Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Hören wir darüber Philipp Melanchthon *). „Während wir in Speyer, sagt er, hadern um allerlei Nichtigkeiten, sengt und brennt der Türke in Pannonien. Man verlangt Frieden von dem Kaiser, aber in der Art wie ihn die Lacedämonier mit mehr Anstand von den Athenern hätten verlangen können, als ihre Bürger in Pylos umzingelt waren.“ "Ich kenne dieß Verfahren“, sagt er scharf bezeichnend einige Tage später. „Wir machen es wie bei einem Kauf- Contrakte. Wie man dort um den Preis handelt, so wollen wir erst um unsern Frieden handeln, bevor wir unsere Mithülfe versprechen zu unserer eigenen und der allgemeinen Rettung. Dieses Markten hat allen Rechtschaffenen immer mißfallen.“

„Deßhalb lobe ich, fährt er fort, den guten Willen des Herzogs Moriz, der dem Kaiser Karl entgegenkommt. Man erwidert mir, es sei nicht recht die Macht des Kaisers zu stärken, damit er nicht unsere Kirche erdrücke. Das Wort ist gottlos, ist eines Christen unwürdig. Eine Besorgniß und ein Verdacht berechtigt uns nicht schändlich zu handeln. Sollen wir darum weil wir Ferdinand fürchten, Deutschland nicht gegen die Türken vertheidigen? Ich mag nicht alles schreiben was ich denke. Nicht aus Furcht entspringt die Abneigung gegen den Kaiser Karl, sondern aus andern Regungen und Begierden. Laßt uns dagegen lieber Recht und Ehre hoch halten und dazu unsere Fürsten ermahnen.“ „Aber unsere Fürsten sizen in Speyer, zanken und hadern, ob sie Hülfe gegen die Franzosen schicken sollen, und unterdessen sengen und brennen die Franzosen deutsche Felder in der Nähe von Speyer."

Dennoch kam es damals zu einiger Hülfe. Es war eins der sehr wenigen Male, wo der Kaiser Karl V., der vom Reiche jährlich 10,000 fl. hatte, die deutschen Interessen nicht bloß mit seiner Hausmacht vertheidigte, sondern auch von den deutschen Fürsten doch wenigstens einige Unterstüßung

Corp. Ref. V. 331.

dazu erhielt. Aber die Protestanten unter ihnen verlangten ihren Lohn. Das Ziel dieser Forderungen war einmal wie immer die kaiserliche Anerkennung des angemaßten TerritorialKirchenthumes, mithin auch Preisgebung aller dadurch verlezten Rechte. Der Kaiser hat das Princip in Speyer 1544 ebensowenig anerkannt, wie jemals vorher oder nachher. Sein Zugeständniß von damals war ebenso wie zuvor lediglich ein einstweiliges an den thatsächlichen Bestand. In jedem Falle trugen alle diese Zugeständnisse die Bedingung in sich welche die Confession von Augsburg selber aufgestellt: bis zur Entscheidung durch ein Concil.

Endlich erfolgte das Ausschreiben eines solchen nach Trient auf den 13. März 1545.

In dem Kaiser selbst dagegen war seit dem legten Kriege von 1544 in einer Beziehung eine Wandlung eingetreten. Der Gedanke, den er lange zurückgedrängt, nämlich daß den protestantischen Reichsständen mit Gewalt beizukommen sei, gewann Raum in seiner Seele.

Man wolle nicht sagen: „den Protestanten". Zu den Protestanten überhaupt, zu den Individuen die wohl oder übel dem neuen Kirchenthume gehorchen mußten, tritt der Kaiser Karl überhaupt nicht in ein Verhältniß, sondern nur zu den protestantischen Reichsständen, den Inhabern des neuen Kirchenthumes. Das Wort: Protestanten hatte damals noch die wahre und die Bedeutung, daß man den eigentlichen Ursprung desselben von 1529 her noch nicht vergessen hatte. Wird es dagegen allgemein hingestellt, ohne das hier ebenso wichtige Wort: Reichsstände, dann verwirrt man den richtigen Gesichtspunkt, so daß durch den fortgeseßten Gebrauch desselben die Erkenntniß der Wahrheit sehr erschwert, ja fast unmöglich wird. Dieß um so mehr, weil das Verhalten der Unterthanen, der Individuen unter den protestantischen Reichsständen, ein starkes Gewicht in die Wagschale des Kaisers gegen ihre Fürsten wirft.

Der Gedanke der Anwendung von Gewalt ist, nach den eigenen Aufzeichnungen des Kaisers für seinen Sohn, erst

nach dem Frieden von Crespy in ihm entstanden. Allein auch da noch wurde er nicht zur That. Es kamen noch neue Provokationen hinzu. Das Concil von Trient ward endlich am 13. Dez. 1545 eröffnet. Die augsburgische Confession von 1530 forderte ein Concil. Nun, nachdem es den endlosen Mühen des Kaisers gelungen war, gegen die Abneigung der päpstlichen Curie und vor Allem gegen die Ränke des französischen Königs die Berufung zu erwirken, ward das Concil von keinem der protestantischen Reichsstände beschickt. Die langen Reden ihrer ausweichenden Antworten ließen als den einen Kern derselben erkennen: Nichtanerkennung der Jurisdiktion der alten Kirche.

