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nur der Art und Weise, wie diese von den selbst vergånglichen Individuen erkannt werden, d. h. der Erscheinung der Ideen. Daher ist bei unserer gegenwärtigen Betrachtung der Art, wie die Objektivation des Willens sich in den Ideen vertheilt, die Zeitfolge ganz ohne Bedeutung, und die Ideen, deren Erschei nungen, dem Gesetz der Kausalitåt, dem sie als solche unter: worfen sind, gemäß, früher in die Zeitfolge eintraten, haben dadurch kein Vorrecht vor denen, deren Erscheinung später eintritt, welche vielmehr gerade die vollkommensten Objektivationen des Willens find, denen sich die früheren eben so sehr anpassen mußten, wie diese jenen. Also der Lauf der Planeten, die Neigung der Ekliptik, die Rotation der Erde, die Vertheilung des festen Landes und des Meeres, die Atmosphäre, das Licht, die Wärme und alle ähnlichen Erscheinungen, welche in der Natur das sind, was in der Harmonie der Grundbaß, bequemten sich ahndungsvoll den kommenden Geschlechtern lebender Wesen, deren Träger und Erhalter sie werden sollten. Eben so bequemte sich der Boden der Ernährung der Pflanzen, diese der Ernährung der Thiere, diese der Ernährung andrer Thiere, ebensowohl als umgekehrt alle diese wieder jenen. Alle Theile der Natur kommen sich entgegen, weil ein Wille es ist, der in ihnen allen erscheint, die Zeitfolge aber seiner ursprünglichen und allein adäquaten Objektität, (diesen Ausdruck erklärt das folgende Buch) den Ideen, ganz fremd ist. Noch jest, da die Geschlechter sich nur zu erhalten, nicht mehr zu entstehn haben, sehn wir hin und wieder eine solche sich auf das Zukünftige erstreckende, eigentlich von der Zeitfolge gleichsam abftrahirende Vorsorge der Natur, ein Sichbequemen dessen was da ist, nach dem was noch kom men soll. So baut der Vogel das Nest für die Jungen, welche er noch nicht kennt; der Bieber errichtet einen Bau, dessen Zweck ihm unbekannt ist; die Ameise, der Hamster, die Biene sammeln Vorråthe zu dem ihnen unbekannten Winter; die Spinne, der Ameisenlöwe errichten, wie mit überlegter List, Fallen für den künftigen, ihnen unbekannten Raub; die Insekten legen ihre Eier dahin, wo die künftige Brut künftig Nahrung findet; die weibliche Blume der diócistischen Valisneria entwickelt die Spiralwindungen ihres Stångels, von denen sie bisher an den Grund

des Wassers gehalten wurde, und steigt dadurch auf die Oberfläche, genau dann, wann die an einem geraden Stångel aufgeschossene männliche Blume daselbst ihre Antheren ausstreut, welche umherschwimmend die weibliche Blume suchen, die sodann, nach geschehener Befruchtung, sich wieder durch Kontraktion ihrer Spirale zurückzieht auf den Grund, woselbst die Frucht sich ausbildet: auch hier muß ich nochmals der Larve des männlichen Hirschschröters gedenken, die das Loch im Holze zu ihrer Metamorphose noch einmal so groß beißt, als die weibliche, um Raum für die künftigen Hörner zu gewinnen. Ueberhaupt also giebt uns der Instinkt der Thiere die beste Erläuterung zur übrigen Teleologie der Natur. Denn wie der Instinkt ein Handeln ist, gleich dem nach einem Zweckbegriff und doch ganz ohne denselben; so ist alles Bilden der Natur gleich dem nach einem Zweckbegriff und doch ganz ohne denselben. Denn in der äußern, wie in der innern Teleologie der Natur ist, was wir als Mittel und Zweck denken müssen, überall nur die für unsre Erkenntnißweise in Raum und Zeit auseinandergetretene Erscheinung der Einheit des mit sich selbst soweit übereinstimmenden einen Willens.

