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brauch nehme ich weiter keine Notiz: das Nöthige darüber steht im Anhang.

§. 26.

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Als die niedrigste Stufe der Objektivation des Willens stel: len sich die allgemeinsten Kräfte der Natur dar, welche theils in jeder Materie ohne Ausnahme erscheinen, wie Schwere, Undurchdringlichkeit, theils sich unter einander in der überhaupt vorhandenen Materie getheilt haben, so daß einige über diese, andere über jene, eben dadurch specifisch verschiedene Materie herrschen, wie Starrheit, Flüssigkeit, Elasticitåt, Elektricitåt, Magnetismus, chemische Eigenschaften und Qualitäten jeder Art. Sie sind an fich unmittelbare Erscheinungen des Willens, so gut wie das Thun des Menschen, sind als solche grundlos, wie der Charakter des Menschen, nur ihre einzelnen Erscheinungen sind dem Sah vom Grund unterworfen, wie die Handlungen des Menschen, sie selbst hingegen können niemals weder Wirkung noch Ursache heißen, sondern sind die vorhergegangenen und vorausgesezten Bedingungen aller Ursachen und Wirkungen, durch welche ihr eigenes Wesen sich entfaltet und offenbart. Es ist deshalb unverständig, nach einer Ursache der Schwere, der Elektricität zu fragen: dies sind ursprüngliche Kräfte, deren Aeußerungen zwar nach Ursach und Wirkung vor sich gehn, so daß jede einzelne Erscheinung derselben eine Ursache hat, die selbst wieder eben eine solche einzelne Erscheinung ist und die Bestimmung giebt, daß hier jene Kraft sich äußern, in Zeit und Raum hervortreten mußte; keineswegs aber ist die Kraft selbst Wirkung einer Ursache, noch auch Ursache einer Wirkung. Daher ist es auch falsch zu sagen: die Schwere ist Ursache, daß der Stein fällt:" vielmehr ist die Nähe der Erde hier die Ursache, indem diese den Stein zieht. Nehmt die Erde weg, und der Stein wird nicht fallen, obgleich die Schwere geblieben ist. Die Kraft selbst liegt ganz außerhalb der Kette der Ursachen und Wirkungen, welche die Zeit vorausseßt, indem sie nur in Bezug auf diese Bedeutung hat: jene aber liegt auch außerhalb der Zeit. Die einzelne Veränderung hat immer wieder eine eben so einzelne Veränderung, nicht aber die Kraft, zur Ursache, deren Neu

Berung sie ist. Denn Das eben, was einer Ursache, so unzählige Male sie eintreten mag, immer die Wirksamkeit verleiht, ist eine Naturkraft, ist als solche grundlos, d. h. liegt ganz außerhalb der Kette der Ursachen und überhaupt des Gebietes des Sahes vom Grunde, und wird philosophisch erkannt als unmittelbare Objektität des Willens, der das An- sich der gesammten Natur ist; in der Aetiologie, hier Physik, aber nachgewiesen, als ursprüngliche Kraft, d. i. qualitas occulta.

Auf den obern Stufen der Objektität des Willens sehn wir die Individualität bedeutend hervortreten, besonders beim Menschen, als die große Verschiedenheit individueller Charaktere, d. h. als vollständige Persönlichkeit, schon äußerlich ausgedrückt durch stark gezeichnete individuelle Physiognomie, welche die gesammte Korporisation mitbegreift. Diese Individualität hat bei weitem in solchem Grade kein Thier; sondern nur die obern Thiere haben einen Anstrich davon, über den jedoch der Gattungscharakter noch ganz und gar vorherrscht, ebendeshalb auch nur wenig Individualphysiognomie. Je weiter abwärts, desto mehr verliert sich jede Spur von Individualcharakter in den allgemeinen der Species, deren Physiognomie auch allein übrig bleibt. Man kennt den psychologischen Charakter der Gattung, und weiß daraus genau, was vom Individuo zu erwarten steht; da hingegen in der Menschenspecies jedes Individuum für sich studirt und ergründet seyn will, was, um mit einiger Sicherheit sein Verfahren zum voraus zu bestimmen, wegen der erst mit der Vernunft eingetretenen Möglichkeit der Verstellung, von der größten Schwierigkeit ist. Ohne Zweifel ist es mit diesem Unterschiede der Menschengattung von allen andern zusammenhängend, daß die Furchen und Windungen des Gehirns, welche bei den Vógeln noch ganz fehlen und bei den Nagethieren noch sehr schwach find, selbst bei den obern Thieren weit symmetrischer an beiden Seiten und konstanter bei jedem Individuo dieselben sind, als beim Menschen *). Ferner ist es ein Phänomen jenes den Menschen von allen Thieren unterscheidenden eigentlichen Individual

