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verkleide sich da nur der wohldienerische Staatskirchenmann in den Mantel der Freiheit. In der That ist es nichts weiter. Gefährlich war daher dieses Treiben nur solange, als zu be fürchten war daß der Staat mit seinen Mitteln sich den Trennungsgelüften der gelehrten Opposition zur Verfügung stellen würde; und das war es was man von Bayern erwartete. Wirklich ließen sich in der Zeit des bittersten Haders nach der Münchener Gelehrten - Versammlung und bei dem Ausbruch des Speyerer Conflikts auch in nichtgelehrten Kreisen sonderbare Stimmen aus München vernehmen. Selbst der officiöse Correspondent gab Zeugniß davon. „Es wird“, schrieb er, „dringende Noth nach Männern, wie sie am Emser Congreß einstmals zusammentagten, Männern welche an einer Organisation der Kirche arbeiten, worin der deutschen Nation wie jeder andern innerhalb allgemeiner Normen das Recht ihrer Eigenthümlichkeit gewahrt bleibt. Möge der deutsche Episcopat sich den berechtigten Forderungen der Zeit nicht länger verschließen; arge Uebel müßten sich an solche Kurzsichtigkeit knüpfen. Schon geht durch die katholische Welt das Bestreben alle liberalen, geistig bedeutsamen Katholiken zu einem festen Bund zu vereinen, der stark genug ist um jenes Bevormundungs-System zu brechen" *).

Das war noch eine stolze Sprache, und die nachfolgenden Verlautbarungen im Speyerer Conflikt ließen auf erbitterte Entschlossenheit des neubayerischen Josephinismus schließen **). Aber das Jahr 1866 ist dazwischengefallen und seitdem ist Alles anders geworden. Unsere Staaten, und zwar Bayern nicht am wenigsten, haben sich jest um ganz andere Dinge zu kümmern, als Nationalkirchen zu gründen für unzufriedene Professoren und für eine nicht mehr existirende Nation. Selbst der Artikelschreiber der „Allgemeinen Zeitung" weiß nur zu

*) Allg. Zeitung vom 30. Juli 1864.

**) Ich erinnere nur an den berüchtigten Artikel,,Suum cuique" in der Allg. Zeitung vom 23. Nov. 1864, gleichfalls unterzeichnet „von einem treuen Katholiken".

lamentiren und von der „ungeheuern Gefahr“ zu reden, wenn die Encyklika und die Thesen des Syllabus als ex cathedra gesprochen betrachtet werden müßten. Aber er wagt nicht mehr mit dem Austritt und Sonderbund aller liberalen, geistig bedeutsamen Katholiken zu drohen. Auch Hr. Leopold Schmid ist resolvirt fortan als „katholischer Einsiedler“ in der Welt zu leben ohne gleichgesinnte Gesellschaft. Kurz, man hat Wasser in seinen Wein geschüttet, und das war sehr vernünftig. Denn zu der politischen Niederlage aller flunkernden Phantastereien kommt noch ein mächtiges Agens, das sich mit geheimnißvollem Druck auf alle Geister legt. Es ist das Herannahen der socialen Gefahr. Sie muß es doch am Ende auch dem beinernsten Pedanten klar machen, daß die Leiden der Welt nicht mit unfruchtbarer Bücherweisheit und hochmüthigem Widerspruchsgeist bekämpft werden, sondern nur mit Opfersinn und Liebe.

Den großen Moment der Weltwende hat der heilige Vater ergriffen, um die ökumenische Synode des 19. Jahrhunderts anzukündigen. Die erhabene Versammlung wird gerichtet seyn gegen allen Absolutismus des egoistischen, in die Endlichkeit versunkenen Menschengeistes; sie wird in der Verläugnung der göttlichen Liebe nach oben und der menschlichen Liebe nach unten den Grund des modernen Unheils aufweisen; sie wird in der Wiedervereinigung des Religiösen mit dem Politischen und Socialen das einzige Heilmittel zeigen zur Erhaltung der Gesellschaft in neuen Formen. Will man dieß „politische und sociale Dogmen" heißen, so wird die neue Weltperiode deren haben so gut wie die hinschwindende sie gehabt hat; und wenn die Synode von Trient je noch einen Zweifel übriggelassen hätte, wer bei dem fortschreitenden Geist der Zeit ein treuer Katholik“ sei und wer nicht die Synode des 19. Jahrhunderts wird jeden Zweifel zur Unmöglichkeit machen.

