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gabe unterzogen die Regierung des verstorbenen Königs einer freimüthigen historischen Kritik zu unterwerfen. Vielleicht gibt es im ganzen Bereich der neuesten Geschichte keinen Punkt auf dem dichtere und dumpfere Nebel des Vorurtheils und bestochener Parteiansichten lasten als auf dieser Regierung, und in solchen Nebeln tastend und tappend ist unser schönes Bayerland zu dem schweren Fall gekommen, den es gethan. Hat aber die nun der Geschichte anheimgefallene Periode des Königs Mar so außerordentliche Wichtigkeit für uns, dann kann es uns auch nur erwünscht seyn, wenn jede unserer thatsächlichen Angaben von Außenstehenden ernstlich geprüft wird. Insoferne wissen wir denn auch Herrn Dr. H. Thiersch für seine Aufmerksamkeit aufrichtigen Dank.

Was aber die vermeintliche Berichtigung betrifft, so haben wir nur in einem nebensächlichen Betreff unsern Jrrthum zu bekennen. Wir meinten: Herr Staatsrath von Pfistermeister werde sich wohl noch erinnern". Der Herr Staatsrath aber erinnert sich nicht. Dagegen ist nun nichts einzuwenden und am Ende ist auch gar nichts daran zu verwundern. Der damalige Chef des königlichen Kabinets war ein unendlich geplagter und viel beschäftigter Mann. Staatsrath von Abel hingegen war keinerlei Zerstreuungen mehr ausgesezt. In seinem Krankenzimmer sah er nur noch einige treuen Freunde aus früheren Tagen und vielleicht dann und wann einen Sonderling, der mit gefallenen Größen immer noch mehr sympathisirte als mit stehenden Mittelmäßigkeiten. In dieser Einsamkeit mußten vereinzelte Berührungen mit der officiellen Welt, namentlich solche von so eigenthümlicher Natur wie die hier in Nede stehende, den Geist des einst gewaltigen Staatsmannes um so lebhafter beschäftigen. Und in Wirklichkeit haben nicht wir allein die bestrittene Thatsache aus seinem Munde vernommen. Wir haben Zeugen, und wir halten unsere Angabe, soweit sie das Faktum betrifft, in ihrem vollen Umfange aufrecht.

Dem Zeugniß des Herrn Staatsraths glauben wir damit, wie gesagt, nicht zu nahe zu treten. Dasselbe beantwortet ohnehin mehr als Herr Thiersch jun. gefragt hat, und es behauptet mehr als der verehrte Briefsteller menschenmöglicher Weise wissen kann. Wer hat ihm denn gesagt und wer konnte ihm sagen, daß der verlebte König sich mit dem ältern Thiersch nie über Freimaurerthum besprochen habe, und daß die Fragen über welche beide zu verkehren pflegten, „auf ganz andern Gebieten lagen?" Hätte der Herr Staatsrath nur einen eingehenderen Blick in die zwei Bände des Thiersch'schen Lebens geworfen, so wäre ihm eine solche Behauptung sicherlich ganz unmöglich geworden. Das höchst interessante Werk des jüngern Thiersch selber hätte ihn am besten vor der Gefahr bewahrt, zu viel beweisen zu wollen.

Wir wiederholen daher, daß wir keinen Grund haben, die von uns berichtete Thatsache zu widerrufen, außer soweit wir uns auf das Erinnerungsvermögen des Herrn Staatsraths von Pfistermeister berufen haben.

VI.

3 eitläufe.

Der fortschreitende Mediatifirungs- Proceß im deutschen Süden.

Als die Mehrheit der zweiten bayerischen Kammer am 24. April 1865 in der Lage war, zu der vollendeten Thatsache des preußisch-französischen Handelsvertrags wohl oder übel Ja zu sagen, da erschöpfte sich der Minister Baron von der Pfordten in kräftigen Trostgründen über diese, wie er zugab, allerdings sehr unangenehme Nothwendigkeit, Er verwahrte sich insbesondere gegen den Gedanken, daß die neueste Entwicklung im Zollverein die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit des eigenen Landes bedrohen könnte. "Die Unabhängigkeit, die Selbstständigkeit dieses glücklichen Landes, das Wohl dieses Volkes und die Aufgabe dieses Volkes für die Zukunft Deutschlands zu wirken, und die Kraft desselben für dieses Ziel zu wirken, werken wir dem Zollverein nie und nimmer zum Opfer bringen, und das wird keine bayerische Regierung thun, mögen ihre Organe seyn welche sie wollen." So sprach Baron von der Pfordten..

