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sprechen: „den bürgerlichen Verhältnissen“ derselben. lange also eine Anzahl von Personen nicht im geringsten rechtlich als Gesellschaft auftritt, so lange ihre Beziehungen zueinander lediglich durch das Gewissen bestimmt und bewirkt werden, ohne irgendwie in die Rechtssphäre hinüberzutreten, so lange darf man das Religionsedikt nicht wider sie geltend machen, denn es will ja nur die bürgerlichen Verhältnisse der geistlichen Gesellschaften ordnen. So und nur so kann eine gesunde Interpretation der bayerischen Gesetzgebung sprechen.

Wir können uns übrigens hiefür auf mehrere Analogien berufen. Der §. 6 des Ediktes macht die Freiheit in der Wahl des Glaubensbekenntnisses vom Eintritte der geseßlichen Volljährigkeit abhängig. Hierüber entstand bekanntlich heftiger Kampf. Wie wurde der Sturm endlich beigelegt? Man machte eine doktrinelle Interpretation, welche die Ungiltigkeit der Religionsänderung Minderjähriger nur auf die politischen und bürgerlichen Verhältnisse beschränkt*). Demnach dürfen auch Minderjährige katholisch werden; sie gelten aber als solche nicht vor dem Geseze. Nun, eine ähnliche Interpretation verlangen wir für §. 76. Ordensinstitute mögen sich frei bilden, sie gelten jedoch als solche nicht vor dem Geseze, so lange der Staat nicht in ihre Errichtung einwilligt.

Nach §. 9 der Verfassung sollen Verordnungen und Gefeße der Kirchengewalt, selbst wenn sie sich auf rein geistliche Gegenstände beziehen, ohne das Placet des Königs nicht verkündet und vollzogen werden dürfen. Aehnliches wiederholt und motivirt der dritte Abschnitt des Religionsediktes. Dagegen beschränkt der bayerische Ministererlaß vom 9. Okt.' 1854 „die Nothwendigkeit der Placetirung" auf ganz be= sondere Fälle und Anlässe, in welchen kirchliche Erlasse das

*) Histor.-polit. Blätter XXXIV. 579.

bürgerliche und politische Gebiet mit berühren“, und spricht es als unzweifelhaft aus, „daß der Emanirung von oberkirchlichen Erlassen, welche nur kirchliche Angelegenheiten betreffen und nicht zugleich in das bürgerliche und politische Gebiet eingreifen, durch den Vorbehalt eines Placetum eine Schranke nicht gesezt sei"*). Wir tadeln das Ministerium nicht, daß es durch eine solche Interpretation faktisch das Placet beseitigt hat, aber unschwer leuchtet ein, daß dieselbe gegen den Wortlaut der Verfassung ist. Gehen wir nun zu weit, wenn wir gleichfalls verlangen, daß §. 76 nur in sofern auf „geistliche Gesellschaften und sonstige Institute" bezogen werde, als diese in das bürgerliche und politische Gebiet eingreifen“, daß er mithin auf Associationen keine Anwendung habe welche ihre ganze Organisation einzig vom Gewissen ihrer Mitglieder abhängig seyn lassen, nicht aber irgendwie eine bürgerliche oder politische Anerkennung ihres Institutes in Anspruch nehmen? O nein; eine solche Auslegung verstößt nicht einmal, wie wir vorhin angeführt, gegen den Wortlaut des Gesezes, sie nimmt nur die Ausdrücke: Gesellschaft, Institut, in einem etwas engern Sinn welchen übrigens der ganze Context erheischt.

Noch ein anderes Beispiel von Auslegung des ReligionsEdiktes! Die zweite Verfassungsbeilage bestimmt deutlich : „Sobald mehrere Familien zur Ausübung ihrer Religion (es handelt sich um eine in Bayern staatlich nicht recipirte Religion) sich verbinden wollen, so wird jederzeit hiezu die königliche ausdrückliche Genehmigung erfordert." Dessenungeachtet sagt ein Schreiben, welches vom Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schul-Angelegenheiten an das Präsidium der Abgeordneten-Kammer unlängst erging: es ist übrigens den Anhängern der Freigemeinden unbenommen, von den Bestimmungen des Gesezes über Versammlungen

*) Archiv für Kirchenrecht VIII. 434.

und Vereine vom 26. Februar 1850 jederzeit Gebrauch zu machen, und die königliche Staatsregierung wird diese StaatsAngehörigen in dieser Beziehung keiner andern Beschränkung unterwerfen, als durch die Vorschriften des Gesetzes und die Rücksicht auf Erhaltung der öffentlichen Ordnung durchaus geboten erscheint“ *).

