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Alles nocheinmal auf's Spiel zu seßen. Luremburg scheint zu beweisen, daß diese Vorsicht noch immer der beste Theil der preußischen Tapferkeit ist. Immerhin darf man nicht_ver= gessen: wenn sich die Gewalthaber in Berlin den französischen Bedingungen in Beziehung auf Nordschleswig und SüdDeutschland fügen, wäre auch hier die Näumung von Mainz und dort die Rückabtretung von Düppel - Aljen sammt den preußischen Heldengräbern mitverstanden so würde sich zwar das deutsche Gefühl dagegen empören, keineswegs aber das großpreußische.

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Freilich würde sich damit das Gelöbniß der preußischen Thronrede vom 24. Februar schwer vereinigen lassen, „den weiten Gebieten von den Alpen bis zum Meer die Grundbedingungen des staatlichen Gedeihens zu gewähren, welche ihnen der Entwicklungsgang früherer Jahrhunderte verkümmert hat." Auch das ist nicht zu läugnen, daß es unserer FortschrittsPartei entseßlich schwer werden müßte, noch länger die Identität der preußischen Politik mit der deutsch-nationalen Idee zu behaupten, und immerzu in Abrede zu stellen daß man in Berlin zwar Preußen groß mache, aber Alles nur kein Deutschland. Allein Großpreußen könnte sich damit trösten, aufgeschoben sei ja nicht aufgehoben; und es würde sich dann nur fragen, wie lange das verzweifelnde, moralisch angeekelte Volk mit dem leeren Trost sich hinhalten ließe.

Unter solchen Bedingungen kann Deutschland Frieden haben, einen bewaffneten freilich und provisorischen längstens bis zum Zusammenbrechen der Türkei. Sonst erübrigt nur der Appell an's Schwert, wenn es Preußen nicht in der zwölften Stunde noch gelingt Desterreich auf seine Seite zu ziehen troß Salzburg und Moskau. Das Mittel dazu läßt sich kurz bezeichnen: Rückkehr von der großpreußischen zur national-deutschen Idee. Wir werden nun sehen!

XXV.

Studie über den Kaiser Karl V. *)

(Schluß.)
V.

Es erweckt ein schmerzliches Gefühl bei den modernen Halbwissern, die sich Geschichtschreiber nennen weil sie Aktenstücke lesen können, die Anklage zu vernehmen, daß der Stolz und der Fanatismus den spanischen Karl gehindert habe in einen Religionsfrieden zu willigen. Ja freilich, dieses eine lezte Wort klingt so schön, und jene anderen so herb! Allein warum doch erzeigen diese Ankläger dem Kaiser, den sie tadeln, nicht die Gerechtigkeit auch dasjenige zu hören, nicht was Andere von ihm, sondern was er selbst über sich gesagt hat. Wo die eigene Rechtfertigung oder der Versuch dazu von einer solchen Persönlichkeit vorliegt wie von dem Kaiser Karl V.: da muß zuerst und vor allen Dingen dieser Versuch geprüft werden, um so mehr wenn, wie hier, das ausdrückliche eigene Zeugniß des Kaisers vorliegt, daß er in der Sache rede und handle ohne fremden Rath, weil die Verant

*) Von einem protestantischen Forscher.

wortlichkeit eines solchen Rathes Niemand auf sich nehmen wolle.

Karl war das Oberhaupt der Gesammtheit der Deutschen, der berufene Schußherr der Rechte Aller und jedes Einzelnen. Der sogenannte Friede den man von ihm forderte, die Anerkennung des Besigstandes, konnte nur gemacht werden zu Gunsten derer die ihn überfallen, auf Kosten derer die friedlich gesessen. Nicht bloß von seinem eigenen Rechte als Oberhaupt sollte Karl etwas nachlassen: er der als das höchste Ziel der weltlichen Regierung immer die Rechtspflege empor gehalten, sollte nun freigebig seyn mit den Gütern kirchlicher Stiftungen, die das Recht hatten auf seinen Schuß! Er der als Kaiser gelobt und geschworen, die Kirche zu schüßen und zu vertheidigen, sollte nun anerkennen, daß den Fürsten des Reiches das Recht zustehe von ihren Unterthanen, ob willig ob unwillig, ein Religionsbekenntniß zu fordern nach ihrem eigenen Sinne! Und das Alles sollte er thun, weil einige dieser Reichsfürsten alle Bande der Ehre, Pflicht und Treue zerrissen, weil sie ihn und das Reich an den auswärtigen Feind verrathen, ihm selber nach Leben und Freiheit getrachtet er sollte es thun, nur damit sie ihn nicht mehr hinderten das Reich und sie selber mit auf seine Kosten und durch seine Mittel zu vertheidigen gegen den Feind welchen sie gerufen, welchem sie die Thore des Reiches geöffnet, welcher selbst sie für ihren Treubruch gegen den Kaiser bezahlte.

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Hören wir den Kaiser selbst, wie er die Lage der Dinge auffaßt und wie er persönlich seinem Bruder über seine eigene Stellung Rechenschaft gibt*).

