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ihm kann nicht widerstanden werden, sondern man muß ihn entfernen, um ihn unwirksam zu machen. Eben so verhält es sich mit ekelhaften Gegenständen, welche Neigung zum Erbrechen erregen. Als ein wirkliches Mittelglied ganz anderer Art zwischen der Bewegung auf Reiz und dem Handeln nach einem erkannten Motiv haben wir so eben den Instinkt der Thiere betrachtet. Noch als ein anderes Mittelglied dieser Art könnte man versucht werden das Athemholen anzusehn: man hat nåmlich gestritten, ob es zu den willkührlichen oder zu den unwillkührlichen Bewegungen gehöre, d. h. eigentlich ob es auf Motiv oder Reiz erfolge, danach es sich vielleicht für ein Mittelding zwischen beiden erklåren ließe. Marsh all Hall (on the diseases of the nervous system §. 293 sqq.) erklärt es für eine gemischte Funktion, da es unter dem Einfluß theils der Cerebral- (willkührlichen) theils der Spinal- (unwillkührlichen) Nerven steht. Indessen müssen wir es zuleht doch den auf Motiv erfolgenden Willensäußerungen beizählen: denn andere Motive, d. h. bloße Vorstellungen, können den Willen bestimmen es zu hemmen oder zu beschleunigen, und es hat, wie jede andere willkührliche Handlung, den Schein, daß man es ganz unterlassen könnte und frei ersticken. Dies könnte man auch in der That, sobald irgend ein anderes Motiv so stark den Willen bestimmte, daß es das dringende Bedürfniß nach Luft überwöge. Nach Einigen soll Diogenes wirklich auf diese Weise seinem Leben ein Ende gemacht haben (Diog. Laert. VI, 76). Auch Neger sollen dies gethan haben (F. B. Osiander, über den Selbstmord, 1813. S. 170-180). Wir hätten daran ein starkes Beispiel vom Einfluß abstrakter Motive, d. h. von der Uebermacht des eigentlich vernünftigen Wollens über das bloß thierische. Für das wenigstens theilweise Bedingtseyn des Athmens durch cerebrale Thätigkeit spricht die Thatsache, daß Blausäure zunächst dadurch tödtet, daß sie das Gehirn lähmt und so mittelbar das Athmen hemmt: wird aber dieses künstlich unterhalten, bis jene Betäubung des Gehirns vorüber ist, so tritt gar kein Tod ein. Zugleich giebt uns hier beiläufig das Athemholen das augenfälligste Beispiel davon, daß Motive mit eben so großer Nothwendigkeit, wie Reize und bloße Ursachen im engsten Sinne wirken, und eben nur durch entgegengesezte Motive, wie Druck durch Gegendruck, außer Wirksamkeit gesezt werden können: denn

beim Athmen ist der Schein des Unterlassenkönnens ungleich schwächer, als bei andern auf Motive erfolgenden Bewegungen, weil das Motiv dort sehr dringend, sehr nah, seine Befriedigung, wegen der Unermüdlichkeit der sie vollziehenden Muskeln, sehr leicht, ihr in der Regel nichts entgegenstehend und das Ganze durch die älteste Gewohnheit des Individuums unterstützt ist. Und doch wirken eigentlich alle Motive mit derselben Nothwendigkeit. Die Erkenntniß, daß die Nothwendigkeit den Bewegungen auf Motive mit denen auf Reize gemeinschaftlich ist, wird uns die Einsicht erleichtern, daß auch Das, was im organischen Leibe auf Reize und völlig gesetzmäßig vor sich geht, dennoch seinem innern Wesen nach Wille ist, der zwar nie an sich, aber in allen seinen Erscheinungen dem Sah vom Grund, d. h. der Nothwendigkeit unterworfen ist *). Wir werdem demnach nicht dabei stehen bleiben, die Thiere, wie in ihrem Handeln, so auch in ihrem ganzen Daseyn, Korporisation und Organisation als Willenserscheinungen zu erkennen; sondern werden diese uns allein gegebene unmittelbare Erkenntniß des Wesens an sich der Dinge auch auf die Pflanzen übertragen, deren såmmtliche Bewegungen auf Reize erfolgen, da die Abwesenheit der Erkenntniß und der durch diese bedingten Bewegung auf Motive allein den wesentlichen Unterschied zwischen Thier und Pflanze ausmacht. Wir werden also was für die Vorstellung als Pflanze, als bloße Vegetation, blind treibende Kraft erscheint, seinem Wesen an sich nach, für Willen ansprechen und für eben Das erkennen, was die Basis unserer eigenen Erscheinung ausmacht, wie sie sich in unserm Thun und auch schon im ganzen Daseyn unsers Leibes selbst ausspricht.

