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der heißblütige Kriegsfürst war diesmal der Meinung, sich noch besserj Beute durch die eigene Faust zu erringen; er zog brandschaßend u plündernd in Franken umher, Verträge und Waffenruhe, die seine Ba bündeten geschlossen, nicht anerkennend; an den reichen Pfaffen von Wür burg und Bamberg und an den Pfeffersäcken von Nürnberg dachte a sich zu erholen. Dieser Brandenburger hat den Krieg auch im Somme| 1552 weiter geführt, auf eigene Rechnung, auf eigene Gefahr. Mar fann ihn zu keiner der großen Parteien im Reiche zählen. Eine glüc lichere Wendung aber nahmen die kaiserlichen Verhandlungen mit de Markgrafen Hans. Diesen Fürsten, der eigentlich zuerst und am ener gischsten die Idee einer Auflehnung gegen den kaiserlichen Religionstruc gefaßt hatte, versuchten vergebens die Bundesfürsten für ihre Ziele zu gewinnen. Ja, den kaiserlichen Agenten gelang es sehr bald, Wege und || Mittel ausfindig zu machen, die diesen heftigen Protestanten wieder einmal der kaiserlichen Politik dienstbar machten. Nach langen und schwierigen Verhandlungen erklärte Hans sich zuletzt wieder zu Kriegsdiensten für den Kaiser bereit21).

Auf diese Weije operirte Karl's Politik neben und hinter den Vermittlungsverhandlungen, die That möglich zu machen, nach der gleich Anfangs sein Sinn getrachtet. Wie er einst den Groll gegen den Papst Farnese, seinen Verbündeten, der sich gegen ihn gekehrt, in trigerischem Schein verborgen und mitten aus freundlichen Verhandlungen heraus mit einem Gewaltstreiche die Treulosigkeit des Papstes gerächt hatte, se ließ er auch jetzt den Bruder in seinen Verhandlungen mit dem untreu gewordenen Vafallen gewähren; aber auch jezt, — ich glaube, wir dürfen keinen Zweifel daran hegen, spähte dieser Kaiser auf Moment und Gelegenheit zur Züchtigung des sächsischen Kurfürsten. Es ist nicht unsere Absicht die Passauer Verhandlungen im Einzelnen zu verfolgen; aber wenn es innerhalb unserer Aufgabe liegt, die Stellung des Kaisers zu den Friedensverhandlungen genauer ins Auge zu fassen, so glaube ich es sofort hier recht nachdrücklich betonen zu sollen, daß bei jedem friedlichen Schritte, den Ferdinand dem Bruder abgerungen, Karl die Möglichkeit berücksichtigt und berechnet hat, zulegt der Verhandlung doch noch Gewalt gegen den Gegner vorzuziehen. Finden wir doch an feiner Stelle, daß Karl aufrichtig den Frieden gemeint hat: und nicht sein Wille, nur die Noth der Verhältnisse hat die That der Rache zurückgehalten.

21) Voigt I. 280. Die Verhandlungen des Kaisers wurden durch Schwendi und Böcklin geführt (ihre Berichte bei Lanz III.)

Etwas später, als man Anfangs beabsichtigte, am 1. Juni, überreichte Moritz der Versammlung in Passau die Forderungen des Aufstantes. Am 2. vereinigte man sich über die Weise der Verhandlung. Es ist charakterstisch und bezeichnet ganz genau den Umschwung der Verhältnisse in der Nation, es zeigt uns, wo der Schwerpunkt ihrer Geschicke damals zu suchen war: hier in Passau traten auf der einen Seite der Kaiser und auf der anderen Kurfürst Morit mit seinen Verbündeten als die Parteien auf. Zwischen ihnen aber stand die ganze Masse jener vermittelnden Reichsstände, welche die Nation vor dem Unglücke eines neuen, allgemeinen Krieges bewahren wollten: sie einigten sich zuerst unter sich über die den Parteien aufzuerlegenden Vorschläge, sie verhandelten dann mit König Ferdinand; und erst wenn diese Majerität der deutschen Fürsten sich mit dem römischen Könige zu terselben Meinung geeinigt hatten, erst dann wurden die Bedingungen. den hadernden Parteien zur Annahme mitgetheilt. Wir sehen, welch' ein Unterschied in diesen Passauer Verhandlungen und in der Geschäftsordnung der deutschen Reichstage waltet. War es hier doch dahin. gekommen, daß diesen Fürsten die Entscheidung zufiel; hatte sich doch hier das als das Resultat ergeben, daß die Fürsten zu derjenigen Partei stehen würden, die auf ihre Anschauungen eingehen wollte. Es stand hier die Alternative in Aussicht, entweder daß man allgemein sich gegen den Kaiser erheben oder daß die Nation den Rachestreich des Kaisers gegen Moritz unterstützen werde, es sei denn, daß man beite Parteien in den Vorschlägen der vermittelnden Fürsten vereinigt hätte 22).

