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In soweit also, in Betreff dieses Eifers, stehen der Meister wie der Schüler, Herr Ranke wie Herr Maurenbrecher, für uns Andere auf derselben Stufe. Aber das Bestreben beider tritt in sehr verschiedener Weise zu Tage. Wahre innere Befriedigung hat beim Lesen der Ranke'schen Arbeit über den Kaiser Karl V. vielleicht noch Niemand empfunden. Denn auch derjenige, dessen eigene Kunde nicht so weit reicht sich über die Tragweite der Sophistik dieses Autors völlig klar zu werden, kann doch hie und da sie erkennen, kann an anderen Stellen sie durchfühlen. Allein bei alledem ist das Werk von Nanke mit großem Geschicke, mit großer Gewandtheit abgefaßt, auch selbst dann wenn er sich an so unmögliche Aufgaben wagt, wie an die Rechtfertigung des Landgrafen Philipp von Hessen, und dabei freilich die vielfachen Urtheile von Philipp Melanchthon über diese Persönlichkeit unberücksichtigt läßt. Ueberhaupt hat das Werk wegen seines technischen Aufbaues viele Bewunderer gefunden, und darum nicht wenig zur Verwirrung der Begriffe von Recht und Unrecht auf dem kirchlich-politischen Gebiete beigetragen.

Für diesen Zweck wird, aller Wahrscheinlichkeit nach, Herr M. vergeblich arbeiten. Er hat das Beispiel seines Meisters in soweit nachzuahmen gewußt, daß er die zahlreichen Urtheile Melanchthons über den Gang der Dinge, die Urtheile welche, wie es scheint, die hauptsächlichsten Anhaltspunkte für eine Geschichte jener Zeit darbieten sollten, am liebsten so behandelt als seien sie nicht da. Unkenntniß kann man dieß nicht nennen; denn ebenso wie bei Herrn Ranke, so genießt auch bei Herrn M. die lange Neihe der Bände des Corpus Reformatorum einigemale die Ehre erwähnt zu werden. Jedenfalls hat Herr M. wenigstens zweimal das Corpus Reformatorum citirt (S. 24 und S. 184); doch ist das Citat beide Male dasselbe, und für die Sache unerheblich. Ueberhaupt aber ist dem Herrn M. eine Unkenntniß des Materiales nicht vorzuwerfen. Nur fehlt ihm die Fähigkeit des Herrn Nanke, die Gesammtheit des Materiales auch von seinem Stand

punkte aus in sich aufzunehmen, gleichmäßig zu durchdringen und zu verarbeiten.

Andererseits dagegen scheint, als habe der Herr M. es für ein Zeichen der Selbstständigkeit angesehen, stärker aufzutrumpfen als seine Vorgänger, und zwar so daß er bei dem gegebenen Materiale nicht stehen bleibt. Der Kaiser ist ihm der spanische Karl“, „der spanische Kaiser“. Einmal auch kommt gar der Ausdruck vor (S. 130): „der Zorn des Spaniers flammte empor." Herr M. weiß aber sehr wohl (S. 166), daß Karl, ein Fürst deutschen Stammes, in den Niederlanden geboren und erzogen, in seinem Aeußeren für die Spanier immer etwas Fremdartiges behielt. Die Protestanten erscheinen durchweg als „Kezer", gleich als hätte der Kaiser sie so benannt, während er doch in der Regel den Ausdruck gebraucht: los desviados, les desvoyez de la foy, los protestantes.

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Fassen wir indessen besonders den Charakter des Kaisers in's Auge. Wir haben in den venetianischen Gesandtschaftsberichten, welche Alberi herausgegeben, verschiedene Schilderungen der Persönlichkeit des Kaisers. Jch hebe eine ausführliche von Cavalli *) aus dem Jahre 1551 hervor. Der Venetianer sagt: „Die Lebensweise des Kaisers ist diejenige eines Christen und eines Privat - Cavaliers. Er sucht sich frei zu erhalten von allen Fehlern, und ich weiß an ihm keine Unvollkommenheit. Vielmehr ist er in allen seinen Handlungen, bis zu den geringsten hinab, so ruhig, so besonnen, so umsichtig, in Geberden und Worten so maßvoll, daß er die allgemeine Bewunderung verdient. Er ist immer leutselig, wallt niemals auf, wird niemals ungestüm, sondern redet so überlegt, so sachgemäß, so voll Gottvertrauens, daß man sagen darf, er spreche weder ein Wort das an sich Tadel verdiene, noch ein solches das seiner Sache schade."

*) Serie 1. Tom. 2 p. 195. Man wolle dazu die durchaus ent sprechende Melanchthons aus dem Jahre 1530 vergleichen, im Corp. Ref. II. p. 430.

Anders urtheilt Herr M. Nachdem er erzählt, daß der Kaiser wichtige Verhandlungen mit fremden Gesandten gern persönlich abgemacht habe, fährt er fort (S. 170): „Aber ich glaube, trotzdem ist Kaiser Karl ein schlechter Diplomat gewejen. Seine reizbare Natur hat ihn oft zu Aeußerungen hingerissen, die sich mit der Würde seiner Stellung und dem Ernste der Sache nicht vertrugen u. s. w. In dem persönlichen Charakter zeigte der Kaiser diese Reizbarkeit bei jedem Anlaß. Die Heftigkeit seiner Natur konnte sich zu furchtbarer Höhe steigern. Leidenschaftlich schimpfend und tobend fuhr er oft seinen Gegner an; und dabei war er eigensinnig und hielt zäh an dem einmal ergriffenen Gedanken fest. Eine empfangene Beleidigung vermochte er nicht zu vergessen, seine Rachsucht war von nachhaltiger Dauer." "Und im Grunde", sezt dann Herr M. gütig hinzu, „war er doch ein durchaus ernster Charakter, dem Tiefe des Gefühles und Tiefe des Gedankens nicht abzusprechen ist.“