Offenbar konnte das Ministerium eine solche Interpretation zu Gunsten der Freigemeinden nur deßhalb machen, weil es zwischen Religions-Gesellschaften und einfachen Vereinen unterschied. Und nun sollten wir Katholiken nicht eine ähnliche Unterscheidung zu Gunsten unserer Ordensleute fordern dürfen? Das soll zu viel seyn, wenn der Episcopat für Institute, die nach den Worten des bayerischen Grundgeseßes beträchtliche „Vortheile der Kirche und dem Staate gebracht haben und in der Folge noch bringen könnten“ **), dieselbe Freiheit verlangt, welche die Regierung den gemeinsten Winkelsekten gewährt? Der Contrast in der Behandlung katholischer Bischöfe und radikaler Freigemeindler ist doch gar zu groß, als daß wir darüber noch ein Wort verlieren dürften.

Die angeführten Beispiele zeigen hinlänglich, daß die Regierung selbst von der Ansicht ausgeht, das Religionsedikt könne nicht mehr seinem starren Wortlaute nach ausgeführt werden. Wir glauben deßhalb, sie werde nicht gegen Jesuiten und Klosterfrauen den Buchstaben jener Verfassungsbeilage urgiren in Widerspruch mit den Principien der Verfassung und der bayerischen Gesetzgebung, ja in Gegensaß zu der Rechtsanschauung der neueren Zeit und der gebildeten Völker. Will die Regierung die Kronrechte vertheidigen, wir tadeln das nicht, im Gegentheil wir meinen, es thue noth dieselben

*) Die kirchliche Freiheit 2c. S. 40.

**) Art. VII des Concordates in der „Verfassungsurkunde“ S. 371. Mit Berufung auf das Concordat hat der gesammte Episcopat, wie schon bemerkt, im J. 1852 Freiheit für die religiösen Orden verlangt.

zu wahren; aber deren Gegner sind nicht hinter der Klausur von Klöstern zu suchen. In der That, hätte unsere Bureaukratie die Kronrechte von einer andern Seite als gegen Mönche und Nonnen vertheidigt, es stünde besser um uns. Und jet vollends, wo Europa in seinen Grundfesten bebt, wo wir durch unser bisheriges System an den Nand politischen und ökonomischen Bankerotts gekommen sind, schreibt der gesunde Menschenverstand andere geseßliche Maßregeln" vor, als die höchst ungeseßliche Regensburger Sakristeiwirthschaft.

XXIII.

Briefe des alten Soldaten.

An den Diplomaten außer Dienst.

II. Ein Krieg um Luremburg.

Frankfurt 18. Juni 1867.

Seit ich meinen letzten Brief geschrieben, ist mehr als ein Monat verflossen und ich meine, es sei eine ganze Reihe von Jahren. Viele und vielerlei Dinge haben mich an der Fortseßung meiner Betrachtungen gehindert, aber ich will sie jezt wieder aufnehmen, denn ich fühle fast ein Bedürfniß mich einmal recht aufrichtig auszusprechen.

Wie sich die Zukunft, nah oder fern, auch gestalten möge, für jezt ist die Erhaltung des Friedens ein Glück und unverständig ist das Kriegsgeschrei, welches gewisse Parteien

und ihre Blätter noch immer erheben. Papiermenschen welche sich vor einer ungeladenen Flinte fürchten, sprechen mit widerlichem Leichtsinne über die Entscheidung durch die Waffen; Tausende glauben all das Zeug nachsprechen zu müssen, um ja für gesinnungstüchtige Deutsche zu gelten. Männer, sonst ganz verständig und wohlgesinnt, lassen von dem Geschrei sich bethören, und darum mußt Du dem alten Soldaten schon gestatten, daß er ohne Rückhalt sich ausspreche über den Krieg, und ich denke der Jahrestag der Schlacht sei daher nicht ganz übel gewählt.

Im Jahre 1832 hab' ich, damals ein junger Soldat, gegen meine Kriegslust eine altkluge Predigt anhören müssen von dem neugebackenen Diplomaten welcher jest wie ich selber „des Grabes Blumen“ auf dem Haupte herumträgt. Seitdem ist mehr als ein Menschenalter dahingegangen; die Zustände der Gesellschaft und der Staaten sind andere und die Wahrheiten welche Du mir damals gesagt, sind mehr noch Wahrheiten geworden. Gerade in diesem Menschenalter haben sich die Berührungspunkte der Völker vermehrt, sind deren Beziehungen viel inniger und alle Interessen wenn nicht gemeinschaftlich, doch mehr oder weniger zusammenhängend geworden. Die Ereignisse des Völkerlebens greifen viel weiter aus und gehen tiefer, und die wirthschaftlichen Zustände unserer Zeit machen das Unglück eines jeden Volkes zu einem allgemeinen.

Doch sprechen wir nun ausschließlich von dem Kriege. Allerdings können heutzutage die Kriege nicht mehr durch Jahrzehnte sich schleppen; sie werden nicht mehr geführt mit winzigen Heeren welche hin und her marschiren, die Länder verheeren, wenn es sich gerade trifft, auch einmal schlagen, welche aus der Belagerung einer kleinen Festung das Geschäft eines ganzen Feldzuges machen, einen großen Theil des Jahres in den Winterquartieren liegen und im Sommer dieselben Geschäfte in gleicher Art wieder fortseßen. Wie alle Verhältnisse, so sind auch die Verhältnisse des

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