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Herrn Thomas versorgt sein wollte, da er Gottes Wort besser zu sagen wisse, und setzte ihn ein. Das Beispiel wirkte bald; zu Klüß, in Dörfern der Umgegend fingen hier und da die Geistlichen an, sich zu verheiraten, auf Heiligenverehrung und Mönchsleben zu schelten, überhaupt in evangelischem Sinne zu wirken. — Aus anderen Städten des Landes wird noch berichtet, daß zu Schwerin 1527 Jürgen Westphal und Martin Oberländer, 1529 Egidius Faber, und daß zu Parchim seit 1528 Kaspar Lönnies predigte. Never und Klemens Timme erhielten in Jürgen Berenfelder einen Helfer. Auch Slüter in Rostock bekam 1528 seinen alten Gegner Valentin Korte zum Amtsgenossen und Paschen Gruwel zum Beistand, und im nächsten Jahre erstanden in Matthäus Eddeler und Peter Hanekendall neue evangelische Glaubenszeugen, denen der früher so eifrige Katholik Antonius Becker an St. Nikolai sich anschloß. Besonders fördersam der neuen Lehre war es gewesen, daß 1526 der Streit über die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria zwischen den Dominikaner- („swarten“) und Franziskanermönchen („grauen") wiederum ausbrach. Jene leugneten dieselbe, diese verteidigten sie, und beide Parteien kämpften so erbittert gegen einander, daß ein Bürgermeister ihnen gesagt haben soll, er könne nicht mehr raten und helfen, weil sie ihre Lehre selbst öffentlich stinkend gemacht hätten. 3)

Der Inhalt der Predigten aller dieser Männer ist uns dahin bekannt geworden, daß sie gegen die Marienverehrung und die katholische Werkgerechtigkeit gerichtet war; lehrte, daß alle Christen in gleicher Weise Priester wären und deshalb keinen bevorzugten Priesterstand anzuerkennen nötig hätten; verkündete, daß jede fromme Dienstmagd vor Gott besser wäre denn die Mönche in ihrer Heiligkeit; betonte, daß der Bischof zum Predigen da wäre, nicht zum Herrschen. Die Folgen konnten bei den Hörern nicht ausbleiben. Übte man einerseits sich in wahrer evangelischer Frömmigkeit, besuchte fleißig die Predigten, betete und besprach sich eifrig über Fragen der Lehre, so versuchte man andererseits die Hebungen zurückzuhalten, welche für gottesdienstliche Zwecke ausgesezt waren; die Bauern weigerten sich des Zehnten, die Städter wollten die städtischen Lasten als Abgaben, Hülfe bei der Schanzarbeit auch von der Geistlichkeit getragen wissen; die Testamente von Geistlichen verbesserte man nach seiner Art, indem man mit natürlichem Gerechtigkeitssinn den unversorgten „Köfeschen“ und ihren Kindern aus dem Erbe den Unterhalt anwies. Es darf auch nicht verschwiegen werden, daß die Pacht fortan planmäßig einbehalten, Zinsen fast nicht mehr bezahlt, die Häuser der Geistlichen in schlechtem baulichen Zustand belassen und verwahrlost wurden. Mit dem heiligen Eifer um die Wahrheit verband sich gar häufig unlautere Habgier.

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Den Martinianern" gegenüber ist die Gegenpartei aber auch nicht müßig geblieben. In der That machte das Evangelium in den zwanziger Jahren nicht so reißende Fortschritte, wie gewöhnlich angenommen wird. In Rostock stand das Domkapitel noch in voller Kraft und beseßte die ihm zustehenden Stellen mit Personen seiner Richtung; evangelische „Pfarrherrn“ sind noch selten im Lande; mit Ausnahme von Möller und Aderpul sind

