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Stamm und Blatt zur Blüthe und Frucht, welche wieder nur der Anfang eines neuen Keimes ist, eines neuen Individuums, das abermals die alte Bahn durchläuft, und so durch unendliche Zeit. Eben so ist der Lebenslauf des Thieres: die Zeugung ist der Gipfel desselben, nach dessen Erreichung das Leben des ersten Individuums schnell oder langsam sinkt, während ein neues der Natur die Erhaltung der Gattung verbürgt und dieselbe Erscheinung wiederholt. Ja, als die bloße Erscheinung dieses beständigen Dranges und Wechsels ist auch die stete Erneuerung der Materie jedes Organismus anzusehn, welche die Physiologen jezt aufhören für nothwendigen Ersaß des bei der Bewegung verbrauchten Stoffes zu halten, da die mögliche Abnuhung der Maschine durchaus kein equivalent seyn kann für den beständigen Zufluß durch die Ernährung: ewiges Werden, endloser Fluß, gehört zur Offenbarung des Wesens des Willens. Dasselbe zeigt sich endlich auch in den menschlichen Bestrebungen und Wünschen, welche ihre Erfüllung immer als lehtes Ziel des Wollens uns vorgaukeln; sobald sie aber er: reicht sind, sich nicht mehr ähnlich sehn und daher bald vergessen, antiquirt und eigentlich immer, wenn gleich nicht eingeständlich, als verschwundene Täuschungen bei Seite gelegt werden; glücklich genug, wenn noch etwas zu wünschen und zu streben übrig blieb, damit das Spiel des steten Ueberganges vom Wunsch zur Befriedigung und von dieser zum neuen Wunsch, dessen rascher Gang Glück, der langsame Leiden heißt, unterhalten werde und nicht in jenes Stocken gerathe, das sich als furchtbare, lebenserstarrende Langeweile, mattes Sehnen ohne bestimmtes Objekt, ertödtender languor zeigt. Diesem allen zufolge, weiß der Wille, wo ihn Erkenntniß beleuchtet, stets was er jekt, was er hier will; nie aber was er überhaupt will: jeder einzelne Akt hat einen Zweck; das gesammte Wollen keinen: eben wie jede einzelne Naturerscheinung zu ihrem Eintritt an diesem Ort, zu dieser Zeit, durch eine zureichende Ursache bestimmt wird, nicht aber die in ihr sich manifestirende Kraft überhaupt eine Ursache hat, da solche Erscheinungsstufe des Dinges an sich, des grundlosen Willens ist. Die einzige Selbsterkenntniß des Wil

lens im Ganzen aber ist die Vorstellung im Ganzen, die gesammte anschauliche Welt. Sie ist seine Objektität, seine Offenbarung, sein Spiegel. Was sie in dieser Eigenschaft aussagt, wird der Gegenstand unserer ferneren Betrachtung seyn *).

*) Hiezu Kap. 28 des zweiten Bandes.

Drittes Buch.

Der Welt als Vorstellung

zweite Betrachtung:

Die Vorstellung, unabhängig vom Sahe des Grundes: die Platonische Idee: das Objekt der Kunst.

Τι τὸ ἓν μὲν ἀεὶ, γένεσιν δὲ οὐκ ἔχον; καὶ τί τὸ γιγνόμενον μὲν καὶ ἀπολλύμενον, ὄντως δὲ οὐδέποτε ὄν;

ΠΛΑΤΩΝ.

§. 30.

Nachdem wir die im ersten Buch als bloße Vorstellung, Objekt für ein Subjekt, dargestellte Welt im zweiten Buch von ihrer andern Seite betrachtet und gefunden haben, daß diese Wille sei, welcher allein als dasjenige sich ergab, was jene Welt noch außer der Vorstellung ist; so nannten wir, dieser Erkenntniß gemåß, die Welt als Vorstellung, sowohl im Ganzen als in ihren Theilen, die Objektität des Willens. Wir erinnern uns

nun ferner, daß solche Objektivation des Willens viele aber be stimmte Stufen hatte, auf welchen, mit gradweise steigender Deutlichkeit und Vollendung, das Wesen des Willens in die Vorstellung trat, d. h. sich als Objekt darstellte. In diesen Stu= fen erkannten wir schon dort Platons Ideen wieder, sofern nåmlich jene Stufen eben die bestimmten Species, oder die ursprünglichen, nicht wechselnden Formen und Eigenschaften aller natürlichen, sowohl unorganischen als organischen Körper, wie auch die nach Naturgesehen sich offenbarenden allgemeinen Kräfte sind. Diese Ideen also insgesammt stellen sich in unzähligen Individuen und Einzelnheiten dar, als deren Vorbild sie sich zu diesen ihren Nachbildern verhalten. Die Vielheit solcher Individuen ist durch Zeit und Raum, das Entstehn und Vergehn derselben durch Kausalitåt allein vorstellbar, in welchen Formen allen wir nur die verschiedenen Gestaltungen des Sahes vom Grunde erkennen, der das lehte Princip aller Endlichkeit, aller Individuation und die allgemeine Form der Vorstellung, wie fie in die Erkenntniß des Individuums als solchen fållt, ist. Die Idee hingegen geht in jenes Princip nicht ein: daher ihr weder Vielheit noch Wech

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