„Ich verzichte gern darauf, sagt der Kaiser, von diesen Fürsten Hülfe zu fordern zum Schuße von Deutschland gegen Frankreich. Auch will ich Anderes nachgeben. Allein man verlangt von mir noch mehr. Van verlangt nicht bloß die Frei

*) Lanz III. 319, vom 21. Juni 1552.

laffung des Landgrafen: man verlangt auch, daß ich die Klagen am Reichskammergerichte gegen ihn niederschlage. Ich kann es nicht; denn es ist gegen die Ordnungen des Reiches. Ueberhaupt ist das der Grundzug dieser Forderungen an mich: die Partei verlangt von mir, daß ich mit absoluter Gewalt verfahre gegen die Ordnungen und Abschiede des Reiches, in soweit nämlich ein solches Verfahren ihnen beliebt, ihrem Partikularinteresse auf Kosten des Gemeinwohles entspricht. So ist es namentlich mit ihrem Verlangen in Betreff der Religion. Die Beilegung des Streites derselben soll verwiesen werden auf den nächsten Reichstag. Damit bin ich einverstanden. Allein man macht den Zusah, daß auch im Falle der Nichteinigung der Stillstand bleiben solle. Und dieses kann ich nicht gewähren."

"

Es ist nicht meine Absicht, Krieg gegen sie zu erheben. Auch habe ich ja gegenwärtig dazu nicht die Mittel. Ja sie sehen, daß ich, ungeachtet des Schimpfes den sie mir angethan, noch nicht die Waffen gegen ste ergriffen habe. Und ich möchte sogar ihr Verfahren entschuldigen, wenn ich das irgendwie vermöchte. Dennoch kann ich, wie immer die Dinge liegen, nicht in den Zwang einwilligen, daß ich niemals das Heilmittel versuchen soll. Eine solche Einwilligung wäre wider meine Pflicht. Sie würde ohne Rücksicht auf die Reichsstände, welche dabei hoch betheiligt sind, die Abschiede der beiden lezten Reichstage umstürzen. Ich habe dazu nicht das Recht. Und auf keinen Fall und für nichts in der Welt werde ich, wie ich Euch so oft ge= sagt und geschrieben, etwas wider Pflicht und Gewissen thun, noch dasjenige halten was in meinem Namen so versprochen würde; denn es wäre wider meinen Willen und würde mich zu nichts verbinden. Aber damit jene Stände ersehen, daß nicht ich bei irgend einer Gelegenheit in Deutschland einen Krieg er= regen will: so bin ich bereit mich auf jede Weise welche sie verlangen mögen, in der Religionssache zu allem zu verpflichten was auf dem nächsten Reichstage beschlossen wird. Ueberhaupt ist dieß das einzige Mittel. Die Versammlung in Passau hat nicht das Recht sich über den Reichstag hinwegzusetzen. Was von meinem Willen allein abhangt, das werde ich thun, und zwar ohne Zorn gegen diejenigen welche mich persönlich gekränkt haben."

"Ich sehe freilich wohl, daß die Mehrzahl bemüht ist die kaiserliche Autorität zu schwächen. Wenn sie denn untergehen soll und dieß ja ist das Ziel auf welches sie steuern troz aller ihrer Worte so will ich doch nicht, daß es geschehe unter mir."

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„Aber ich will gern jegliche Sicherheit geben und versprechen, wie ich es genau erfüllen will, daß wenn Jemand etwas gegen mich hat, ich ihn auf dem nächsten Reichstage von jest an in sechs Monaten bereitwillig hören, und ihm Rede stehen will auf das was man mir zur Last legt. Ich werde in allem was ste mir vorwerfen wollen, so handeln, daß sie anerkennen sollen: ich sei mehr bemüht um das Gemeinwohl des heiligen Reiches und die Wohlfahrt der Stände desselben, als um mein besonderes Interesse."

"Das Verhalten der geistlichen Reichsstände, wie Ihr es in Passau bei den Vermittlern seht, entspricht dem bisherigen. Die Erfahrung hat mir bewiesen, daß ich von ihnen eine Hülse gegen die Rebellion nicht zu erwarten habe. Ihre Vermittelung ist zu Gunsten des Morig und seiner Partei."

Ich möchte nicht, daß Ihr von mir dächtet, meine Weigerung gehe hervor aus der Abneigung dieser Partei das Unrecht gegen mich zu verzeihen, und dadurch mir das Verdienst zu erwerben welches Ihr mir ausmalt. Ihr sagt, das Nachgeben fei keine Schande für mich. Gewiß, ich versichere Euch, wenn es sich nur um die Schande handelte: so würde ich, wenn dafür der innere Friede von Deutschland zu erlangen wäre, sie zu überwinden wissen, und um des Gemeinwohles willen das mir persönlich angethane Unrecht verzeihen. Aber hier ist mehr als Schande: hier ist Beschwerung des Gewissens, die ich nicht auf mich nehmen kann.“

„Auch ist es nicht so leicht wie Ihr sagt, daß ich durch die Annahme dieses Artikels volle Freiheit erhalte mich gegen den König von Frankreich zu wenden und ihn zu züchtigen. Ich ers kenne an, daß dieß das beste Heilmittel wäre; denn er ist der Urheber aller unserer Verwirrungen. Allein meine Macht reicht nicht aus. Eher erkenne ich an, daß der Vertrag Euch vortheilhaft seyn würde für die Befreiung Eurer Königreiche und Länder von den Türken. Um diesen Preis könnte ich mich

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