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mit einem in seiner Art meisterhaft abgefaßten Schreiben, worin theologische Gelehrsamkeit und Orthodorie ebenso sich spreizten, als es heuchlerisch Demuth, Unschuld, Frömmigkeit zur Schau trug. Nikolaus I. wurde durch diesen Phrasenschwall nicht getäuscht, er vermuthete Trug und schickte Gesandte nach Constantinopel, denen er die gemessensten Instruktionen mitgab. Diese zeigten sich aber den griechischen Künsten und Tücken nicht gewachsen. Sie ließen sich auf einer großen Synode, der sogenannten Prima – secunda, zu Allem brauchen, obwohl die erhabene Standhaftigkeit und Freimüthigkeit des Ignatius dort selbst griechische Bischöfe erschütterte. Schließlich wurde die Unschuld von der Masse (72) falscher Zeugen erdrückt, die von mehr denn 300 Bischöfen und den päpstlichen Legaten besuchte Synode degra= dirte feierlich den Ignatius und erkannte Photius an. So schien lezterer dem höchsten Ziel seiner Wünsche nahe zu seyn. Doch das durch Lug und Gewalt zertretene Necht fand einen unüberwindlichen Hort an Nikolaus I., und weil auch Photius auf seiner betretenen Bahn nicht zurück wollte, so mußte ein Kampf entstehen, welchen das dritte Buch unseres Werkes (S. 505-711) in ebenso ausführlicher als anziehender Weise schildert.

Dieser Kampf erregt um so höheres Interesse, als der Verfasser in Photius alle die reichen Gaben und Talente, womit dessen Genie verschwenderisch ausgestattet war, gehörig in's Licht zu stellen gewußt hat. Wir sehen zwei wahrhaft Gewaltige miteinander ringen, Photius und Nikolaus; der eine groß durch Gelehrsamkeit, der andere durch Charakterfestigkeit; der eine mächtig durch alle irdischen Hülfsmittel welche den Menschen zu Gebote stehen können, der andere mächtig durch alles Höhere was die Sterblichen über sich selbst erhebt: durch Gnade und Autorität, durch Recht und Tugend. Photius unterschäßt nicht seinen Gegner, er ruft durch das bekannte Manifest über Bulgarien den ganzen Orient mit in den Kampf, er sucht durch den Vorwurf der

Verfälschung des Symbolums welchen er den Lateinern macht, dem Zwiespalt eine dogmatische Grundlage zu geben, er trachtet eine ökumenische Synode wider Nikolaus zu versammeln, er gibt sich alle Mühe, die Unzufriedenen unter den abendländischen Fürsten und Bischöfen zu einer Coalition wider ihren strengen Sittenrichter zu vereinigen, er erhält sich die Gunst des launischen Kaisers dem er Schreiben und Drohungen wider den Papst diktirt, er spart endlich kein Mittel, um das Volk von Ignatius abzuziehen, die Masse seiner Treuen zu vermehren und seine Gegner zu vernichten. Von der anderen Seite weiß auch Nikolaus sehr wohl, mit wem er es zu thun hat. Voll des Vertrauens auf Gott und den Sieg des Rechtes, ist er sich doch bewußt, daß er verpflichtet sei alle erlaubten irdischen Mittel anzuwenden. Er bietet darum seine ganze Beredtsamkeit auf, um den Kaiser Michael III. eines Bessern zu belehren. Kräftiger und rührender hat wohl nie Jemand einem Tyrannen an's Herz gesprochen. Der Papst schreibt an die Mutter, an die Frau des Kaisers, an einflußreiche Personen in dessen Umgebung, er sucht Ignatius und die diesem Ergebenen aufzurichten. Und weil er die ganze Bedeutung des von Photius erregten Sturmes durchschaut, ruft er seinerseits den Occident zur Vertheidigung der lateinischen Kirche auf welche Photius so schmählich angegriffen. Seine Hauptkraft fand er aber in dem apostolischen Non possumus. Und wie sollte auch der Felsen welcher den ewigen Gottesbau trägt, nach jedem Winke der kaiserlichen Willkür, nach jedem Winde des menschlichen Aberwiges und Lasters schwanken können? Non enim possumus aliquid contra veritatem (II. Cor. 13, 8). Hieran muß doch zuletzt jeglicher Trug, jegliches Unrecht zerschellen.

Der besagte Kampf zeigt zugleich, wohin hohle Gelehrsamkeit und Wissenschaftlichkeit führt, welche mit Dünkel auf die weniger gelehrten, aber desto thatkräftigeren Männer und Völker herabsieht. Welche Blößen haben sich nicht Photius und seine Partei gegeben? Wir erinnern nur an die Miß

handlung des heil. Ignatius und der ihm Getreuen, an den unglaublichen Trug wodurch Photius seine Synode von 867 als eine ökumenische darzustellen suchte, an seine kriechende Schwäche gegenüber dem erbärmlichsten Wüstling Michael III, an sein schmähliches Benehmen nach der Meuchelung seines größten Gönners, des Bardas, an die unsägliche Heuchelei womit er nichtsdestoweniger überall sich den Anschein eines heiligen Dulders zu geben suchte. Aber selbst seine Gelehrsamkeit gerieth auf große Irrwege nicht nur in den kanonistischen, seine Erhebung betreffenden Fragen, sondern ganz besonders in der Controverse über das Ausgehen des heil. Geistes, wie Hergenröther zum Schlusse mit dogmatischer Schärfe und patristischer Belesenheit nachweist.

