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Schreckensregiment gegen unsere ehemaligen Bundesbrüder zu decken.

Als das einzig sichere Kriterium für die richtige Lösung der deutschen Frage haben wir von jeher die Befreiung unseres Volks von der verderbenden Militär- Ueberlast betrachtet. Nicht mehr Soldaten sondern weniger Soldaten mußte ein wahrhaft wiedergebornes Deutschland zählen. Ein solches Deutschland brauchte nicht bis an die Zähne gerüstet zu seyn, um dem Ausland zu imponiren und vor seinen Grenzen ringsum den tiefsten Respekt einzuflößen. Unter dem Einfluß eines solchen Deutschland hätte vielmehr ganz Europa entwaffnet und die Arbeiten des ewigen Friedens aufgenommen. Jezt hingegen denken alle großen und kleinen Mächte an die Verdoppelung ihrer stehenden Heere. Ein Land nach dem andern verwandelt sich in eine ungeheure Kaserne und wenn es so fortgeht, so wird der Continent bald ausschließlich mit Militärstaaten und in folgerichtiger Entwicklung mit Militärdespotien bedeckt seyn. Es ist ein enormes Unglück welches Preußen durch die unwürdige Ausnüßung seines Sieges über die europäische Menschheit gebracht hat, und im Namen der Humanität wird dieser Militär-Epidemie die Schranke gezogen werden müssen.

Allmählig fehlt es nicht an Zeugnissen, daß selbst in den alten preußischen Provinzen die Bevölkerung den Druck des neuen Verhältnisses schmerzlich empfindet. Trotz der langen Gewohnheit hat das preußische Volk die enormen Militärlasten nur deßhalb so geduldig ertragen, weil es hoffte zur Erreichung besserer Zustände in Deutschland mitzuhelfen, nach Erreichung des Ziels aber von der unerträglichen Last befreit zu werden. Unter diesem Gesichtspunkt haben die Parteien dereinst ihre deutsche Politik und hat die Regierung selbst ihre Armeereform von 1860 gerechtfertigt. Anstatt dessen spannt nun Preußen den Militarismus in ganz Norddeutschland immer noch höher und es ist schlechthin ein gutwilliges Ende desselben nicht abzusehen. Vielmehr

verlangt die Berliner Politik von den süddeutschen Staaten, daß auch sie die ihrer ganzen Natur widerstrebende Bürde einer auf preußischem Fuß eingerichteten Militär-Organisation auf sich nehmen sollen, und nur einstweilen begnügt man sich damit, durch unsere diplomatische und handelspolitische Abdankung den Alpdruck mit dem das Unwesen des Großpreußenthums auf Europa lastet, verstärkt zu haben.

Und wenn diese enormen Opfer uns wenigstens eine imponirende Stellung gegenüber dem Ausland verliehen hätten dann ließe sich im Hinblick auf die deutsche Idee Alles noch verschmerzen. Aber das Gegentheil ist der Fall. Dafür liegt der augenscheinliche Beweis in dem Ausgang des Streites wegen Luxemburg. Ein uralt deutsches Land ist für den deutschen Namen und die deutschen Grenzen verLoren: hierin besteht die erste Leistung die Preußen als Ersagmann des alten Bundestags geliefert hat und diese erste Leistung wird nicht ohne Nachfolge bleiben. Schon steht Nordschleswig auf der Tagesordnung. Was haben die Parteien dereinst für ein betäubendes Geschrei erhoben für „Deutschland bis zur Königsau“; der alte Bund hat wirklich die deutsche Fahne bis an die Königsau getragen; der neue Bund aber muß nun bestrebt seyn Dänemark durch Wiederabtretungen zu befriedigen, ehe der französische Imperator mit der Pariser Weltausstellung fertig seyn wird. Denn es ist vorauszusehen, daß die Tuilerien dann andere Saiten aufziehen werden, so sehr sich auch die stolzen Machthaber in Berlin zuvorkommende Mühe geben und demüthige Schritte thun, um Frankreich mit dem neuen Zustand der Dinge in Deutschland zu versöhnen.