*) Wenzel, de structura cerebri hominis et brutorum 1812. c. 3. Vicq d'Azyr, Hist. de l'acad. d. sc de Paris 1783. p. 470 et 483.

charakters anzusehn, daß bei den Thieren der Geschlechtstrieb seine Befriedigung ohne merkliche Auswahl sucht, während diese Auswahl beim Menschen, und zwar auf eine von aller Reflexion unabhängige, instinktmäßige Weise, so hoch getrieben wird, daß sie bis zur gewaltigen Leidenschaft steigt. Während nun also jeder Mensch als eine besonders bestimmte und charakterisirte Erscheinung des Willens, ja gewissermaaßen als eine eigene Idee anzusehn ist, bei den Thieren aber dieser Individualcharakter im Gan-' zen fehlt und nur noch die Species eine eigenthümliche Bedeutung hat, ja seine Spur immer mehr verschwindet, je weiter sie vom Menschen abstehn, die Pflanzen endlich gar keine andere Eigenthümlichkeiten des Individuums mehr haben, als solche, die sich aus äußern günstigen oder ungünstigen Einflüssen des Bodens und Klimas und andern Zufälligkeiten vollkommen erklären lassenz so verschwindet endlich im unorganischen Reiche der Natur gånzlich alle Individualität. Bloß der Krystall ist noch gewissermaaßen als Individuum anzusehn: er ist eine Einheit des Strebens nach bestimmten Richtungen, von der Erstarrung ergriffen, die dessen Spur bleibend macht: er ist zugleich ein Aggregat aus seiner Kerngestalt, durch eine Idee zur Einheit verbunden, ganz so wie der Baum ein Aggregat ist aus der einzelnen treibenden Faser, die sich in jeder Rippe des Blatts, jedem Blatt, jedem Ast darstellt, wiederholt und gewissermaaßen jedes von diesen als ein eigenes Gewächs ansehn läßt, das sich parasitisch vom größern nåhrt, so daß der Baum, ähnlich dem Krystall, ein systematisches Aggregat von kleinen Pflanzen ist, wiewohl erst das Ganze die vollendete Darstellung einer untheilbaren Idee, d. i. dieser be= stimmten Stufe der Objektivation des Willens ist. Die Individuen derselben Gattung von Krystallen können aber keinen andern Unterschied haben, als den äußere Zufälligkeiten herbeiführen: man kann sogar jede Gattung nach Belieben zu großen oder kleinen Krystallen anschießen machen. Das Individuum aber als solches, d. h. mit Spuren eines individuellen Charakters, findet sich durchaus nicht mehr in der unorganischen Natur. Alle ihre Erscheinungen sind Aeußerungen allgemeiner Naturkräfte, d. h. solcher Stufen der Objektivation des Willens, welche sich durchaus nicht (wie in der organischen Natur) durch die Vermittelung der Verschiedenheit der Individualitäten, die das Ganze der Idee

theilweise aussprechen, objektiviren; sondern sich allein in der Species und diese in jeder einzelnen Erscheinung ganz und ohne alle Abweichung darstellen. Da Zeit, Raum, Vielheit und Bedingtfeyn durch Ursache nicht dem Willen, noch der Idee (der Stufe der Objektivation des Willens), sondern nur den einzelnen Erscheinungen dieser angehören; so muß in allen Millionen Erscheinungen einer solchen Naturkraft, z. B. der Schwere, oder der Elektricitåt, fie als solche sich ganz genau auf gleiche Weise darstellen, und bloß die äußern Umstände können die Erscheinung modificiren. Diese Einheit ihres Wesens in allen ihren Erschei nungen, diese unwandelbare Konstanz des Eintritts derselben, sos bald, am Leitfaden der Kausalität, die Bedingungen dazu vor handen sind, heißt ein Naturgeset. Ist ein solches durch Erfahrung einmal bekannt; so läßt sich die Erscheinung der Naturkraft, deren Charakter in ihm ausgesprochen und niedergelegt ist, genau vorherbestimmen und berechnen. Diese Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen der untern Stufen der Objektivation des Willens ist es aber eben, die ihnen ein so verschiedenes Ansehn giebt von den Erscheinungen desselben Willens auf den höhern, d. i. deutlicheren Stufen seiner Objektivation, in Thieren, Menschen und deren Thun, wo das stärkere oder schwächere Hervortreten des individuellen Charakters und das Bewegtwerden durch Motive, welche, weil in der Erkenntniß liegend, dem Zuschauer oft verborgen blei ben, das Identische des innern Wesens beider Arten von Erschei nungen bisher gänzlich hat verkennen lassen.

