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erblickte, sollte ihm hier eine Uebersicht über die ganze Entwicklung der Malerkunst, ein Leitfaden der Kunstgeschichte, ein kleiner Vasari in Bildern geboten werden.

Cornelius erhielt den Auftrag hiezu bereits im J. 1827. Und noch während er mit den klassischen Fresken des HeldenSaales beschäftigt war, entwarf er, an Vasaris und van Manders Bericht sich haltend, in Freistunden die 48 Zeichnungen *), welche Clemens Zimmermann dann in große Cartons umsehte und in den Jahren 1827-36 al Fresko trefflich ausführte. Auch diese Bilder, welche alle Malerschulen nennen von den starren Byzantinern bis zur römischen Schule des Raphael**) und dann wieder die Nachblüthe der Malerkunst bis auf König Ludwig I. von Bayern schildern, ebenso die bedeutendsten Meister, ihre berühmtesten Werke und die Symbole ihres Charakters, endlich harmonische reizende Arabesken aus der Thier- und Pflanzenwelt, enthalten die reichsten Schäße des Schönen, Sinnigen und Graziösen. Alles ist hier frei, phantasievoll, heiter und bedeutsam. Diese Gemälde geben die erste Geschichte der christlichen Malerei in Deutschland, und ist auch nicht alles Dargestellte historische Wahrheit (z. B. Leonardo's Tod in den Armen Franz 1.), so ist es doch poetisch wahr, schön und bezeichnend.

Endlich sollte Cornelius auch die Erfüllung eines langgehegten Wunsches erleben, eine ganze große christliche Kirche mit einem zusammenhängenden Cyklus von Gemälden schmücken zu dürfen. Am Abschlusse der neuangelegten Ludwigsstraße war nämlich eine neue Pfarrkirche zu Ehren des heil. Ludwig nach Gärtners Plänen gebaut worden auf Kosten

*) Aufbewahrt im k. Kabinet der Handzeichnungen in München. Dort find auch zwei andere Handzeichnungen des Meisters von hohem Werthe, seine Composition des Abschieds der Apostelfürsten und eine Grablegung.

**) Zwölf Schulen zählt Cornelius bis Raphael.

der Stadt München*) und mit Beiträgen der reicheren Kirchen der Erzdiöcese. Diese großartige, im italienischromanischen Style mit Kreuzschiff entworfene Kirche sollte nun dem Cornelius Gelegenheit bieten**), seine tiefsinnigsten Schöpfungen zu entfalten, die Größe seines Genies auch auf dem Gebiete des christlichen Glaubens zu zeigen, an dem noch Millionen hängen und dem er selbst in kindlicher Treue zugethan war, während er in der Glyptothek das Glauben und Dichten einer untergegangenen Welt so ergreifend zu schildern gewußt hatte.

Cornelius war in höchster Entzückung über diesen Auftrag und schrieb am 20. Januar 1829 darüber die begeisterten Worte jenes Freudenbriefs an E. Linder, der in diesen Blättern (Bd. 59 S. 730) mitgetheilt ist.

Bald ging der entzückte Meister auch daran, einen Entwurf zum ganzen Werke zu ersinnen. Er dachte an die reiche Zier der romanischen Dome des Mittelalters und wollte bei seiner Arbeit dem Geiste der Tradition folgen. Die ganze Geschichte des Heiles von der Schöpfung bis zum Gerichte, die ganze Geschichte der Civitas Dei sollte zur Anschauung gebracht werden. Das Gewölbe des Chores, das den Himmel sinnbildet, sollte die Offenbarung Gottes des Vaters enthalten (Gott den Vater als Schöpfer des Lichts, umgeben von den neun Chören der Engel), die drei Absiden des Haupt- und Kreuzschiffes sollten die Offenbarung des Sohnes zeigen, und zwar so, daß im nördlichen Kreuzarme die Geburt Christi, an der Chorwand im Osten hinter dem HauptAltar, der Opferstätte, passend die Kreuzigung des Herrn und

*) Daher schickte Cornelius die Cartons von Róm aus auch an den Stadtmagistrat von München.

**) Man darf vielleicht sagen, die Kirche ist zum Theil für Cornelius gebaut worden, er sollte große Flächen zu seinen Bildern hier er: halten. Ohne Zweifel war für die Schönheit des Bauwerks das kein Vortheil!

an der Wand des südlichen Kreuzarmes die Auferstehung des Herrn erscheinen sollte. Es wären so die drei Stadien seines Erdenlebens, das freudenreiche, schmerzenreiche und glorreiche Leben angedeutet worden. Das Gewölbe des Kreuzschiffes und die Wände des Hauptschiffes waren bestimmt, die Ausgießung des heil. Geistes, seine Offenbarung und Wirksamkeit in den Evangelisten und Kirchenlehrern, in den vier Chören der Patriarchen und Propheten, der Apostel und Martyrer, der Bischöfe und Bekenner, der Einsiedler und Jungfrauen, und im Leben der Kirche überhaupt zur Anschauung zu bringen. Am Abschlusse der ganzen Kirche, an der WestWand, sollte wie in alten Domen (z. B. in Freising) das jüngste Gericht ausgeführt werden. Wie dieses Weltgericht einst den Abschluß der Weltgeschichte bilden wird, so sollte das Bild des Weltgerichtes hier den Abschluß der Kirche und ihres heil. Bildercyklus machen. So war der Plan des Ganzen tiefsinnig, einheitlich, großartig und mystisch-bedeutsam angelegt *).