Preußen fürchtet den Zusammenstoß mit Frankreich: das hat die jüngste Geschichte der europäischen Diplomatie zweifellos herausgestellt. Troß aller Opfer die wir von unserer staatlichen Unabhängigkeit der preußischen Politik bringen, wird man in Berlin nicht aufhören den Zusammenstoß mit Frankreich zu fürchten: das weiß der Gebieter in den Tui

lerien und er wird seine Anforderungen darnach einrichten. Preußen wird entweder, um sein großpreußisches Schäflein ins Trockene zu bringen, das deutsche Recht und die deutsche Ehre vollends in den Wind schlagen; oder der gefürchtete Zusammenstoß wird dennoch erfolgen, ein kriegerischer Zusammenstoß von 140 Millionen Menschen, wie der englische Minister jüngst ganz richtig bemerkt hat. Dann aber wird Preußen uns nicht helfen können, es wird Süddeutschland sich selbst überlassen müssen. Im Frieden wie im Kriege wird das Opfer unserer diplomatischen und handelspolitischen Abdankung weder uns noch der deutschen Sache nüßen. Im Falle gütlicher Verständigung zwischen den zwei Mächten würde unsere staatliche Eristenz der Preis des Schachers mit Frankreich seyn; im Falle des Kriegs würden wir troßdem auf uns selber angewiesen bleiben.

Es ist ganz bezeichnend für unsere Lage, daß von München aus der amtliche Trost zur Beruhigung herumgegeben wird: Bayern denke gar nicht an den Eintritt in den norddeutschen Bund und auch Preußen denke nicht an einen solchen Anschluß, um so weniger als derselbe für Frankreich unmittelbar ein casus belli wäre. Also Preußen dürfte die Mainlinie nicht überschreiten, wenn es auch wollte — aus Furcht vor Frankreich! Das ist die Glorie, welche der Nation von dem deutschen Beruf" Preußens bereitet worden ist; die innern Angelegenheiten der deutschen Nation fanden sich nie in beschämenderer Abhängigkeit vom Ausland als jezt, unter der Aegide der „verstärkten Hohenzoller’schen Hausmacht."

Zunächst fragt es sich schon, ob nicht auch die neue Organisation des Zollvereins und gerade sie erst recht in Paris als eine vertragswidrige Ueberschreitung der Mainlinie betrachtet werden wird, als eine neue Finesse des Grafen Bismark, wodurch es ihm möglich wäre Süddeutschland für preußische Zwecke auszubeuten ohne die entsprechenden Lasten des Anschlusses zu tragen. In der That hat man es sich

zu Berlin sehr bequem gemacht mit uns: wir dienen in's Hohenzoller'sche Haus ohne dort Jemand zu incommodiren, und die Gegenleistung berechnet sich auf nichts. Es wird denn auch verhältnißmäßig nicht leicht seyn in Paris den Beweis zu führen, daß uns noch die „unabhängige internationale Eristenz“ zukommt, welche der Prager Friede für Süddeutschland vorschreibt.

Der muß einen beneidenswerthen Glauben haben, welcher solche Zustände für eine europäische Möglichkeit ansieht. Der furchtbare Schlag von Sadowa war das läßt sich jezt mit Händen greifen noch lange nicht die Katastrophe welche Deutschland unter allen Umständen zu überstehen hatte, um zu einer definitiven Neugestaltung zu gelangen. Die rechte Katastrophe liegt noch in der Zukunft. Wie Preußen dieselbe zu bestehen oder zu beschwören gedenkt, das wissen wir nicht, vielleicht wissen es die Berliner Staatsmänner selber nicht. Das aber ist gewiß, daß es für uns nur Einen nicht höchst unglücklichen Ausweg gibt, den mit Hülfe Oesterreichs. Unser ceterum censeo und das Thema unserer nächsten Betrachtung.

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VII.

Peter Cornelius.

V. Cornelius' Aufenthalt in Berlin.

Der große Meister war innerlich während seines Münchener Lebens noch nicht zur vollen Läuterung und Neife gelangt. Der Cult der ihm dort gezollt wurde, die WeihrauchWolken die seine Person meist umgaben, konnten nicht verfehlen seinen Geist doch zu erheben, zum stolzen Selbstbewußtseyn zu veranlassen; sie hinderten ihn sich und die Wahrheit unverschleiert zu erkennen. Das mußte anders werden. Er mußte noch einen Trank erhalten, wenn auch einen bittern, der seine Seele reinigen und läutern, der sie mehr zu Gott, zum Heiligen und zur Kirche, der Schazkammer der göttlichen Gnaden, hindrängen sollte.

Dazu führte ihn die erbarmende Hand Gottes nach Berlin. Das war für seine Seele der Reinigungsort! In München war Cornelius Direktor einer reichbeseßten und berühmten Akademie, einer der Mittelpunkte der geistigen Strömungen, mächtiger Freund des Königs, hochverehrt und gesucht von Nah und Fern, während er in Berlin zunächst als Privatmann dastand, ohne Anstellung, bald angefeindet, geringgeschätzt, verkleinert, ohne öffentliche, monumentale, effekt

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