Die Unfehlbarkeit der Naturgeseze hat, wenn man von der Erkenntniß des Einzelnen, nicht von der der Idee ausgeht, etwas Ueberraschendes, ja bisweilen fast Schaudererregendes. Man könnte sich wundern, daß die Natur ihre Gesetze auch nicht ein einziges Mal vergißt: daß z. B. wenn es einmal einem Naturgeseß ge máß ist, daß beim Zusammentreffen gewiffer Stoffe, unter be stimmten Bedingungen, eine chemische Verbindung, Gasentwickelung, Verbrennung Statt habe; nun auch wenn die Bedingun gen zusammentreffen, sei es durch unsere Veranstaltung, oder ganz und gar durch Zufall (wo die Pünktlichkeit durch das Unerwartete desto überraschender ist), heute sogut wie vor tausend Jahren, fofort und ohne Aufschub die bestimmte Erscheinung vor sich geht. Am meisten empfinden wir dieses Wunderbare bei seltenen, nur

unter sehr kombinirten Umständen eintretenden und unter diesen uns vorherverkündeten Erscheinungen: so z. B. daß, wenn gewisse Metalle, unter einander und mit einer gesäuerten Feuchtigkeit abwechselnd, sich berühren, Silberblättchen, zwischen die Extremità: ten dieser Verkettung gebracht, plöhlich in grüne Flammen aufgehn müssen: oder daß unter gewissen Bedingungen der harte, Diamant sich in fire Luft verwandelt. Es ist die geistermäßige Allgegenwart der Naturkräfte, die uns alsdann überrascht, und was uns bei den alltäglichen Erscheinungen nicht mehr einfällt, gewahren wir hier, nåmlich wie zwischen Ursach und Wirkung der Zusammenhang eigentlich so geheimnißvoll ist, wie der, welchen man dichtet zwischen einer Zauberformel und dem Geist, der durch sie herbeigerufen nothwendig erscheint. Hingegen, wenn wir in die philosophische Erkenntniß eingedrungen. sind, daß eine Naturkraft eine bestimmte Stufe der Objektivation des Willens ist, d. h. Desjenigen, was auch wir als unser innerstes Wesen erkennen, und daß dieser Wille an sich selbst und unterschieden von seiner Erscheinung und deren Formen, außer der Zeit und dem Raume liegt, und daher die durch diese bedingte Vielheit nicht ihm, noch unmittelbar der Stufe seiner Objektivation, d. i. der Idee, sondern erst den Erscheinungen dieser zukommt, das Geseß der Kausalitåt aber nur in Beziehung auf Zeit und Raum Bedeutung hat, indem es nämlich in diesen den vervielfachten Erscheinungen der verschiedenen Ideen, in welchen der Wille sich manifestirt, ihre Stelle bestimmt, die Ordnung regelnd, in der sie eintreten müßsen; wenn uns, sage ich, in dieser Erkenntniß der innere Sinn der großen Lehre Kants aufgegangen ist, daß Raum, Zeit und Kausalität nicht dem Dinge an sich, sondern nur der Erscheinung zukommen, nur Formen unserer Erkenntniß, nicht Beschaffenheiten des Dinges an sich sind: dann werden wir einsehn, daß jenes Erstaunen über die Gesezmäßigkeit und Pünktlichkeit des Wirkens einer Naturkraft, über die vollkommene Gleichheit aller ihrer Millionen Erscheinungen, über die Unfehlbarkeit des Eintritts derselben, in der That dem Erstaunen eines Kindes oder eines Wilden zu vergleichen ist, der zum ersten Mal durch ein Glas mit vielen Facetten etwan eine Blume betrachtend, sich wundert über die vollkommene Gleichheit der unzähligen Blumen die er sieht, und einzeln die Blätter einer jeden derselben zählt.

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