die Lutherischen in Prädikantenstellungen. Das Domkapitel wurde unterstüßt durch die streng katholische Universität. Auch das Schweriner Domkapitel vergab seiner Würde nichts, und von Bütow wird uns berichtet, daß die Lutherischen auf Betreiben der Domherren ihre Gottesdienste vor den Thoren der Stadt halten mußten. Das Güstrower Domkapitel blieb ebenfalls starrsinnig, und da Malchin, Teterow, Laage von ihm besezt waren, konnten diese Städte auf evangelische Versorgung noch warten. Dasselbe war der Fall, wo Klöster das Patronatsrecht hatten, wie in Waren, das neben Penzlin und 14 Kirchdörfern dem Kloster Broda zu Patronatrecht noch 1500 von Papst Alexander VI. bestätigt war.) Dazu waren überall die Offiziale geschäftig, und da ihre geistliche Gewalt nicht mehr ausreichte, erschöpften sie sich in Klagen bei Herzog Heinrich. 5) Einer von ihnen, der Offizial zu Friedland, verbot dem Mönch das Predigen, und als dies nicht half, rief der Bischof von Havelberg, zu dessen Sprengel Friedland gehörte, den lästigen Mönch ab. Die gesamte Priesterschaft zu Friedland beschwerte sich 1526 in ausführlichem Schreiben bei dem Herzog und ebenfalls bei dem Bischof Busso von Havelberg, der seinerseits nicht säumte, ganz höflich und freundlich den Herzog um Abstellung der Beschwerden zu bitten. Bei der offenkundigen Ohnmacht zur Selbstverteidigung kam alles darauf an, wie die Landesfürsten sich stellen würden. Einstweilen half sich der überaus schneidige Bischof Georg von Blumenthal in Rayeburg, der zugleich Bischof von Lebus in der Mark, zur Zeit der Einsehung des Aderpul zu Gressow im Lande nicht anwesend gewesen war, auf höchst einfache Weise. Bei „nachtschlafender Zeit“ ließ er mit einer guten Anzahl seiner Reiter und reisigen Diener den Aderpul auf dem Pfarrhofe überfallen, ihn schlagen, binden, ins Schloß Schönberg führen und in hartes Gefängnis sezen. Der Bischof blieb gegen alle Vorstellungen der Plessen sowie der Herzoge taub. Dafür sandten die Plessen und ihre Nachbarn und Freunde dem stolzen Kirchenfürsten am 26. Dez. 1529 einen trozigen Absagebrief, überfielen in der Zahl von 100 Rittern und vielen Knechten des Bischofs Gebiet und führten große Beute hinweg ein Beispiel eines Religionsfrieges im kleinen. Der Bischof ruhte nicht, bis er die Sache ans Reichskammergericht gebracht hatte. Aderpul aber schmachtete länger als ein Jahr im Gefängnisse. Vom Bischof Georg bekannten noch 1540 die erschreckten Geistlichen: „Behüt uns Gott vor dem Papste und dem Bischof von Lebus, es ist ein Teufel wie der andere."

Von den Anfechtungen niederer Art, wie Verleumdungen, ja solchen unflätiger Art, Nachstellungen, ja mit Gift und abergläubischen Zaubermitteln, können wir absehen. Die in ihrem Bestand bedrohte katholische Geistlichkeit hat darin alles nur Erdenkbare versucht und erprobt, wacker unterstützt von denen, die ihrer geistlichen Bearbeitung sich willig unterwarfen. Erhalten ist uns ein lateinisches Schmähgedicht auf Martin Luther, angefertigt von einem Predigermönch zu Wismar, der seine ganze Galle in giftigen Worten ausschüttete.") Gewiß hätte die Geistlichkeit mehr Erfolg gehabt, wenn die weltliche Obrigkeit, der Rat, ihr tapferer zur Seite gestanden hätte. Dieser nahm in Friedland eine abwartende und vorsichtige Stellung ein. Zwar