Das wäre in einer dürftigen Skizze der reiche Inhalt, welchen der Verfasser in seiner Schrift aus zahllosen Quellenterten zusammengetragen hat. Man mag in der Deutung dieser Stellen nicht immer mit ihm übereinstimmen *); wie sollte es auch anders bei ihrer großen Menge möglich seyn? Aber ein billiger Kritiker wird hinzuseßen, daß es keine

*) Eben deßhalb glauben wir uns auch der Aufzählung einzelner Versehen und einzelner Säße, in denen wir anderer Ansicht sind, enthalten zu dürfen. Nur auf Eines, worin wir eine etwas genauere Fassung gewünscht, wollen wir aufmerksam machen, um einer falschen Deutung vorzubeugen. S. 30 heißt es: „(Der Römische Bischof) übte seine höchste Jurisdiktion im Oriente zunächst nur über die Patriarchen, nicht über die einzelnen Bischöfe." S. 297: „Allein dieses Eingreifen des Römischen Stuhles war eben nur in außergewöhnlichen Umständen hervorgetreten; in ruhigen Zeiten trat es selten ein.“ Diese Worte lassen einen richtigen Sinn zu. Wollte man sie aber dahin deuten, als ob der Verfasser meine, daß der Papst seine Jurisdiktion unmittelbar nur über die Patriarchen, und auch das nur in außergewöhnlichen Umständen, ausgeübt habe, so wäre eine solche Behauptung nicht nur historisch unrichtig, sondern auch sicher gegen die Intention Hergenröthers, wie aus andern Stellen seines Werkes klar hervorgeht.

Hauptpunkte sind die in Frage kommen, daß dieselben noch dazu Dinge betreffen, deren Dunkelheit einem Jeden die Freiheit läßt anders zu denken. Man mag es auch einigen Stellen anmerken, daß es dem Verfasser mehr um die Sache als die Form zu thun war, aber sicher ist der Styl seines Werkes nicht vernachlässigt. Man mag hie und da eine andere Anordnung des Stoffes wünschen, aber man kann dem Verfasser nicht das historische Talent absprechen, die Einzelnheiten so zusammenzustellen, daß sie uns die Entwicklung des Ganzen überschauen und durchschauen lassen. Es ist wahr, eine große Liebe zur Kirche und zum heiligen Stuhle durchhaucht die Schrift, aber Niemand darf deßhalb den Verfasser einer Parteilichkeit gegen die kirchlichen Gegner beschuldigen.

Zum Schlusse unseres Referates wollen wir unsere Freude aussprechen sowohl über das recensirte Werk, welches gewaltig die Fluth ephemerer Erscheinungen auf dem Gebiete der Literatur überragt, als auch über die günstige Aufnahme, welche es nicht nur in Deutschland, sondern bereits im Auslande bei einem der competentesten Kenner des Griechenthums, P. Gagarin (Études relig. hist. et littéraires 1867 p. 358) gefunden hat.

XII.

Credit und Wucher.

Die Naturalwirthschaft im Mittelalter der Völker wie die Geldwirthschaft in ihrer industriellen Culturepoche haben mit dem Untergange der Mittelclassen geendet. In jener lag der Bauer wie der Handwerker in den Banden der Leibeigenschaft und Hörigkeit; der Edelhof verschlang immer mehr das Bauerngut; Verschuldung, Ueberlastung durch Frohnden, Zehnten, Gülten, Besthaupt u. s. w. drängten die Bauernschaft immer mehr hinab in den vierten Stand. Denselben Druck welchen hier der große Grundbesiß auf die ländliche Bevölkerung übte, vollzog in der Periode der Geldwirthschaft das große Capital auf die industriellen Classen; die mittleren Existenzen wurden immer mehr gelichtet, das Handwerk immer mehr zur Arbeit in die Fabrik eingeführt, vom Großbetriebe verschlungen. Durch beide Perioden zieht noch die wucherische Ausbeutung durch das Capital. Dem vierten Stande endlich in allen seinen Gliederungen: dem Gesinde, dem Taglöhner, dem kleinen Bauern, Pächter, Handwerker, den Arbeitern und anderen Bediensteten, bleibt ein menschenwürdiges Daseyn verschlossen.

So haben beide Wirthschaftsformen die Harmonie der socialen Interessen zerstört. Endlich aber bricht sich im Stillen eine weitere wirthschaftliche Entwicklung die Bahn:

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