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Erkenntniß mußte zu dieser hinzutreten, eine Reflexion jener: die Vernunft als das Vermögen abstrakter Begriffe. Mit dieser war Befonnenheit da, enthaltend Ueberblick der Zukunft und Verggngenheit, und, in Folge derselben, Ueberlegung, Sorge, Fähigkeit des pråmeditirten, von der Gegenwart unabhängigen Handelns, endlich auch völlig deutliches Bewußtseyn der eigenen Willensent: scheidungen als solcher. Trat nun schon mit der bloß anschaulichen Erkenntniß die Möglichkeit des Scheines und der Täuschung ein, wodurch die vorige Unfehlbarkeit im erkenntnißlosen Treiben des Willens aufgehoben wurde, deshalb Instinkt und Kunsttrieb, als erkenntnißlose Willensäußerungen, mitten unter den von Erkenntniß geleiteten, ihm zu Hülfe kommen mußten; so geht mit dem Eintritt der Vernunft jene Sicherheit und Untrüglichkeit der Willensäußerungen (welche am andern Extrem, in der unorganiz schen Natur, sogar als strenge Geseßmäßigkeit erscheint,) fast ganz verloren: der Instinkt tritt völlig zurück, die Ueberlegung, welche jezt Alles ersehen soll, gebiert (wie im ersten Buche ausgeführt) Schwanken und Unsicherheit: der Irrthum wird möglich, welcher in vielen Fällen die adäquate Objektivation des Willens durch Thaten hindert. Denn, wenn gleich der Wille schon im Charakter seine bestimmte und unveränderliche Richtung genommen hat, welcher entsprechend das Wollen selbst unfehlbar, nach Unlaß der Motive, eintritt; so kann doch der Irrthum die Aeußerungen defselben verfälschen, indem dann Wahn- Motive gleich wirklichen einfließen und diese aufheben *): so z. B. wenn Superstition eingebildete Motive unterschiebt, die den Menschen zu einer Handlungsweise zwingen, welche der Art, wie sein Wille, unter den vorhandenen Umstånden, sich sonst åußern würde, gerade entgegengeseht find: Agamemnon schlachtet seine Tochter; ein Geizhals spendet Almosen, aus reinem Egoismus, in der Hoffnung dereinstiger hundertfacher Wiedererstattung, u. f. f.

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Die Erkenntniß überhaupt, vernünftige sowohl als bloß anschauliche, geht also ursprünglich aus dem Willen selbst hervor, gehört zum Wesen der höheren Stufen seiner Objektivation, als eine bloße unyavn, ein Mittel zur Erhaltung von Individuum

*) Die Scholastiker sagten daher recht gut: causa finalis non agit secundum suum esse reale, sed secundum suum esse cognitum.

und Art, sogut wie jedes Organ des Leibes. Ursprünglich also zum Dienste des Willens, zur Vollbringung seiner Zwecke bestimmt, bleibt sie ihm auch fast durchgängig gänzlich dienstbar: so in allen Thieren und in beinahe allen Menschen. Jedoch werden

wir im dritten Buche sehn, wie in einzelnen Menschen die Erkenntniß sich dieser Dienstbarkeit entziehn, ihr Joch abwerfen und frei von allen Zwecken des Wollens rein für sich bestehn kann, als bloßer klarer Spiegel der Welt, woraus die Kunst hervorgeht; endlich im vierten Buch, wie durch diese Art der Erkenntniß, wenn sie auf den Willen zurückwirkt, die Selbstaufhebung desselben eintreten kann, d. i. die Resignation, welche das lehte Ziel, ja das innerste Wesen aller Tugend und Heiligkeit, und die Erlösung von der Welt ist.

§. 28.