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XV.

Daumer's eschatologische Schriften.

1) Der Tod des Leibes kein Tod der Seele. Dresden bei Woldemar Türk 1865.

2) Das Geisterreich in Glauben, Vorstellung, Sage und Wirklichkeit. Zwei Bände. Ebendaselbst 1867.

Der vielbekannte Verfasser hat sich hier vollends der Erörterung von Gegenständen zugewendet, welche ohne Zweifel zu den allerwichtigsten gehören, die in das menschliche Bewußtseyn fallen, und welche namentlich den feck verneinungssüchtig en Tendenzen der modernen Zeit und Welt gegenüber die angelegentlichste Behandlung von Seiten wohldenkender und zu solchen Studien geeigneter Schriftsteller in Anspruch nehmen. Es handelt sich um die schwierigen und tiefeingreifenden Fragen nach der Natur der Menschenseele im Verhältniß zum Leibe, nach ihrem Schicksale im Tode, nach der Eristenz einer jenseitigen Welt, in welche sie überzutreten fähig, nach der eines nicht blos vorgestellten und erträumten Geisterreichs und seiner nähern Beschaffenheit. Man könnte glauben, es sei das Alter und der durch dasselbe näher gerückte eigene Abschied vom Leben, was den Verfasser zu solchen Forschungen geneigt mache; man könnte damit, wie vielleicht Gegner zu thun geneigt, die Vorstellung einer gewissen Schwäche verbinden, die ihn befallen habe, und sich so ein ungünstiges Vorurtheil gegen seine neuesten Leistungen gestalten. Man würde aber sehr irren. Herr Daumer hat auch in seiner vorchristlichen Zeit jene höheren Wahrheiten, die dem Menschen seinen Adel geben, nie völlig geläugnet, ihnen vielmehr damals schon, mitunter selbst in specifisch christlicher Form (Marienlieder) auf eine für Viele unbegreifliche Weise gehuldigt. Er selbst bemerkt in seinem neuesten Werke und weist es faktisch nach, daß er von jungen Jahren an sich mit den

ernstesten Gegenständen des religiösen Glaubens und der philosophischen Spekulation stets angelegentlich beschäftigt und ins besondere Ansichten über Tod und Jenseits gefaßt und gehegt, die seinen jezigen ungemein ähnlich waren, nur daß sie heute in reiserer und dem kirchlichen Glauben näher gerückter Weise vertreten sind. Er glaubte schon damals an lichtere und dunklere, seligere und unseligere Zustände nach dem Tode, sowie auch an die Manifestationen der Abgeschiedenen, die er so vorzugsweise im „Geister eich behandelt. Materialistisch oder atheistisch waren feine Meinungen nie; er baute Systeme, in welchen der Geist das A und N ist; er lehrte eine im Universum waltende göttliche Intelligenz, z. B. ganz ausdrücklich in seiner „Religion des neuen Weltalters"; und solche dem alten Religionsglauben verwandte Ideen, verbunden mit seiner Antipathie gegen revolutionäre Gewaltsamkeiten, welchen er in dem oben genannten Werke einen so entschieden polemischen Ausdruck gab, waren die Ursache, daß von Seiten seiner eigenen damaligen Partei heftiger Zorn und Haß gegen ihn entbrannte. Eine eigene Schrift wider Ludwig und Friedrich Feuerbach und die beiden Bauer gerade den Glauben an Gott, die Unsterblichkeit der Menschenseele und die historische Natur der Evangelien betreffend, hat Daumer schon damals herausgegeben. Hegel, Schelling und Jakob Böhme hatten ihren Einfluß auf ihn geübt; er war aber doch stets auch seinen eigenen Weg gegangen und mit dem bis zum Ertrem der Verneinung fortgehenden Prozesse der auf die Blüthezeiten der althegelianischen Philosophie folgte, schritt er durchaus nicht fort, sondern sezte sich ihm so antagonistisch, spiritualistisch und apologetisch entgegen, als es von seinem damaligen Standrunkte aus denkbar war. Auf seinem gegenwärtigen, um so Vieles positiveren vermag er es noch weit vollständiger zu thun, und er unterläßt nicht seine schriftstellerische Thätigkeit in dieser Weise fortzuseßen.

