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XIII.

Studie über den Kaiser Karl V. *)

III.

Im Herbste des Jahres 1529 schickte Karl sich endlich an nach Deutschland zu gehen. Sein Zweck war, nachdem Suleiman der Prächtige durch die Belagerung von Wien die allgemeine Türkengefahr so scharf in die Augen gerückt, um endlich die gesammte deutsche Kraft zur Abwehr des furchtbaren Feindes aufzubieten, und um dieß zu können, vorher den Religionszwist gütlich zu vereinbaren. Wir wissen aus der Darlegung Melanchthons, wie entschieden der Kaiser bei der Zusammenkunft in Bologna von dem Papste die Berufung eines Conciles forderte.

Es ist der gewöhnliche Fehler derjenigen, die sich vom theologischen Standpunkte aus mit diesen Dingen beschäftigen, daß sie an diesem Standpunkte bewegungslos kleben bleiben. Nicht bloß für den Kaiser Karl V. lagen die Dinge anders, sondern auch für die Fürsten des neuen Kirchenthumes. Geben wir gleich den Grundzug der Politik derselben an: sie spekulirten auf die Türkengefahr, um von dem Kaiser das Zugeständniß der rechtlichen Anerkennung ihres Thuns zu erlangen. Deßhalb stellten sie in Augsburg die

*) Von einem protestantischen Forscher.

Religionsfrage in den Vordergrund. Sie überreichten dem Kaiser die Confession. Der Verfasser der Confession, Philipp Melanchthon, hat es mit derselben ehrlich gemeint. Es war ihm um seine Lehre zu thun. Wir untersuchen hier nicht, ob nicht dieser große Gelehrte, bei aller seiner Wissenschaft, dennoch über diese seine Lehre das ganze Leben hindurch großen Schwankungen und Selbsttäuschungen unterworfen war. Wir erinnern in dieser Beziehung nur an seine loci theologici, die von Ausgabe zu Ausgabe sich änderten, bis fast zum völligen Gegensage, wenigstens in Bezug auf die Lehre vom freien Willen. Allein in einer und zwar hier der wichtigsten Beziehung unterliegt Melanchthon keinem Vorwurfe. Er ist nicht revolutionär. Es ist nicht seine Absicht und ist es nie gewesen, die Jurisdiktion der alten Kirche zu zersprengen. Man machte ihm von seiner Partei aus beim Fortgange der Beredungen in Augsburg den Vorwurf, daß er die bischöfliche Jurisdiktion herstellen wolle. Kann ich Dann anders, fragt er*), wenn sie die Lehre gestatten ?“ fährt er fort: „O, wenn ich es doch vermöchte, nicht etwa die Herrschaft der Bischöfe aufrecht zu halten, sondern ihre Jurisdiktion herzustellen! Denn ich sehe voraus, was für eine Kirche wir haben werden, wenn die kirchliche Verfassung aufgelöst wird. Ich sehe, daß hernach die Tyrannei viel unerträglicher werden wird, als sie jemals vorher gewesen ist." Er behauptet, daß Martin Luther immer ebenso gedacht habe. Nur deßhalb lieben sie ihn, sagt er, weil sie durch ihn in den Stand gesezt sind sich der Bischöfe zu entledigen und eine Freiheit zu erlangen, die sicherlich der Nachwelt keinen Segen bringen wird."

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Wir sehen, von welcher kirchlichen Rechtsanschauung aus Phil. Melanchthon die Confession von Augsburg verfaßt hat. Das Aktenstück entspricht dieser Rechtsanschauung. Denn der Eingang stellt nicht das Princip des Territorialkirchen

*) Corpus Ref. II. 334

thumes auf, welches thatsächlich bereits seit etwa drei Jahren in Geltung war, sondern verlangt für den Fall, daß sich die Anwesenden über den Zwiespalt der Religion nicht gütlich einigten, ein allgemeines Concil. Man beruft sich für diese Forderung auf die beiden kaiserlichen Instruktionen zu den Reichstagen von 1526 und 1529, in denen der Kaiser selbst ein solches Concil in Aussicht gestellt. Sie verlangen demnach, daß der Kaiser sich bemühe den Papst zum Ausschreiben eines gemeinen, freien, christlichen Concilii zu bestimmen.

Es sind die Worte Melanchthons, nach seinem Verhalten aufrichtig und wahr, welche die sieben Fürsten und einige Magistrate durch die Ueberreichung dieser Confession zu den ihrigen machten. Die Forderung der Berufung eines Conciles schloß der Natur der Sache nach für den Fall der Erfüllung das Versprechen der Unterwerfung unter dasselbe in sich. Oder richtiger: es konnte nach diesen Worten dem Kaiser Karl nicht eine Ahnung aufsteigen, daß möglicher Weise dieselben Personen, die damals ein Concil forderten, dann wenn es ihm gelang die Berufung durchzusehen, auch nur daran denken würden die Unterwerfung zu verweigern. Diese Worte gestatteten dem Kaiser nicht, die Absicht der Sprengung der bisherigen kirchlichen Verfassung bei jenen sieben Fürsten und vier Magistraten vorauszuseßen.