Inzwischen kann das aus dieser Einheit entspringende sich wechselseitige Anpassen und Sichbequemen der Erscheinungen dennoch nicht den oben dargestellten, im allgemeinen Kampf der Natur erscheinenden innern Widerstreit tilgen, der dem Willen wesentlich ist. Jene Harmonie geht nur so weit, daß sie den Bestand der Welt und ihrer Wesen möglich macht, welche daher ohne sie långst untergegangen wären. Daher erstreckt sie sich nur auf den Bestand der Gattungen und der allgemeinen Lebensbedingungen, nicht aber auf den der Individuen. Wenn dem nach, vermöge jener Harmonie und Ackomodation, die Gattun gen im Organischen und die allgemeinen Naturkräfte im Unorganischen nebeneinander bestehn, ja sich sogar wechselseitig unterstüßen; so zeigt sich dagegen der innere Widerstreit des durch alle jene Ideen objektivirten Willens im unaufhörlichen Vertilgungskrieg der Individuen jener Gattungen und im beståndigen Ringen der Erscheinungen jener Naturkräfte mit einander, wie oben ausgeführt worden. Der Tummelplaß und der Gegen

stand dieses Kampfes ist die Materie, welche sie wechselseitig sich zu entreißen streben, wie auch Raum und Zeit, deren Vereinigung durch die Form der Kausalität eigentlich die Materie ist, wie im ersten Buche_dargethan *).

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§. 29.

Ich beschließe hier den zweiten Haupttheil meiner Darstellung, in der Hoffnung, daß, soweit es bei der allerersten Mittheilung eines noch nie dagewesenen Gedankens, der daher von den Spuren der Individualität, in welcher zuerst er sich erzeugte, nicht ganz frei seyn kann, möglich ist, es mir gelungen sei, die deutliche Gewißheit mitzutheilen, daß diese Welt, in der wir leben und find, ihrem ganzen Wesen nach, durch und durch Wille und zugleich durch und durch Vorstellung ist; daß diese Vorstellung schon als solche eine Form vorausseßt, nämlich Objekt und Subjekt, mithin relativ ist; und wenn wir fragen, was nach Aufhebung dieser Form und aller ihr untergeordneten, die der Satz vom Grund ausdrückt, noch übrig bleibt; dieses als ein von der Vorstellung toto genere Verschiedenes, nichts anderes seyn kann, als Wille, der sonach das eigentliche Ding an sich ist. Jeder findet sich selbst als diesen Willen, in welchem das innere Wesen der Welt besteht, so wie er sich auch als das erkennende Subjekt findet, dessen Vorstellung die ganze Welt ist, welche insofern nur in Bezug auf sein Bewußtseyn, als ihren nothwendigen Tråger, ein Daseyn hat. Jeder ist also in diesem doppelten Betracht die ganze Welt selbst, der Mikrokosmos, findet beide Seiten derselben ganz und vollständig in sich selbst. Und was er so als sein eigenes Wesen erkennt, dasselbe erschöpft auch das Wesen der ganzen Welt, des Makrokosmos: auch sie also ist, wie er selbst, durch und durch Wille, und durch und durch Vorstellung, und nichts bleibt weiter übrig. So sehn wir hier die Philosophie des Thales, die den Makrokosmos, und die des Sokrates, die den Mikrokos

*) Hiezu Kap. 26 u. 27 des zweiten Bandes.

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mos betrachtete, zusammenfallen, indem das Objekt beider sich als das Selbe aufweist. Größere Vollständigkeit aber und dadurch auch größere Sicherheit wird die gesammte in den zwei erften Büchern mitgetheilte Erkenntniß gewinnen, durch die noch folgenden zwei Bücher, in denen hoffentlich auch manche Frage, welche bei unserer bisherigen Betrachtung deutlich oder undeutlich sich aufgeworfen haben mag, ihre genügende Antwort finden wird.