Die etwaige Ansicht, daß solchen Unsinn nur ein Mann verbringen könne dem die Schilderungen der Zeitgenossen über Karl V. fremd seien, würde Herrn M. Unrecht thun. Herr M. kennt nicht bloß die Berichte der Venetianer in der Sammlung von Alberi: er beruft sich hier ausdrücklich auf dieselbe. Er citirt den Bericht Contarinis aus dem Jahre 1525 oder 1526, speciell zunächst für die „nachhaltige Dauer der Rachsucht" des Kaisers. Wir ziehen es vor die ganze Schilderung *) Contarinis wenigstens so weit herzusehen als sie hier in Frage kommen kann. Um so sicherer wird dann der Leser selber sich sein Urtheil bilden können.

„Der Kaiser, sagt Contarini, ist ein tief religiöser Mann, durchaus gerecht, frei von jedem Laster, in keiner Weise dem Vergnügen ergeben wie gemeiniglich die Leute seines Alters, noch hat er Gefallen an irgendwelchen Späßen. Er ist ein Mann von wenig Worten und von sehr bescheidenem Wesen.

*) Relationi ete Serie 1. Tom. 2 p. 61 sq

Er erhebt sich nicht sehr im Glücke, noch läßt er sich niederbeugen im Unglücke. Freilich ist er empfänglicher für Traurigkeit als für Heiterkeit, gemäß der Beschaffenheit seines Charakters, den ich als zur Schwermuth neigend bezeichnet habe. Wahrlich nach jenem so großen Siege über den König von Frankreich benahm er sich mit solcher Mäßigung, daß es wie ein Wunder war. Man sah an ihm kein Zeichen der Ueberhebung weder in Worten, noch irgendwelchen Geberden. Jedoch hat er eine nicht sehr löbliche Eigenschaft. Gemäß dem nämlich was mir sein Beichtvater sagte, der Franziskaner der in Valladolid starb, mit dem ich ziemlich vertraut war, ist der Kaiser von Natur der ihm angethanen Beleidigungen eingedenk, und kann sie nicht so leicht vergessen*). Das ist was als der Beachtung des erlauchten Senates würdig ich über die Person des Kaisers berichten kann.“

Als Contarini diesen Bericht schrieb, war der Kaiser Karl V. 25 Jahre alt. Die betreffenden Worte, welche den Ausdruck Nachsucht“ nicht einmal rechtfertigen, geschweige denn andere Zusäße - jene Worte die auch Contarini selber nicht nach eigener Wahrnehmung oder Ueberzeugung geschrieben, werden von den späteren Venetianern, die den gereifteren Kaiser charakterisiren, nicht bestätigt.

Ich könnte nun noch mich beziehen auf die glänzende Charakteristik des Kaisers durch Melanchthon im Jahre 1530**). Eben diese ist aber in lepterer Zeit mehrfach wieder gedruckt. Sie athmet Begeisterung für den damals dreißigjährigen Kaiser. Und mit dieser Vergleichung dürfte der gute Wille des Herrn Maurenbrecher in ein hinreichend klares Licht gestellt seyn.

Dazu treten Irrthümer anderer Art. Vor allen Dingen findet nicht immer ein richtiges Verhältniß in der Darstellung

*) è naturalmente Cesare memore delle injurie fattegli, nè le può dimenticare così facilmente.

**) Corpus Reformatorum II. 430.

statt. Geringfügige Vorfälle werden ausführlich erörtert; der so unendlich tief in die Schicksale des deutschen Volkes einschneidende Bauernkrieg wird abgethan in möglichst kurzer Weise. Ueber den Ursprung desselben kein Wort. Aber dann furz die Charakteristik (S. 14): „die Macht der einzelnen Landesherren hat dann auch die Bauern niedergeworfen: es ist im Reiche Alles beim Alten geblieben." Ich habe nicht unterlassen können, zur Hervorhebung diese leßten Worte zu unterstreichen.

Ueberhaupt geht diese Einleitung des Herrn M. rasch und leicht über die schwierigsten Fragen hinweg. Er begnügt sich nicht mit der Art und Weise, wie Herr Nanke die Ausnuzung des Reichstags-Schlusses von Speyer im Jahre 1526 vertheidigt hat. Herr M. sagt ohne weitere Erörterung (S. 19): „Nachdem einmal auf dem Reichstage von Speyer 1526 die Freunde der Reformation den Rechtsboden zur Befestigung ihrer kirchlichen Neuerungen erobert hatten" u. s. w. Er geht dann weiter und sagt, bei Gelegenheit des Nürnberger Friedens im Jahre 1532 (S. 85): „Damit aber, meine ich — nämlich ich, der Historiker Maurenbrecher anno domini 1865 ist von Reichswegen und durch des Kaisers Autorität das protestantische Princip des Speyerer Tages von 1526 auf's neue zur Geltung gebracht. In diesem Frieden ist die Rechtsgültigkeit dieses Principes vollständig zu Gunsten der protestantischen Opposition, die kühn auf ihren Grundsäßen verharrte, anerkannt worden."

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So der Herr Maurenbrecher. Es ist in seinem Interesse zu beklagen, daß er nicht vor nun 330 Jahren den betreffenden Personen diese seine Meinung hat darlegen können. In Betreff der Sache selbst dürfte weniger etwas zu beklagen jeyn. Denn wenn die nachträgliche Meinung des Historikers M. vom Jahre 1865 begründet, wenn das Princip des cujus regio ejus religio denn dieß und kein anderes ist das hier in Nede stehende Princip — bereits im Jahre 1532 reichsrechtlich anerkannt wäre: so scheint es, daß dann

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