Dieß ist, wie es uns scheint, von der größten Wichtigteit für das Verhalten des Kaisers. Der Wortlaut der Confession mußte in ihm den Gedanken erwecken oder bestätigen, daß die Abweichung nur in Betreff der Lehre bestehe. Und auch diese Abweichung tritt in der Confession' nicht scharf und schroff hervor. Die Confession ist, wir wiederholen es auch in dieser Beziehung, nicht bloß aus der Feder Melanch=" thons geflossen, sondern aus seiner Seele. Es ist seine Individualität, die darin sich ausprägt. Nemo tunc nos adjurabat, sagt er später einmal. Demgemäß verneint die Confession nicht bloß nicht die Jurisdiktion der Kirche, sondern sie läßt auch die Abweichungen in der Lehre möglichst wenig

schroff hervortreten. In dem vierten Artikel, der Lehre von der Rechtfertigung, fehlt bei den Worten: „durch den Glauben“ der eminent lutherische Zusaß des Wörtchens: „allein“. Es tritt in dieser Darstellung der Lehre immerhin eine Abweichung von derjenigen der alten Kirche, nicht jedoch der Gegensatz gegen dieselbe hervor. Dieser Gegensatz der in der Con-fession nicht scharf hervortritt, ist, damit wir es kurz bezeichnen, derjenige der sola fides des Lutherthumes gegen die fides formata (sc. charitate) der Kirche.

Der Kaiser, dem der eigentliche wahre Gegensatz, nämlich die Verneinung der Jurisdiktion der alten Kirche, in dem officiellen Aktenstücke der Confession nicht entgegentrat, dem dagegen in Betreff der Lehre nur eine Abweichung kund wurde, mußte dennoch den Spalt für geringer ansehen als derselbe wirklich war, zumal da es sein Wunsch und sein Interesse war denselben zu heilen. Nur dadurch erklärt sich sein Bemühen, das er von da an noch zwölf Jahre fortsett, die entstandene Kluft schließen zu wollen durch Besprechungen über diesen oder jenen Artikel der Lehre. Und ebenso ist dadurch erklärlich seine fortgesezte Schonung und Milde gegen die Fürsten des neuen Kirchenthumes. Bekanntlich erhob wegen dieser Schonung und Milde der König Ludwig XIV. ein Jahrhundert später vor den geistlichen Fürsten von Deutschland, um sie zum Hasse gegen Oesterreich zu reizen, die Anklage, daß der Protestantismus sein Entstehen und sein Wachsthum verdanke der Connivenz des Hauses Habsburg.

Diese Anklage war unbegründet. Vielmehr hat der Kaiser Karl V. sich mit Mühe und Sorge und eigener Aufopferung die Heilung des traurigen Spaltes angelegen seyn lassen. Er konnte es nicht, einestheils weil er glaubte, daß es sich in erster Linie um die Lehre handle, weil er darum auf diese hauptsächlich sein Augenmerk richtete und eben deßhalb das eigentlich trennende Moment, die Veränderung der Kirchenverfassung, das faktisch seit 1527 bestehende TerritorialKirchenthum nicht der vollen Wichtigkeit gemäß würdigte. Er

konnte es aber auch ferner deßhalb nicht, weil die Inhaber des neuen Kirchenthumes, voran die beiden Fürsten von Sachsen und Hessen, troß ihrer Aneignung der von Melanchthon verfaßten Confession, troß ihrer Berufung auf ein von dem Papste auszuschreibendes allgemeines, freies, christliches Concil weil diese Inhaber des neuen Kirchenthumes von Anfang an nicht eine Ausgleichung wollten, sondern das Fortbestehen der Spaltung und mithin die Erweiterung derselben.

Diese Ansicht erscheint vielleicht manchem meiner Leser neu. Sie bedarf mithin des Beweises. Wir haben denselben zu führen. Heben wir zunächst hervor, daß von dem Tage an wo die Landesfürsten und Obrigkeiten sich des Kirchenwesens angenommen haben, gleichwie, um mit Martin Luther zu reden, der Brücken, Wege und Stege oder zufälliger Landesnoth daß von diesem Tage an nur noch eben dieser Landesfürst über kirchliche Dinge entscheidet, nicht mehr die Theologen, daß diese höchstens nur noch eine berathende Stimme haben. Es ist der Beginn des reinen Absolutismus auf kirchlichem Gebiete, damals noch des Landesherrn, in unserer Zeit dessen was man Staat nennt.

Wir haben oben aus den Worten Melanchthons ersehen, wie er bereits im J. 1530 dieses Unheil vollauf erfennt, wie ihm zugleich sich bereits die Wahrnehmung erschließt, daß Martin Luther und er nur gedient haben als Werkzeuge für diesen Absolutismus. Es ist derselbe Grund aus welchem zwei Jahrhunderte später der Vollender dieser Richtung, der König Friedrich II. von Preußen, diese übrigens armseligen Leute, die Reformatoren“, seines Dankes für würdig hält. Nicht mehr Theologen, nicht mehr Geistliche, noch Priester unterzeichnen die Confession von Augsburg, sondern die Fürsten und Obrigkeiten, welche ein neues Kirchenthum bei sich begründet haben.

Von diesen Fürsten bewies der Landgraf Philipp von Hessen seine Abneigung, seinen Widerwillen gegen jegliche Versöhnung des Zwiespaltes dadurch daß er während der

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