Wir haben die große Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit der Erscheinungen betrachtet, in denen der Wille sich objektivirt; ja, wir haben ihren endlosen und unversöhnlichen Kampf gegen einander gesehn. Dennoch ist, unsrer ganzen bisherigen Darstellung zufolge, der Wille selbst, als Ding an sich, keineswegs begriffen in jener Vielheit, jenem Wechsel. Die Verschiedenheit ́der (Platonischen) Ideen, d. i. Abstufungen der Objektivation, die Menge der Individuen, in welchen jede von diesen sich darstellt, der Kampf der Formen um die Materie: dies Alles trifft nicht ihn; sondern ist nur die Art und Weise seiner Objektivation, und hat nur durch diese eine mittelbare Relation zu ihm, vermöge welcher es zum Ausdruck seines Wesens für die Vorstellung gehört. Wie eine Zauberlaterne viele und mannigfaltige Bilder zeigt, es aber nur eine und dieselbe Flamme ist, welche ihnen allen die Sichtbarkeit ertheilt; so ist in allen mannigfaltigen Erscheinungen, welche nebeneinander die Welt füllen, oder nacheinander als Begebenheiten sich verdrängen, doch nur der eine Wille das Erscheinende, dessen Sichtbarkeit, Objektität das Alles ist, und der unbewegt bleibt mitten in jenem Wechsel: er allein ist das Ding an sich: alles Objekt aber ist Erscheinung, Phänomen, in Kants Sprache zu reden. Obgleich im Menschen, als (Platonischer) Idee, der Wille seine deutlichste und vollkommenste Objektivation

findet; so konnte dennoch diese allein sein Wesen nicht ausdrücken. Die Idee des Menschen durfte, um in der gehörigen Bedeutung zu erscheinen, nicht allein und abgerissen sich darstellen, sondern mußte begleitet seyn von der Stufenfolge abwärts durch alle Gestaltungen der Thiere, durch das Pflanzenreich, bis zum Unorganischen: sie alle erst ergänzen sich zur vollständigen Objektivation des Willens; sie werden von der Idee des Menschen so vorausgeseht, wie die Blüthen des Baumes Blåtter, Leste, Stamm und Wurzel voraussehen: sie bilden eine Pyramide, deren Spiße der Mensch ist. Auch kann man, wenn man àn Vergleichungen Wohlgefallen hat, sagen: ihre Erscheinung begleitet die des Menschen so nothwendig, wie das volle Licht begleitet ist von den allmåligen Gradationen aller Halbschatten, durch die es sich in die Finsterniß verliert: oder auch man kann sie den Nachhall des Menschen nennen und sagen: Thier und Pflanze sind die herabsteigende Quint und Terz des Menschen, das unorganische Reich ist die untere Oktav. Die ganze Wahrheit dieses legten Gleichnisses wird uns aber erst deutlich werden, wenn wir, im folgens den Buche, die tiefe Bedeutsamkeit der Musik zu ergründen suchen und sich uns zeigen wird, wie die durch hohe leichtbewegliche Töne im Zusammenhang fortschreitende Melodie, in gewissem Sinn, als das durch Reflexion Zusammenhang habende Leben und Streben des Menschen darstellend, anzusehn ist, wo dann dagegen die unzusammenhängenden Ripienstimmen und der schwerbewegliche Baß, aus denen die zur Vollständigkeit der Musik nothwendige Harmonie hervorgeht, die übrige thierische und erkenntnißlose Natur abbilden. Doch davon an seinem Orte, wo es nicht mehr so parador klingen wird. Wir finden aber auch jene innere, von der adäquaten Objektität des Willens unzertrennliche Nothwendigkeit der Stufenfolge seiner Erscheinungen, in dem Ganzen dieser selbst durch eine äußere Nothwendig keit ausgedrückt, durch diejenige nämlich, vermöge welcher der Mensch zu seiner Erhaltung der Thiere bedarf, diese stufenweise eines des andern, dann auch der Pflanzen, welche wieder des Bodens bedürfen, des Wassers, der chemischen Elemente und ihrer Mischungen, des Planeten, der Sonne, der Rotation, und des Umlaufs um diese, der Schiefe der Ekliptik u. so forma

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Wie die Erkenntniß der Einheit des Willens, als Dinges an sich, in der unendlichen Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, allein den wahren Aufschluß giebt über jene wundersame, unverkennbare Analogie aller Produktionen der Natur, jene Familienähnlichkeit, die sie als Variationen desselben, nicht mitgegebenen Thema's betrachten läßt; so wird: gleichermaaßen durch die deutlich und tief gefaßte Erkenntniß jener Harmonie, jenes wesentlichen Zusammenhangs aller Theile der Welt, jener Nothwendigkeit ihrer Abstufung, welche wir soeben betrachtet haben, sich uns eine wahre und genügende Einsicht öffnen in das innere Wesen und die Bedeutung der unleugbaren Zweckmäßigkeit aller organischen Naturprodukte, die wir sogar a priori bei der Betrachtung und Beurtheilung derselben voraussehen.

