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ist. Als Bestätigung hievon ist bereits angeführt, daß jede Einwirkung auf meinen Leib sofort und unmittelbar auch meinen Willen affizirt und in dieser Hinsicht Schmerz oder Wollust, im niedrigeren Grade angenehme oder unangenehme Empfindung heißt, und auch, daß umgekehrt jede heftige Bewegung des Willens, also Affekt und Leidenschaft, den Leib erschüttert und den Lauf seiner Funktionen stört. - 3war läßt sich, wenn gleich sehr unvollkommen, von der Entstehung, und etwas besser von der Entwickelung und Erhaltung meines Leibes auch åtiologisch eine Rechenschaft geben, welche eben die Physiologie ist: allein diese erklärt ihr Thema gerade nur so, wie die Motive das Handeln erklären. So wenig daher die Begründung der einzelnen Handlung durch das Motiv und die nothwendige Folge derselben. aus diesem damit streitet, daß die Handlung überhaupt und ihrem Wesen nach nur Erscheinung eines an sich selbst grundlosen Willens ist; eben so wenig thut die physiologische Erklärung der Funktionen des Leibes der philosophischen Wahrheit Eintrag, daß das ganze Daseyn dieses Leibes und die gesammte Reihe seiner Funktionen nur die Objektivirung eben jenes Willens ist, der in desselben Leibes äußerlichen Aktionen nach Maaßgabe der Motive erscheint. Sucht doch die Physiologie auch sogar eben diese åußerlichen Aktionen, die unmittelbar willkührlichen Bewegungen, auf Ursachen im Organismus zurückzuführen, z. B. die Bewegung des Muskels zu erklären aus einem Zufluß von Såften (,,wie die Zusammenziehung eines Stricks der naß wird“ sagt Reil, in seinem Archiv für Physiologie Bd. 6, p. 153.): allein geseht man käme wirklich zu einer gründlichen Erklärung dieser Art; so würde dies doch nie die unmittelbar gewisse Wahrheit aufheben, daß jede willkührliche Bewegung (functiones animales) Erscheinung eines Willensaktes ist. Eben so wenig nun kann je die physiologische Erklärung des vegetativen Lebens (functiones naturales, vitales,) und gediehe sie auch noch so weit, die Wahrheit aufheben, daß dieses ganze, sich so entwickelnde thierische Leben selbst Erscheinung des Willens ist. Ueberhaupt kann ja, wie oben erörtert worden, jede åtiologische Erklärung nie mehr angeben, als die nothwendig bestimmte Stelle in Zeit und Raum einer einzelnen Erscheinung, ihren nothwendigen Eintritt daselbst nach einer festen Regel: hingegen bleibt das innere

Wesen jeder Erscheinung auf diesem Wege immer unergründlich, und wird von jeder åtiologischen Erklärung vorausgeseht und bloß bezeichnet durch die Namen Kraft, oder Naturgesek, oder, wenn von Handlungen die Rede ist, Charakter, Wille. — Obgleich also jede einzelne Handlung, unter Voraussehung des bestimmten Charakters, nothwendig bei dargebotenem Motiv erfolgt, und obgleich das Wachsthum, der Ernährungsproceß und sämmtliche Veränderungen im thierischen Leibe nach nothwendig wirkenden Ursachen (Reizen) vor sich gehn; so ist dennoch die ganze Reihe der Handlungen, folglich auch jede einzelne, und eben so auch deren Bedingung, der ganze Leib selbst, der sie vollzieht, folglich auch der Proceß durch den und in dem er besteht nichts anderes, als die Erscheinung des Willens, die Sichtbarwerdung, Objektitåt des Willens. Hierauf beruht die vollkommne Angemessenheit des menschlichen und thierischen Leibes zum menschlichen und thierischen Willen überhaupt, derjenigen ähnlich, aber sie weit übertreffend, die ein absichtlich verfertigtes Werkzeug zum Willen des Verfertigers hat, und dieserhalb erscheinend als Zweckmäßigkeit, d. i. die teleologische Erklärbarkeit des Leibes. Die Theile des Leibes müssen deshalb den Hauptbegehrungen, durch welche der Wille sich manifestirt, vollkommen entsprechen, müssen der sichtbare Ausdruck derselben seyn: Zähne, Schlund und Darmkanal sind der objektivirte Hunger; die Genitalien der objektivirte Geschlechtstrieb; die greifenden Hände, die raschen Füße entsprechen dem schon mehr mittelbaren Streben des Willens, welches sie darstellen. Wie die allgemeine menschliche Form dem allgemeinen menschlichen Willen, so entspricht dem individuell modifizirten Willen, dem Charakter des Einzelnen, die individuelle Korporisation, welche daher durchaus und in allen Theilen charakteristisch und ausdrucksvoll ist. Es ist sehr bemerkenswerth, daß dieses schon Parménides, in folgenden von Aristoteles (Metaph. III, 5.) angeführten Versen, ausgesprochen hat:

Ως γαρ έκαστος έχει κρασιν μελέων πολυκαμπτων,
Τως νους ανθρωποισι παρεστηκεν' το γαρ αυτο
Εστιν, όπερ φρονεει, μελεων φυσις ανθρωποισι.
Και πασιν και παντι' το γαρ πλεον εστι νοημα. *)

*) Hiezu Kap. 20 des zweiten Bandes; wie auch, in meiner Schrift ,,über den Willen in der Natur", die Rubriken „Physiologic“ und „Ver

§. 21.

Wem nun, durch alle diese Betrachtungen, auch in abstracto, mithin deutlich und sicher, die Erkenntniß geworden ist, welche in concreto Jeder unmittelbar, d. h. als Gefühl besißt, daß nämlich das Wesen an sich seiner eigenen Erscheinung, welche als Vorstellung sich ihm sowohl durch seine Handlungen, als durch das bleibende Substrat dieser, seinen Leib, darstellt, sein Wille ist, der das Unmittelbarste seines Bewußtseyns ausmacht, als solches aber nicht völlig in die Form der Vorstellung, in welcher Objekt und Subjekt sich gegenüber stehn, eingegangen ist; sondern auf eine unmittelbare Weise, in der man Subjekt und Objekt nicht ganz deutlich unterscheidet, sich kund giebt, jedoch auch` nicht im Ganzen, sondern nur in seinen einzelnen Akten dem Individuo selbst kenntlich wird: wer, sage ich, mit mir diese Ueberzeugung gewonnen hat, dem wird sie, ganz von selbst, der Schlüssel werden zur Erkenntniß des innersten Wesens der gesammten Natur, indem er sie nun auch auf alle jene Erscheinun gen überträgt, die ihm nicht, wie seine eigene, in unmittelbarer Erkenntniß neben der mittelbaren, sondern bloß in letterer, also bloß einseitig, als Vorstellung allein, gegeben sind. Nicht allein in denjenigen Erscheinungen, welche seiner eigenen ganz ähnlich sind, in Menschen und Thieren, wird er als ihr innerstes Wesen jenen nåmlichen Willen anerkennen; sondern die fortgesette Reflerion wird ihn dahin leiten, auch die Kraft, welche in der Pflanze treibt und vegetirt, ja die Kraft durch welche der Krystall anschießt, die, welche den Magnet zum Nordpol wendet, die, deren Schlag ihm aus der Berührung heterogener Metalle entgegenfährt, die, welche in den Wahlverwandschaften der Stoffe als Fliehen und Suchen, Trennen und Vereinen erscheint, ja zuleht sogar die Schwere, welche in aller Materie so gewaltig strebt, den Stein zur Erde und die Erde zur Sonne zieht, diese Alle nur in der Erscheinung für verschieden, ihrem innern Wesen nach aber als das Selbe zu erkennen, als jenes ihm unmittelbar so wohl und besser als alles andere Bekannte, was da, wo es

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gleichende Anatomie", woselbst das hier nur Angedeutete seine gründliche Ausführung erhalten hat.

sich am vollkommensten manifestirt, Wille heißt. Diese Unwendung der Reflexion ist es allein, welche uns nicht mehr bei der Erscheinung stehn bleiben läßt, sondern hinüberführt zum Ding an sich. Erscheinung heißt Vorstellung, und weiter nichts: alle · Vorstellung, welcher Art sie auch sei, alles Objekt, ist Er- ' scheinung. Ding an sich aber ist allein der Wille: als solcher ist er durchaus nicht Vorstellung, sondern toto genere von ihr verschieden: er ist es, wovon alle Vorstellung, alles Objekt, die Erscheinung, die Sichtbarkeit, die Objektität ist. Er ist das Innerste, der Kern jedes Einzelnen und eben so des Ganzen: er erscheint in jeder blindwirkenden Naturkraft: er auch erscheint im überlegten Handeln des Menschen; welcher beiden große Verschiedenheit doch nur den Grad des Erscheinens, nicht das Wesen des Erscheinenden trifft.