Ein wie trauriger Prophet der einst so maßlos überschäßte Minister in der vorliegenden wie in mancher anderen Frage gewesen, das haben wir jezt vor Augen. Die Verhandlungen welche in diesem Augenblicke zu Berlin über die

neue Organisation des Zollvereins gepflogen werden, bedingen einen neuen Verzicht auf die Freiheit der politischen Entschließungen Bayerns. Und zwar einen Verzicht welcher dem Lande unmittelbar viel schwerer fallen muß als die drückende Thatsache des militärisch - politischen Verzichts in dem Vertrag vom 22. August. Denn um es kurz zu sagen: über das materielle Wohl und Wehe des Landes, welches der Minister vor zwei Jahren noch ein „glückliches" nennen konnte „glücklich" wie sich von selbst versteht, durch das Verdienst und die verständige Fürsorge der Regierung - wird fortan nicht mehr in München in Letter Instanz entschieden werden sondern in Berlin. Was den materiellen Verhältnissen Bayerns frommt oder nicht frommt, was unsere Landesökonomie fördert oder sie benachtheiligt, das wird ein erleuchtetes Handelsministerium in München nach wie vor zwar wissen; aber nichts wird im neuen Zollverein durchgesezt und nichts verhindert werden können als was Preußen will oder nicht will. Also abermals die Geschichte vom Hund und seinen Flöhen.

Nach dem Vertrag vom 22. August hat Bayern aufge= hört im diplomatischen Sinne zu den souverainen Ländern zu zählen. Aber die Wirkung des Verzichts träte doch nur ein von Fall zu Fall. Wir sind vertragsmäßig verpflichtet in den Feinden Preußens ohne weiters auch unsere Feinde zu sehen und zur Bekämpfung derselben die bayerische Militärmacht unter das preußische Obercommando zu stellen. Aber es ist dabei doch stillschweigend verstanden, daß der gemeinsame Feind kein anderer als Frankreich seyn werde, und es liegt in der Natur der politischen Dinge, daß die erste unglückliche Schlacht, südlich oder nördlich des Mains geschlagen, den Vertrag vom 22. August verschwinden machen würde. Auch ladet uns der vielbeklagte Vertrag für den Moment weiter keine lästigen und drückenden Bedingungen auf, wenn wir anders klug genug sind den militärischen Raptus der seit Sadowa aller Welt den Kopf verrückt, erst

verdunsten und abkühlen zu lassen, ehe wir zu einer die finanziellen Kräfte des Staats und der Landesökonomie übersteigenden Militärorganisation uns herbeilassen, bloß um der schönen Augen des Grafen Bismark willen. Mit Einem Wort: so demüthigend auch der militärisch-politische Verzicht vom 22. August für uns ist, es ließe sich mit Preußen troßdem immer noch reden. Aber ganz anders steht die Sache bei unserer neuesten Unterwerfung, bei der Beugung unter die neue Organisation des Zollvereins.

Das ist kein Vertrag auf Kündigung, sondern es ist eine Institution deren absorptive Kraft wir vom ersten Moment an zu verspüren haben werden. Eine Institution bei der alle Vortheile auf preußischer Seite liegen und die Anderen der finanzpolitischen Plusmacherei des norddeutschen Bundesherrn auf Discretion preisgegeben sind; eine Institution bei der alle Andern ihr Veto einbüßen mit Ausnahme des Mächtigsten im Bunde, der sich sonach ohnehin schon in der gebornen Majorität befände. Man muß gestehen: wenn es jemals einen Löwenvertrag gegeben hat, so ist's der; und wenn es jemals nur aus dem eiskalten Hohn unserer Zeit zu erklären ist, daß die Wissenden und Könnenden unbedenklich wagen dürfen dem schneidendsten Despotismus vor den Augen des großen Haufens die phrygische Müße aufzusehen, dann ist es hier. Ich meine die parlamentarische Verbrämung des neuorganisirten Zollvereins; wozu das Possenspiel? Wollte man das Wesen der neuen Institution in einfachen und ehrlichen Worten ausdrücken, so müßte man sagen: die oberste Leitung der bayerischen Finanzen und Volkswirthschaft ist nach Berlin verlegt und die maßgebende Richtschnur dieser Leitung ist einzig und allein das preußische Bedürfniß.

Die neue Institution des Zollvereins fängt damit an, daß sie unser Land mit neuen Steuern auf den Consum beLastet, die noch vor Jahr und Tag als eine wirthschaftliche Unmöglichkeit erachtet worden wären. Es ist unfraglich,

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