Der Widerstand den er erfuhr, und der Wunsch mit seiner Subjektivität und Individualität soviel als möglich in den Hintergrund zu treten, veranlaßte ihn eine aphoristisch-combinatorische Manier, eine Art literarischen Mosaik's sich zu erfinden, indem er Aussprüche anderer Autoren von Ansehen und Gewicht zusammenträgt und daraus ein autoritätsvolles Ganze formirt, welches dasjenige besagt was er dem Publikum vorzutragen und an's Herz zu legen wünscht; wozu er denn auch Manches in seinem eigenen Namen zuzufügen pflegt. Diese Form hat er in dem Werkchen über den Tod gewählt, und Saint René Taillandier hat sie sehr zweckmäßig gefunden. In der nämlichen Manier ist eine Einleitung in das Geisterreich" geschrieben. In keinem der beiden Bücher werden indessen ganz selbstständige und zusammenhängende Abhandlungen und Partien vermißt.

In dem Werkchen über den Tod handelte es sich zunächst nur darum, den Zweifel und Unglauben derjenigen welche fürchten oder auch wollen, daß mit dem Lode, wie man sagt, Alles aus sei, durch eine einleuchtende Reihe von Thatsachen niederzuschlagen ohne jedoch mit kühnerem Wagniß in das Jenseits selbst einzugreifen. Den Glanzpunkt der Darstellung bilden hier die lezten Lebensmomente guter und frommer Menschen, bei welchen sich Phänomene darstellen die in Rücksicht des Ueberganges in eine andere Welt soviel Merkwürdiges, Belehrendes und Ueberzeugendes haben. Es scheint hier zuweilen, als wenn sich die beiden Welten, die diesseitige und jenseitige, in der Art berührten, daß auch die am Leben bleibenden Anwesenden und Beobachter einen Strahl des ewigen Lichtes zu gewahren im Stande seien.

Es genügte dem Verfasser a er feineswegs, so bis an die Schwelle eines geisterhaften Jenseits hinzuführen. Er getraute sich auch, das in neueren Zeiten so verrufene Thema der soges nannten Geistererscheinungen welche er, der ihm eigenen Terminologie gemäß, „eidolomagische Phänomene“ zu nennen pflegt, in Angriff zu nehmen. Dabei stellte er sich eine dreifache Aufgabe. Erstens eine die Geschichte des Geisterglaubens betreffende, indem er aus allen Zeitaltern, Religionskreisen und Schichten der Gesellschaft die gegebenen Vorstellungen der bezüglichen Art angibt, wobei selbstverständlich Manches berührt wird, was als mythisch oder doch sehr problematisch hingestellt und Niemanden zu glauben zugemuthet oder aufgedrungen wird. Hier, wie man so unpassend verlangt hat, kritisch zu Werk zu gehen ist so wenig möglich als in irgendeiner Mythologie, wo auch das für uns Unglaublichste und Ungereimteste eine Stelle beansprucht. Doch liegt dem geehrten Verfasser das Mythologische am wenigsten am Herzen, indem er weit angelegentlicher den realen Kern der Sache zu ermitteln sucht. Er führt uns in dieser Beziehung eine Anzahl von Gruppen und Classen geisterhafter Erscheinungen. vor, wo er das Einzelne wie das Ganze im Interesse des reali= stischen Geisterglaubens bespricht, hierbei soviel als möglich wohlbezeugte und beweiskräftige oder doch wahrscheinlich faktische Fälle auswählt, Anderes aber im Zweifel läßt und dem eigenen Urtheile seiner Leser anheimstellt. Es finden sich hier Geschichten welchen eine bedeutende, ja entscheidende Ueberzeugungskraft von ruhig und affektlos Urtheilenden wohl nicht abzustreiten ist. Andere verspricht der Verfasser in weiterhin folgenden Mittheilungen zu liefern, indem er darauf ausgeht, eine so wichtige Sache zur empirisch erhärteten, constatirten und anständiger Weise nicht mehr abzuweisenden Realität zu erheben und so dem Glauben an eine Forteristenz nach dem Tode eine feste, objektiv gestaltete und gesicherte Grundlage und Stüße zu geben. Gelänge

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