Der Kaiser hatte einen Reichstag nach Regensburg berufen. Er selbst erschien dort am 10. April 1546. Er fand keinen Fürsten vor. Sie kamen auch ferner nicht. Der Kaiser ließ seine Boten ausgehen durch das Reich zu abermaliger Ladung. Im Juni konnte der Kaiser eine kleine Versammlung eröffnen. Er klagte über die Vereitelung so vieler Mühen und Beschwerden. Die altkirchlichen Reichsstände erwiderten: der Kaiser möge die Kirchensache dem Concile anheimstellen und die protestantischen Reichsstände zur Unterwerfung unter dasselbe bewegen. Diese weigerten sich der Anerkennung.

Es lag klar vor Augen, daß aller guter Wille des Kaisers, alle seine Thätigkeit für einen friedlichen Ausgleich sich brach und brechen mußte an der Klippe dieser beharrlichen, unfruchtbaren Negation. Der Kaiser konnte weder stehen bleiben, noch weniger zurück: er mußte vorwärts.

XIV.

Zeitläufe.

Das allgemeine Concil und die allgemeine Verwirrung.

Während wir unsere jüngste Betrachtung über die poli» tische Physiognomie der Welt mit der Klage beginnen mußten, daß die Verwirrung immer toller werde, hat in der Hauptstadt der katholischen Christenheit ein Schauspiel der imposantesten Nuhe stattgefunden. Mag auch die moralisch-politische Auflösung in allen andern Beziehungen des öffentlichen Lebens täglich höher steigen und erschreckender um sich greifen: Eine Macht des Geistes ist doch noch da, welche sich ewig gleich bleibt bis an's Ende der Zeiten. Man braucht nur den Versuch zu machen sich auch diese Macht noch hinwegzudenken und hineingerissen in den Strom der allgemeinen Auflösung, um zu erkennen wo das lezte Rettungsbrett für die versinkende Menschheit zu finden ist, wenn überhaupt.

Die jüngste Jubelfeier des heiligen Petrus war nicht das erste kirchliche Weltfest das Pius IX. in der heiligen Stadt um sich her versammelt hat. Aber alle Zeugen stimmen darin überein, daß keines noch so zahlreich besucht, so begeistert gefeiert und durch innige Einigung der Herzen mehr ausgezeichnet war. Selbst die Gegner gestehen schäumenden

Mundes, daß Niemand dem großartigen Eindruck habe widerstehen können, und daß alle „Klerikalen", Priester wie Laien, in hochgehobener Stimmung zurückgeblieben oder heimgegangen. seien. Der hehre Priestergreis aber auf Petri Stuhl hat in diesen feierlichen Tagen den Höhepunkt seiner Mission erstiegen; denn er hat ruhig und gemessen das große Wort ausgesprochen: „ein allgemeines Concil einzuberufen.“

Papst Pius hat sicher die unberechenbaren SchwierigTeiten seiner Absicht nicht vergessen und die ganze Tragweite derselben wohl erwogen. Aber das Wort ist gefallen und es wird fliegen und schweben wie der geschleuderte Stein bis das Ziel erreicht ist. Die kirchliche Bewegung ist von nun an mit einem sichern Anhaltspunkt verschen und in ihre geordnete Bahn eingewiesen. Und zwar ganz entsprechend den Ideen unserer Zeit. Wer wird es fortan noch wagen vom „päpstlichen Absolutismus“ zu sprechen, wo der oberste Hirte auf St. Petri Stuhl von Sehnsucht brennt, die latent immer vorhandene repräsentative Verfassung der Kirche in ihrem ganzen Glanze leibhaft verwirklicht zu sehen, und der Welt jene göttliche Kraft der Kirche zu zeigen welche, wie er sagt, „dann am meisten sich äußert, wenn die vom Papste berufenen Bischöfe unter seinem Vorsiß im Namen des Herrn zusammenkommen.“

Aber wozu will Papst Pius ein allgemeines Concil und für welche Angelegenheiten hält er die erhabenste Verstärkung der kirchlichen Autorität für nothwendig? Das allgemeine Concil ist stets die lezte Antwort gewesen auf große Spaltungen und Häresien in der Lehre und innerhalb der Kirche. Solche bestehen zur Zeit nirgends auf dem eigentlich dogmatischen Gebiet. Es war auch von einer Agitation auf ein allgemeines Concil noch nirgends die Rede. Uns selber ist wohl das Wort mehr als einmal auf den Lippen geschwebt; aber immer wieder wollten uns gewisse Streitigkeiten welche seit einigen Jahren zwischen engbegrenzten Kreisen von Gelehrten und Theologen statthaben, als ein zu kleinlicher

« ZurückWeiter »