Es gab ein paar Punkte, tie sich allmälig erledigen ließen. Wenn die kaiserliche Politik Nichts von einer Betheiligung Frankreichs an den Friedensverhandlungen wissen wollte, so brachte man auch bald die Fürsten dahin, den französischen Agenten abzuweisen: er konnte frch sein, ohne weitere Belästigung aus Passau zu entkommen. Und dann hatte doch gleich im Anfange dieser Bewegungen der Kaiser Aussicht gegeben, den Landgrafen frei zu lassen; es handelte sich nur um die Zusicherung, einmal, daß Philipp selbst keine Rache für das Vergangene nehme, und dann, daß die Bundesfürsten ihre Heere ohne Weiteres zu entlassen versprächen. Die Passauer hatten zuerst die Gleichzeitigkeit der Freilassung Philipps mit der Entlassung dieses fürstlichen

22) Reiches Material neben der Darstellung Rankes bietet über diese Dinge der 3. Band der Sammlung von Lanz: hier ist nur an wenigen Stellen das entscheidende Aktenstück besonders citirt worden.

Heeres aufgestellt; Ferdinand aber hatte dies dabin zu mildern gewes daß man den Landgrafen zuerst in die Hand einer dritten zuverlässiger. Person ausliefere, bis der Gegentheil seine Verpflichtung erfüllt babeAls nun Karl widerstrebend dies angenommen, fand sich, daß die Bez mittler und ganz besonders der Kurfürst von Köln, dem jene Rel eines Dritten zugedacht war, sich dagegen erklärten. Schließlich mu der Kaiser auch die Gleichzeitigkeit, auf der die Stände bestanden, sit gefallen lassen, hierin den Wünschen Ferdinands sich fügent.

Man brachte dann alle jene Beschwerden der Nation vor, die dez Druck der spanischen Gewaltregierung aufgeregt und angehäuft hatte. Aber wenn nun auch im Allgemeinen der Kaiser seine Geneigtheit zur Abhülfe wirklich nachweisbarer Rechtskränkungen erklärte, se wellte er doch nicht einige wenige Reichsstände als Richter anerkennen über die Atte seiner Regierung: es sei Sache des Reichstages, hierin Bitten und Beschwerden vorzutragen, wie ja auch der Reichstag einige der vergebrachten Klagepunkte früher ausdrücklich gebilligt habe. Der Kaiser gab hierin nicht nach: freilich zeigte er sich bereit in einzelnen Dingen schen zu helfen. Aber seine Bedeutung erhielt dieser Punkt erst durch die Verbindung, in die man ihn zur Religionsfrage sette.

Der Kern der ganzen Verhandlung, die Frage, deren Lösung die Nation gebieterisch forderte, war auch diesmal der Religionspunft Und hierin traten sefert die tieferen Gegensätze zu Tage, in welchen Green und Tendenzen der beiden Parteien sich bewegten. Wie ter Kaiser an dem Gedanken der kirchlichen Einheit festhielt, so war rie Majorität der Nation, ohne jeglichen Zweifel in ihrem Sinne protestan= tich, durchaus abgeneigt diesen Tendenzen des Kaisers. Kurfürst Morig forderte mit klaren und bündigen Worten ein Zurückgehen auf die Geseze des Speierer Reichstages von 1544, jene Gesetze, deren Frucht ein allgemeiner, unantastbarer, ewiger Religionsfrieden sein mußte 23).

Wir haben früher gesehen, daß die Entwicklung der religiösen Angele genheit in Deutschland schon lange von den Bahnen abgewichen war, die zu ciner nationalen Kircheneinheit hingeführt hätten. Selbständigkeit der Landeskirchen, territoriale Mannigfaltigkeit der Religionen, Toleranz und Friede zwischenden Kirchen waren so die Ziele geworden, zu denen man nach dem Verluste der Einheit hinstreben mußte. Unter den Combinationen der äußeren Lage war schon einmal die Nation diesem Ziele nahe gekommen; und wenn man damals friedliche Versuche der Annäherung und Aus

23) Ranke V. 206 ff.

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eichung gemacht hatte, so war doch auch damals schon die Idee aufgestiein, in jedem Falle friedlich neben einander zu wohnen. Aber in diese ntwickelung war des Kaisers spanische Religionspolitik hineingefahren, it wuchtigen Schlägen diesen Friedenstempel zu zerstören und die Deutschen, Katholiken wie Protestanten, wieder in die Eine Kirche zuimmen zu zwingen. Wir haben gesehen, welche Erfolge eine Zeit ing dies Werk des spanischen Meisters gekrönt haben. Hier in Sassau droht aber plötzlich bei dem ersten Stoße das neue Gebäude er kaiserlichen Kircheneinheit zusammenzufallen: auf's neue treten uns us den gestürzten Elementen jene Ideen der Selbständigkeit in religiösen Dingen und des allgemeinen Religionsfriedens entgegen. Wie natürlich uns heute ein solcher Religionsfriede auch erscheinen mag, vir dürfen uns nicht wundern, daß Kaiser Karl vor dem Gedanken urückbebte, auf solche Greuel hören oder gar eingehen zu müssen: es wäre doch eine Niederlage seines Prinzipes gewesen, des Grundsages cer Kircheneinheit, für den er so mannhaft gestritten, gehandelt, gesiegt hatte: es wäre eine Zurücknahme aller seiner Errungenschaften aus den letzten Jahren gewesen, seines Interims und seines Conziles. In der That, auf dem Standpunkte, auf dem das Leben dieses Kaisers beruhte, fonnte Karl dem Friedenswunsche der Deutschen nicht nachgeben.