Es bleibt uns nur noch der lehte Schritt zu thun übrig, die Ausdehnung unserer Betrachtungsweise auch auf alle jene Kräfte, welche in der Natur nach allgemeinen, unveränderlichen Geseßen wirken, denen gemäß die Bewegungen aller der Körper erfolgen welche, ganz ohne Organe, für den Reiz keine Empfänglichkeit

*) Diese Erkenntniß wird durch meine Preisschrift über die Freiheit des Willens völlig festgestellt, woselbst (s. S. 30 – 44 der,, Grundprobleme der Ethik") daher auch das Verhältniß zwischen Ursache, Reiz und Motiv seine ausführliche Erörterung erhalten hat.

und für das Motiv keine Erkenntniß haben. Wir müssen also den Schlüssel zum Verständniß des Wesens an sich der Dinge, welchen uns die unmittelbare Erkenntniß unseres eigenen Wesens allein geben konnte, auch an diese Erscheinungen der unorgani schen Welt legen, die von allen im weitesten Abstande von uns stehn. Wenn wir sie nun mit forschendem Blick betrachten, wenn wir den gewaltigen, unaufhaltsamen Drang sehn, mit dem die Gewässer der Tiefe zueilen, die Beharrlichkeit, mit welcher der Magnet sich immer wieder zum Nordpol wendet, die Sehn sucht, mit der das Eisen zu ihm fliegt, die Heftigkeit, mit welcher die Pole der Elektricität zur Wiedervereinigung streben, und welche, gerade wie die der menschlichen Wünsche, durch Hindernisse gesteigert wird; wenn wir den Krystall schnell und plöglich anschießen sehn, mit so viel Regelmäßigkeit der Bildung, die offenbar nur eine von Erstarrung ergriffene und festgehaltene ganz entschiedene und genau bestimmte Bestrebung nach verschiedenen Richtungen ist; wenn wir die Auswahl bemerken, mit der die Körper, durch den Zustand der Flüssigkeit in Freiheit geseht und den Banden der Starrheit entzogen, sich suchen und fliehen, vereinigen und trennen; wenn wir endlich ganz unmittelbar fühlen, wie eine Last, deren Streben zur Erdmasse unser Leib hemmt, auf diesen unablässig drückt und drångt, ihre einzige Bestrebung verfolgend; so wird es uns keine große Anstrengung der Einbildungskraft kosten, selbst aus so großer Entfernung unser eigenes Wesen wiederzuerkennen, jenes Nämliche, das in uns beim Lichte der Erkenntniß seine Zwecke verfolgt, hier aber, in den schwächsten seiner Erscheinungen, nur blind, dumpf, einseitig und unveränderlich strebt, jedoch, weil es überall Eines und dasselbe so gut wie die erste Morgendämmerung mit den Strah len des vollen Mittags den Namen des Sonnenlichts theilt, auch hier wie dort den Namen Wille führen muß, welcher Das bezeichnet, was das Seyn an sich jedes Dinges in der Welt und der alleinige Kern jeder Erscheinung ist.

ist,

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Der Abstand jedoch, ja der Schein einer gänzlichen Verschiedenheit zwischen den Erscheinungen der unorganischen Natur und dem Willen, den wir als das Innere unsers eigenen Wesens wahrnehmen, entsteht vorzüglich aus dem Kontrast zwischen der völlig bestimmten Gesetzmäßigkeit in der einen und der scheinbar

