höbe man alle diese Relationen auf; so wären ihr auch die Objekte verschwunden, eben weil sie übrigens nichts an ihnen erkannte.— Wir dürfen auch nicht verhehlen, daß das, was die Wissenschaften an den Dingen betrachten, im Wesentlichen gleichfalls nichts Anderes als alles Jenes ist, nåmlich ihre Relationen, die Verhältnisse der Zeit, des Raums, die Ursachen natürlicher Veränderungen, die Vergleichung der Gestalten, Motive der Begebenheiten, also lauter Relationen. Was sie von der gemeinen Erkenntniß unterscheidet, ist bloß ihre Form, das Systematische, die Erleichterung der Erkenntniß durch Zusammenfassung alles Einzelnen, mittelst Unterordnung der Begriffe, ins Allgemeine, und dadurch erlangte Vollständigkeit derselben. Alle Relation hat selbst nur ein relatives Daseyn: z. B. alles Seyn in der Zeit ist auch wieder ein Nichtsseyn: denn die Zeit ist eben nur dasjenige, wodurch demselben Dinge entgegengesette Bestimmungen zukommen können: daher ist jede Erscheinung in der Zeit eben auch wieder nicht: denn was ihren Anfang von ihrem Ende trennt, ist eben nur Zeit, ein wesentlich Hinschwindendes, Bestandloses und Relatives, hier Dauer genannt. Die Zeit ist aber die allgemeinste Form aller Objekte der im Dienste des Willens stehenden Er: kenntniß und der Urtypus der übrigen Formen derselben.

Dem Dienste des Willens bleibt nun die Erkenntniß in der Regel immer unterworfen, wie sie ja zu diesem Dienste hervorgegangen, ja dem Willen gleichsam so entsprossen ist, wie der Kopf dem Rumpf. Bei den Thieren ist diese Dienstbarkeit der Erkenntniß unter dem Willen gar nie aufzuheben. Bei den Menschen tritt solche Aufhebung nur als Ausnahme ein, wie wir sogleich näher betrachten werden. Dieser Unterschied zwischen Mensch und Thier ist äußerlich ausgedrückt durch die Verschieden

heit des Verhältnisses des Kopfes zum Rumpf. Bei den unteren Thieren sind beide noch ganz verwachsen: bei allen ist der Kopf zur Erde gerichtet, wo die Objekte des Willens liegen: selbst bei den oberen sind Kopf und Rumpf noch viel mehr Eines, als beim Menschen, dessen Haupt dem Leibe frei. aufgeseßt erscheint, nur von ihm getragen, nicht ihm dienend. Diesen menschlichen Vorzug stellt im höchsten Grade der Apoll von Belvedere dar: das weitumherblickende Haupt des Musengottes steht so frei auf den Schultern, daß es dem Leibe ganz entwunden, der Sorge für ihn nicht mehr unterthan- erscheint.

§. 34.

Der, wie gesagt, mögliche, aber nur als Ausnahme zu betrachtende Uebergang von der gemeinen Erkenntniß einzelner Dinge zur Erkenntniß der Idee, geschieht plöglich, indem die Erkennt, niß sich vom Dienste des Willens losreißt, eben dadurch das Subjekt aufhört ein bloß individuelles zu seyn und jest reines, willenloses Subjekt der Erkenntniß ist, welches nicht mehr, dem Sahe vom Grunde gemåß, den Relationen nachgeht; sondern in fester · Kontemplation des dargebotenen Objekts, außer seinem Zusammenhange mit irgend andern, ruht und darin aufgeht.

Dieses bedarf, um deutlich zu werden, nothwendig einer ausführlichen Auseinandersehung, über deren Befremdendes man sich einstweilen hinauszusehen hat, bis es, nach Zusammenfassung des ganzen in dieser Schrift mitzutheilenden Gedankens, von selbst verschwunden ist.

Wenn man, durch die Kraft des Geistes gehoben, die gewöhnliche Betrachtungsart der Dinge fahren läßt, aufhört, nur thren Relationen zu einander, deren lehtes Ziel immer die Relation zum eigenen Willen ist, am Leitfaden der Gestaltungen ́ des Sahes vom Grunde, nachzugehn, also nicht mehr das Wo, das Wann, das Warum und das Wozu an den Dingen betrachtet; sondern einzig und allein das Was; auch nicht das abstrakte Denken, die Begriffe der Vernunft, das Bewußtseyn einnehmen läßt; sondern, statt alles diesen, die ganze Macht seines Geistes der Anschauung hingiebt, sich ganz in diese versenkt und das ganze Bewußtseyn ausfüllen läßt durch die ruhige Kontempla

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