Leider wurde Cornelius durch die finanziellen Verhält= nije, durch die Beschränktheit der verfügbaren Geldmittel bald gezwungen von diesem einheitlichen Plane abzugehen. Er mußte den Bilderschmuck des Langschiffes und der WestWand ganz aufgeben und da das jüngste Gericht vom hohen Bauherrn durchaus gefordert und vom Maler auch sehnlich verlangt war, mußte er es an der Ostwand über dem Altare anbringen, wohin es symbolisch sowenig gehört und paßt wie in der Capella Sistina zu Rom. Die Kreuzigung wurde dafür in den südlichen Kreuzesarm verlegt und das Auferstehungsbild (Noli me tangere) wurde nur als kleineres Nebenbild im Süden angebracht, wie die Verkündung im Norden. Die Patrone des Königs und der Königin, St. Ludwig und Theresia bilden den einzigen Schmuck der Seiten

*) Mündliche Mittheilungen von Herrn Professor Schlotthauer.

Schiffe. So ist die Anordnung der Gemälde, mit Lücken, ohne innern Zusammenhang, wie sie jezt die Ludwigskirche zeigt, entstanden.

Doch ehe Cornelius an die Ausführung dieses wunderbaren Bilderkreises ging, reiste er nach Rom, theils um sich von den gewaltigen Anstrengungen der leßten Jahre zu erholen, theils um daselbst die nöthigen Studien zum neuen Werke zu machen, und auch um in dem Paradiese der zahllosen herrlichen Kirchenmalereien Roms die nöthigen Anregungen zu empfangen. Er reiste mit zwei Töchtern *) von München ab am 24. Juli 1830, die Künstlerschaft begleitete ihn zu Wagen bis Ebenhausen. Am Tage zuvor hatte der Minister von Schenk ihm noch ein glänzendes Abschiedsfeft bereitet, wozu J. Schnorr treffliche Transparentbilder geschaffen hatte. In Rom trafen sie am 20. August ein. Ebenfalls festlich empfangen unter Thorwaldsens Leitung, ging es bald wieder an ein seliges Arbeiten und Schaffen für sein neues Werk. Er blieb diesesmal nur bis Juli 1831 in Nom, aber schon nach zwei Jahren, im Mai 1833, eilt er wieder dahin, um neuen Stoff zu schöpfen und um seinen Carton zum jüngsten Gerichte in Stille zu entwerfen.

Aus den uns vorliegenden Briefen können wir den Fortgang des Werkes, die Entstehung der einzelnen Cartons so ziemlich verfolgen. Wir heben einige bedeutsamere Stellen heraus. Im Dezember 1830 schreibt Cornelius an Schlotthauer von Nom:

„Ich schicke Dir hier zwei Bausen Fiesole's Leben (für die Pinakothek) vorstellend, nebst einem Schreiben an den König, übergib es ihm womöglich selbst. Du siehst, ich war fleißig, ebenso geht's auch mit dem Carton. Ich bin in der gespanntesten Erwartung. Ich bitte Dich mich bei Sr. Majestät über

*) Seine Frau war bereits in Rom. Er wünschte sehnlich, daß der treue Freund Schlotthauer ihn begleite und that die nöthigen Schritte, zum Theil mit Erfolg.

mein Schweigen auf's beste zu entschuldigen, ich habe im eigentlichsten Sinne Tag und Nacht gearbeitet, ich wollte ihm zum neuen Jahre, damit eine Freude machen, wurde aber etwas frank. Gott beschüße unsern König und leite seinen Geist in dieser bedenklichen Zeit.“

Den 5. März 1831 schreibt er an denselben:

„Grüße mir den lieben Gärtner tausendmal von mir, er solle es mir nicht anrechnen, daß ich ihm nicht geschrieben, er könne mich ja bei meiner Zurückkunft auf zehn Flaschen irgend eines beliebigen Kalibers herausfordern. Grüße auch den wackern Hauptmann Seyfried, sage ihm, wie hoch mich der Gez winn eines solchen Freundes beglückt und wie sehr ich trachte, ihn nicht zu verlieren. Auch dieses gehört zu den Segnungen des Christenthums, daß es nicht der Blüthenzeit der Jugend bedarf, um Bündnisse auf Leben und Tod zu schließen; Seelen und Geister werden nicht alt!"

Am 1. Juli 1831 schreibt er wieder:

"Sage dem Schorn (Redakteur des deutschen Kunstblattes), daß der lehte Aufsaß über die Kunstausstellung hier in Rom, bei allen hier anwesenden Deutschen den größten Unwillen erregt hat, er ist nicht allein höchst parteiisch, sondern voller böser Absicht und grober Unkenntniß in Sachen der Kunst; sage Schorn, daß ich ihm die genauesten Notizen über das Beste der Ausstellung geben werde, damit das Kunstblatt die böse Stimmung wieder gut mache, die es durch obigen Aufsaß hier erregt hat. Man hält diesen Aufsaß von einem Juden Namens Dr. Gans *), ein Polyhistor und Vielredner."

Während die Kreuzigung schon 1831 in Rom vollendet wurde, entstand die Zeichnung zur Anbetung des neugebornen Christus durch Hirten und Magier im Sommer 1832 in München. Da schreibt er am 21. Juni an E. Linder:

*) Der bekannte hegelianische Rechtsphilosoph, der also auch in Kunstartikeln arbeitete.

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