Diese Zweckmäßigkeit ist doppelter Art: theils eine innere, d. h. eine so geordnete Uebereinstimmung aller Theile eines einzelnen Organismus, daß die Erhaltung desselben und seiner Gattung daraus hervorgeht und daher als Zweck jener Anordnung fich darstellt. Theils aber ist die Zweckmäßigkeit eine äußere, nämlich ein Verhältniß der unorganischen Natur zu der organiz schen überhaupt, oder auch einzelner Theile der organischen Natur zu einander, welches die Erhaltung der gesammten organischen Natur oder auch einzelner Thiergattungen möglich macht, und daher als Mittel zu diesem Zweck unsrer Beurtheilung ent gegentritt.

Die innere Zweckmäßigkeit tritt nun folgendermaaßen in den Zusammenhang unserer Betrachtung. Wenn, dem Bisherigen zufolge, alle Verschiedenheiten der Gestalten in der Natur und alle Vielheit der Individuen nicht dem Willen, sondern nur seiner Objektität und der Form dieser angehört; so folgt nothwendig, daß er untheilbar und in jeder Erscheinung ganz gegenwärtig ist, wiewohl die Grade seiner Objektivation, die (Platonis schen) Ideen, sehr verschieden sind. Wir können, zu leichterer Faßlichkeit, diese verschiedenen Ideen als einzelne und an sich einfache Willensakte betrachten, in denen sein Wesen sich mehr oder weniger ausdrückt: die Individuen aber sind wieder Erscheinungen der Ideen, also jener Akte, in Zeit und Raum und Vielheit. → Nun behält, auf den niedrigsten Stufen der Objektität, ein sol

cher Akt (oder eine Idee) auch in der Erscheinung seine Einheit bei; während er auf den höhern Stufen, um zu erscheinen, einer ganzen Reihe von Zuständen und Entwickelungen in der Zeit be darf, welche alle zusammengenommen erst den Ausdruck seines Wesens vollenden. So z. B. hat die Idee, welche sich in irgend einer allgemeinen Naturkraft offenbart, immer nur eine einfache Aeußerung, wenn gleich diese nach Maaßgabe der äußern Verhältnisse sich verschieden darstellt: sonst könnte auch ihre Identität gar nicht nachgewiesen werden, welches eben geschieht durch Ab: sonderung der bloß aus den äußeren Verhältnissen entspringenden Verschiedenheit. Eben so hat der Krystall nur eine LebensauBerung, sein Anschießen, welche nachher an der erstarrten Form, dem Leichnam jenes momentanen Lebens, ihren völlig hinreichenden und erschöpfenden Ausdruck hat. Schon die Pflanze aber drückt die Idee, deren Erscheinung sie ist, nicht mit einem Male und durch eine einfache Aeußerung aus, sondern in einer Succession von Entwickelungen ihrer Organe, in der Zeit. Das Thier entwickelt nicht nur auf gleiche Weise, in einer Succession oft sehr verschiedener Gestalten (Metamorphose) seinen. Organismus; sondern diese Gestalt selbst, obwohl schon Objektität des Willens auf dieser Stufe, reicht doch nicht hin zur vollständigen Darstellung seiner Idee, vielmehr wird diese erst ergänzt durch die Handlungen des Thieres, in denen sein empirischer Charakter, welcher in der ganzen Species derselbe ist, sich ausspricht und erst die vollständige Offenbarung der Idee ist, wobei sie den bestimm ten Organismus als Grundbedingung vorausseßt. Beim Menschen ist schon in jedem Individuo der empirische Charakter ein eigenthümlicher (ja, wie wir im vierten Buche sehn werden, bis zur völligen Aufhebung des Charakters der Species, nämlich durch Selbstaufhebung des ganzen Wollens). Was durch die nothwendige Entwickelung in der Zeit und das dadurch bedingte Berfallen in einzelne Handlungen, als empirischer Charakter erkannt wird, ist, mit Abstraktion von dieser zeitlichen Form der Erscheinung, der intelligible Charakter, nach dem Ausdrucke Kants, in der Nachweisung dieser Unterscheidung und Darstellung des Verhältnisses zwischen Freiheit und Nothwendigkeit, d. h. eigent lich zwischen dem Willen als Ding an sich und seiner Erscheinung

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