§. 22.

Dieses Ding an sich (wir wollen den Kantischen Ausdruck als stehende Formel beibehalten) das als solches nimmermehr Ob jekt ist, eben weil alles Objekt schon wieder seine bloße Erscheinung, nicht mehr es selbst ist, mußte, wenn es dennoch objektiv gedacht werden sollte, Namen und Begriff von einem Objekt borgen, von etwas irgendwie objektiv Gegebenem, folglich von einer seiner Erscheinungen: aber diese durfte, um als Verständigungspunkt zu dienen, keine andere seyn, als unter allen seinen Erscheinungen die vollkommenste, d. h. die deutlichste, am meisten entfal= tete, vom Erkennen unmittelbar beleuchtete: diese aber eben ist des Menschen Wille. Man hat jedoch wohl zu bemerken, daß wir hier allerdings nur eine denominatio a potiori gebrauchen, durch welche eben deshalb der Begriff Wille eine größere Ausdehnung erhält, als er bisher hatte. Erkenntniß des Identischen in verschiedenen Erscheinungen und des Verschiedenen in ähnlichen, ist eben, wie Platon so oft bemerkt, Bedingung zur Philosophie. Man hatte aber bis jeht die Identität des Wesens jeder irgend strebenden und wirkenden Kraft in der Natur mit dem Willen nicht erkannt, und daher die mannigfaltigen Erscheinungen, welche nur verschiedene Species desselben Genus find, nicht dafür angesehn, sondern als heterogen betrachtet: deswegen konnte auch

kein Wort zur Bezeichnung des Begriffs dieses Genus vorhanden seyn. Ich benenne daher das Genus nach der vorzüglichsten Species, deren uns nåher liegende, unmittelbare Erkenntniß zur mit: telbaren Erkenntniß aller andern führt. Daher aber würde in einem immerwährenden Misverständniß béfangen bleiben, wer nicht fåhig wäre, die hier geforderte Erweiterung des Begriffs zu vollziehn, sondern bei dem Worte Wille immer nur noch die bisher allein damit bezeichnete eine Species, den vom Erkennen geleiteten und ausschließlich nach Motiven, ja wohl gar nur nach ab strakten Motiven, also unter Leitung der Vernunft sich äußernden Willen verstehn wollte, welcher, wie gesagt, nur die deutlichste Erscheinung des Willens ist. Das uns unmittelbar bekannte innerste Wesen eben dieser Erscheinung müssen wir nun in Gedanken rein aussondern, es dann auf alle schwächeren, undeutlicheren Erscheinungen desselben Wesens übertragen, wodurch wir die verlangte Erweiterung des Begriffs Wille vollziehn. — Auf die entgegengesette Weise würde mich aber der misverstehn, der etwan meinte, es sei zuleht einerlei, ob man jenes Wesen an sich aller Erscheinung durch das Wort Wille oder durch irgend ein anderes bezeichnete. Dies würde der Fall seyn, wenn jenes Ding an sich etwas wåre, auf dessen Existenz wir ́bloß schlössen und es so allein mittelbar und bloß in abstracto erkennten: dann könnte man es allerdings nennen wie man wollte: der Name stånde als bloßes Zeichen einer unbekannten Größe da. Nun aber bezeich net das Wort Wille, das uns, wie ein Zauberwort, das innerste Wesen jedes Dinges in der Natur aufschließen soll, keineswegs eine unbekannte Größe, ein durch Schlüsse erreichtes Etwas; sondern ein durchaus unmittelbar Erkanntes und so sehr Bekanntes, daß wir, was Wille sei, viel besser wissen und verstehn, als sonst irgend etwas, was immer es auch sei. Bisher subsumirte man den Begriff Wille unter den Begriff Kraft: dagegen mache ich es gerade umgekehrt und will jede Kraft in der Natur als Wille gedacht wissen. Man glaube ja nicht, daß dies Wortstreit oder gleichgültig sei: vielmehr ist es von der allerhöchsten Bedeutsamkeit und Wichtigkeit. Denn dem Begriff Kraft liegt, wie allen andern, zuleht die anschauliche Erkenntniß der objektiven Welt, d. h. die Erscheinung, die Vorstellung, zum Grunde. Er ist aus dem Gebiet abftrahirt, wo Ursach und Wirkung herrscht,

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