Die Forderungen der Protestanten wurden allerdings in dem Congresse etwas abgeschwächt, aber dies Eine blieb doch das Resultat, daß man für alle religiösen Verhandlungen die Basis unbedingter Toleranz, eines unbedingten Religionsfriedens festhielt. Und die kaiserlichen Agenten in Passau, die Gelegenheit hatten, die wahre Lage der Dinge kennen zu lernen, konnten nicht umhin, dem Kaiser vorzustellen, daß die Forderung nach einem solchen Religionsfrieden eine durchaus allgemeine sei 24): man sei einverstanden damit, die Beilegung der religiösen Differenzen auf die Entscheidung eines Reichstages zu verweisen, aber man bestehe von allen Seiten darauf, und hierin seien Protestanten, Katholiken und selbst die geistlichen Fürsten Eines Sinnes, daß ein allgemeiner Friede, ein immerwährender Friede, der den Katholiken und den Augsburger Confessionsverwandten gleiche Berechtigung zuweise, nicht länger umgangen werden könne. Diese kaiserlichen Gesandten bemühten sich, auf alle Weise ihrem Herrn die Pille schmackhaft zu machen; ja, sie gingen soweit, dem Kaiser auszusprechen, wenn er ablehne, werde er allein

24) Rye und Seld 15. Juni. Lanz 3, 263 ff. eins der wichtigeren Documente von allgemeiner Bedeutung.

Maurenbrecher, Karl V.

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und nur mit seinen eigenen Kräften die Last eines Krieges gegen r überwiegende Majorität der deutschen Nation führen müssen. Und aut König Ferdinand fennte dem Bruder nur den Rath ertheilen, die Ver einbarung ohne Weiteres anzunehmen: er suchte den Kaiser durch eine in brüderlichem Tone gehaltene Zuschrift vertraulichen Meinungsaré tausches dafür zu gewinnen25). Wenn er dem Bruder dabei vorredete, t:z auch seine Neigung ihn lieber zu einem energischen Kriege gegen den Auf stand treibe, so sezte er doch auch sofort hinzu, wie unmöglich in diese::|| Augenblicke ein solcher Krieg sei; auch er beschwor den Bruder, einji weilen der Nothwendigkeit nachzugeben und die vorgelegten Bedingungent anzunehmen; es werde sich ja leicht, wenn man erst die französis Macht besiegt habe, Gelegenheit bieten, auch in Deutschland das augenblicklich Aufgegebene wieder einzubringen und die aufgeschobene Rati an dem treulesen Fürsten später nachzuholen.

Aber Alles hat auf den Kaiser keinen Eindruck gemacht. In s ner Rückäußerung hatte er eine Reihe von Bedenken vorzubringen, aber alle einzelnen Einwendungen überwog bei weitem der prinzipielle Anstoß, den er an jenen religiösen Vorschlägen finden mußte 25). Er gab wohl zu, daß er augenblicklich weder die Mittel noch die Neigung habe, die Protestanten mit Krieg zu überziehen, aber er wollte ic nicht die Verpflichtung auflegen lassen, für immer auf dies lezte Ans funftsmittel zu verzichten.,,Kein Stand würde,“ rief er aus, von seinem Glauben trennen, das Interim würde zu Boden fallen, alle religiöse Vergleichshandlung würde unnüg sein, wenn nicht ein Zwang in Aussicht stände." Ueberhaupt machte er den rechtlichen Gesichtspunkt geltend, daß er einen Reichstagsschluß nicht einseitig um stoßen dürfe; er trug darauf an, die Frage auf den nächsten Reichstag zu verschieben; er wollte sich gerne dazu verpflichten, genau das zu befolgen, was man dort auf ordnungsmäßigem Wege (d. h. durch Uebereinkunft des Kaisers und aller Stände) an den bestehenden Ortnungen ändern werde. Karl war damals entschlossen, nicht weiter nachzugeben, sondern in etwa drei Wochen schon die Protestanten mit Gewalt zu überfallen. Und wir lernen sein Verhalten genau kennen in der dreifachen Alternative, die er dem Bruder zur Begutachtung und Beschlußnahme vorlegte: entweder würden die Stände sich jenen Aen derungen des vorgeschlagenen Vertrages fügen und so des Kaisers Aus

25) Ferdinand 22. Juni. ebd. 279. 287.

26) Karl 30. Juni. ebd. 312 ff.

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