regellofen Willkühr in der andern Art der Erscheinung. Denn im Menschen tritt die Individualität mächtig hervor: ein Jeder hat einen eigenen Charakter: daher hat auch dasselbe Motiv nicht auf Alle die gleiche Gewalt, und tausend Nebenumstånde, die in der weiten Erkenntnißsphäre des Individuums Raum haben, aber Andern unbekannt bleiben, modificiren seine Wirkung, weshalb sich aus dem Motiv allein die Handlung nicht vorherbestimmen läßt, weil der andere Faktor fehlt, die genaue Kenntniß des individuellen Charakters und der ihn begleitenden Erkenntniß. Hingegen zeigen die Erscheinungen der Naturkräfte hier das andere Extrem: sie wirken nach allgemeinen Gesezen, ohne Abweichung, ohne Individualität, nach offen darliegenden Umstånden, der ge= nauesten Vorherbestimmung unterworfen, und dieselbe Naturkraft äußert sich in den Millionen ihrer Erscheinungen genau auf glei che Weise. Wir müssen, um diesen Punkt aufzuklären, um die Identität des einen und untheilbaren Willens in allen seinen so verschiedenen Erscheinungen, in den schwächsten, wie in den stårksten, nachzuweisen, zuvörderst das Verhältniß betrachten, welches der Wille als Ding an sich zu seiner Erscheinung, d. h. die Welt als Wille zur Welt als Vorstellung hat, wodurch sich uns der beste Weg öffnen wird zu einer tiefer gehenden Erforschung des gesammten in diesem zweiten Buch behandelten Gegenstandes *).

§. 24.

Wir haben von dem großen Kant gelernt, daß Zeit, Raum und Kausalitåt, ihrer ganzen Gesetzmäßigkeit und der Möglichkeit aller ihrer Formen nach, in unserm Bewußtseyn vorhanden sind, ganz unabhängig von den Objekten, die in ihnen erscheinen, die ihren Inhalt ausmachen; oder mit andern Worten: daß sie eben sowohl, wenn man vom Subjekt, als wenn man vom Objekt ausgeht, gefunden werden können; daher man sie mit gleichem Recht Anschauungsweisen des Subjekts, oder auch Beschaffenhei

*) Hiezu Kap. 23 des zweiten Bandes, imgleichen, in meiner Schrift „über den Willen in der Natur," das Kapitel „, Pflanzenphysiologie“ und das für den Kern meiner Metaphysik überaus wichtige Kapitel,,Physische Astronomie."

ten des Objekts, sofern es Objekt (bei Kant: Erscheinung) d. h. Vorstellung ist, nennen kann. Auch kann man jene Formen ansehn als die untheilbare Gränze zwischen Objekt und Subjekt: daher zwar alles Objekt in ihnen erscheinen muß, aber auch das Subjekt, uuabhängig vom erscheinenden Objekt, sie vollståndig besißt und übersieht. - Sollten nun aber die in diesen Formen erscheinenden Objekte nicht leere Phantome seyn; sondern eine Bedeutung haben: so müßten sie auf etwas deuten, der Ausdruck von etwas seyn, daß nicht wieder wie sie selbst Objekt, Vorstellung, ein nur relativ, nåmlich für ein Subjekt, Vorhandenes wåre; sondern welches ohne solche Abhängigkeit von einem ihm als wesentliche Bedingung Gegenüberstehenden und dessen Formen existirte, d. h. eben keine Vorstellung, sondern ein Ding an sich wäre. Demnach ließe sich wenigstens fragen: sind jene Vorstellungen, jene Objekte, noch etwas außerdem und abgesehn davon, daß sie Vorstellungen, Objekte des Subjekts find? und was alsdann wären sie in diesem Sinn? was ist jene ihre andere von der Vorstellung toto genere verschiedene Seite? was ist das Ding an sich? Der Wille: ist unsere Antwort gewesen, die ich jedoch für jezt bei Seite sehe.

Was auch immer das Ding an sich sei; so hat Kant richtig geschlossen, daß Zeit, Raum und Kausalitát (die wir späterhin als Gestaltungen des Sahes vom Grunde, und diesen als allgemeinen Ausdruck der Formen der Erscheinung erkannt haben) nicht Bestimmungen desselben seyn, sondern ihm erst zukommen konnten, nachdem und sofern es Vorstellung geworden, d. h. nur seiner Erscheinung angehörten, nicht ihm selbst. Denn da das Subjekt sie aus sich selbst, unabhängig von allem Objekt vollständig erkennt und konstruirt; so müssen sie dem Vorstellungseyn als solchem anhängen, nicht Dem, was Vorstellung wird. Sie müssen die Form der Vorstellung als solcher, nicht aber Eigenschaften Dessen seyn, was diese Form angenommen hat. Sie müssen schon mit dem bloßen Gegensaß von Subjekt und Objekt (nicht im Begriff, sondern in der That) gegeben seyn, folglich nur die nåhere Bestimmung der Form der Erkenntniß überhaupt seyn, deren allgemeinste Bestimmung jener Gegensaß selbst ist. Was nun in der Erscheinung, im Objekt, wiederum durch Zeit, Raum und Kausalitåt bedingt ist, indem es nur mittelst derselben

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