Inzwischen mag eine solche Frage noch eigens erörtert werden, da sie eigentlich nur aufgeworfen werden kann, solange man noch nicht ganz in den Sinn der bisherigen Darstellung eingedrungen ist, und eben insofern zur Erläuterung derselben dienen kann. Es ist folgende. Jeder Wille ist Wille nach Etwas, hat ein Objekt, ein Ziel seines Wollens: was will denn zuleht, oder wonach strebt jener Wille, der uns als das Wesen an sich der Welt dargestellt wird? - Diese Frage beruht, wie so viele andere, anf Verwechselung des Dinges an sich mit der Erscheinung. Auf diese allein, nicht auf jenes erstreckt sich der Sah vom Grunde, dessen Gestaltung auch das Gesetz der Motivation ist. Ueberall läßt sich nur von Erscheinungen als solchen, von einzelnen Dingen, ein Grund angeben, nie vom Willen selbst, noch von der Idee, in der er sich adäquat objektivirt. So ist von jeder einzelnen Bewegung, oder überhaupt Verånderung in der Natur, eine Ursache zu suchen, d. h. ein Zustand, welcher diese nothwendig herbeiführte; nie aber von der Naturkraft selbst, die sich in jener und in unzähligen gleichen ́Erscheinungen offenbart : und es ist daher wahrer Unverstand, aus Mangel an Besonnenheit entsprungen, wenn gefragt wird nach einer Ursache der Schwere, der Elektricitåt u. s. w. Nur etwan, wenn man dargethan håtte, daß Schwere, Elektricitåt, nicht ursprüngliche eigenthümliche Naturkräfte, sondern nur Erscheinungsweisen einer allgemeinern, schon bekannten Naturkraft wåren, ließe sich fragen nach der Ursache, welche macht, daß diese Naturkraft hier die Erscheinung der Schwere, der Elektricitåt, hervorbringe. Das alles ist oben weitläufig auseinandergesetzt. Eben so nun hat jeder einzelne Willensakt eines erkennenden Individuums (das selbst nur Erscheinung des Willens

als Ding an sich ist) nothwendig ein Motiv, ohne welches es nie zu jenem Akte kåme: aber wie die Ursache bloß die Bestim mung enthält, daß zu dieser Zeit, an diesem Ort, an dieser Materie, eine Aeußerung dieser oder jener Naturkraft eintreten muß; so bestimmt auch das Motiv nur den Willensakt eines erkennenden Wesens, zu dieser Zeit, an diesem Ort, unter diesen Umstånden, als ein ganz Einzelnes; keineswegs aber daß jenes Wesen überhaupt will und auf diese Weise will: dies ist AeuBerung seines intelligibeln Charakters, der, als der Wille selbst, das Ding an sich, grundlos ist, als außer dem Gebiet des Sahes vom Grunde liegend. Daher hat auch jeder Mensch beständig Zwecke und Motive, nach denen er sein Handeln leitet, und weiß von seinem einzelnen Thun allezeit Rechenschaft zu geben: aber wenn man ihn fragte, warum er überhaupt will, oder warum er überhaupt daseyn will; so würde er keine Antwort haben, vielmehr würde ihm die Frage ungereimt ersche

und hierin eben spräche sich eigentlich das Bewußtseyn aus, daß er selbst nichts, als Wille ist, dessen Wollen überhaupt sich also von selbst versteht und nur in seinen einzelnen Akten, für jeden Zeitpunkt, der nåheren Bestimmung durch Motive bedarf.

In der That gehört Abwesenheit alles Ziels, aller Gränzen, zum Wesen des Willens an sich, der ein endloses Streben ist. Dies wurde bereits oben, bei Erwähnung der Centrifugalkraft berührt: auch offenbart es sich am einfachsten auf der allerniedrigsten Stufe der Objektität des Willens, nåmlich in der Schwere, deren beständiges Streben, bei offenbarer Unmöglichkeit eines lehten Zieles, vor Augen liegt. Denn wäre auch, nach ihrem Willen, alle eristirende Materie in einen Klumpen verei nigt; so würde im Innern desselben die Schwere, zum Mittelpunkte strebend, noch immer mit der Undurchdringlichkeit, `als Starrheit oder Elasticitåt, kåmpfen. Das Streben der Materie kann daher stets nur gehemmt, nie fund nimmer erfüllt oder befriedigt werden. So aber gerade verhält es sich mit allem Streben aller Erscheinungen des Willens. Jedes erreichte Ziel ist wieder Anfang einer neuen Laufbahn, und so ins Unendliche. Die Pflanze erhöht ihre Erscheinung vom Keim durch

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