machte er insoweit gemeinschaftliche Sache mit den „Martinianern“, als er die Geistlichkeit unter die weltliche Gerichtsbarkeit und zu den Stadtlasten heranzog; denn „Reformation über den geistlichen und weltlichen Stand“ war sein Stichwort. Aber er erkannte gar bald seine obrigkeitliche Stellung, vermöge welcher er jeden Aufruhr zu mißbilligen, Frieden und Einigkeit zu erhalten hatte. Und wenn zu Friedland ein toller Haufe unzufriedener Bürger unter Anführung ihres Karsten Rawoth und des Studenten der Theologie Bartholomäus Hannemann in der Fastnacht 1526 das Versammlungshaus der Priesterschaft stürmte, die Fenster den Priestern einwarf und dem Offizial Heinrich Hasse, dem lange nicht ohne Grund verhaßten, derb zu Leibe ging, so zog der Kat zwar die Rädelsführer ein, entließ sie jedoch bald wieder, da er den strohfeuerartig aufflackernden Groll der Bürger zur Genüge kannte. Aber als dann 70 Bürger mit einer Bittschrift beim Herzog um Übersendung eines Predigers vorstellig wurden, riet der Rat dringend ab, weil Geistliche, das heißt katholische, genug in Friedland wären, und die Anwesenheit von lutherischen Predigern nur Unfrieden stiften würde. Es ist der Landfriede, die öffentliche Ruhe, welche der Rat wahren will, und so verdanken wir es den Stadtobrigkeiten nicht zum mindesten, daß die Reformation nicht zur Revolution ausarten durfte. Recht zaghaft war anfangs wohl der Rat zu Ribniz. Auf Veranlassung der Äbtissin des Klosters sezte er einen Schmiedeknecht ins Gefängnis, der den Prediger des Sonntags öffentlich Lügen gestraft hatte; als die Bürger murrten, ließ er ihn jedoch wieder frei. Am Sonntag Jubilate 1526 predigte derselbe Schmiedeknecht im Freien aus seinem deutschen Buche". Aber die willensstarke Äbtissin wußte dennoch seine Ausweisung aus der Stadt durchzusehen. „Alßo schal men smedeknechte uth luchten", schließt der Chronist seinen Bericht. Als 1527 ein Grobschmied das Opfer vom Altar nahm, mußte er sich verbitten, zur Sühne zwei Pferde ein Jahr lang unentgeltlich beschlagen und mit 30 Bürgern in die Kirche gehen und daselbst 30 Pfennige opfern. Freimütiger ging der wismarsche Rat vor, indem er seinerseits schon 1525 Silberwerk und Kleinodien im Franziskanerkloster verzeichnen und seinen Predigern viel Freiheit ließ. Der Lübecker Rat hielt es deshalb für nötig, am 30. März 1526 den Rat zu Wismar aufzufordern, dahin zu wirken, daß die jungen Kaufleute, die in den Niederlanden thätig wären, sich der lutherischen Lehre und der verbotenen Bücher enthielten. Seltsam ist die Begründung: „Da es dem Handel leicht zum Nachteil gereichen könnte." Hatte doch in England Heinrich VIII in seinem Haß gegen Luther alle Bücher dem Kontor zu London wegnehmen lassen! Ablehnend verhielt sich der Rostocker Rat; doch begnügte er sich den Frieden innerhalb der Stadt zu wahren; darum verbot er beiden Parteien die Disputationen. Erst durch den Ratssyndikus Johann Oldendorp wurde der Rat der neuen Lehre freundlicher gestimmt; er willfahrte dem Verlangen der Bürgerschaft und seßte 1528, dann 1529 auch seinerseits lutherische Prädikanten ein. Und als er 1530 und 1531 die Reformation einführt, erklärt er, immer nur dem Drängen der Bürgerschaft nachgeben zu müssen.

Die Einführung der Reformation wurde erst durch das Vorgehen des Herzogs Heinrich beschleunigt, zugleich aber in durchaus friedliche Bahnen gelenkt.

10. Die Stellung Heinrichs und Albrechts zur Reformation.')

Von vornherein muß die Behauptung zurückgewiesen. werden, als ob Heinrich eine schwankende Haltung gezeigt habe, uud Albrecht vom Evangelium wieder abgefallen sei. Albrecht ist nie evangelisch gewesen. Allerdings der Chronist Reimar Kock erzählt: „Duße hertig Albrecht, alse Doctor Martinus Luther begunde tho schriven, nam he dat Evangelium an.“ Allein diese Bemerkung ist nur darauf zu beziehen, daß er evangelische Prediger anstellte, und wir werden sogleich sehen, welche Bewandtnis es damit hatte. Es wird uns vielmehr von Albrecht berichtet, daß er 1525 in Ribniß sich Messe lesen ließ und sogar seinem Neffen Magnus die lutherische Lehre dringend widerriet. Anders steht es mit seiner Gemahlin Anna, der brandenburgischen Kurfürstentocher. Auf Betreiben ihres Bruders legte sie die „heillose Kappe“ ab, trat aus dem Kloster und ward 1521 die Braut Albrechts. Ihre evangelische Mutter wird das Ihre dazu gethan haben, daß Anna eine eifrige Lutheranerin ward. Als solche zeigte sich die Jungvermählte bei ihrem ersten Auftreten im neuen Vaterlande, freilich um hernach nur soviel eifriger katholisch zu werden. 1539 z. B. gelobte sie bei Gelegenheit einer Krankheit ihres Sohnes Christoph, für den Fall seiner Genesung zum heil. Blute in Sternberg zu wallfahrten und ein wächsernes Bild, so schwer wie der Prinz, zu opfern.

Von Herzog Heinrich ist bekannt, daß er 1523 Luther in Wittenberg gesehen und gehört hat. Aber in demselben Jahre 1523 stiftete er noch eine Fürstenkommende zur Mehrung des Gottesdienstes in der Blutskapelle zu Sternberg. Und so wagte Luther es nicht, in Briefwechsel mit dem Herzoge zu treten, obwohl dieser um Prädikanten bat. Wie erklärt sich dieser Widerspruch in der Haltung des Fürsten? Herzog Heinrich war als Vater des jungen Bischofs Magnus zugleich der Vormund desselben! Als solchen hatte das Kapitel ihn gewählt; als solcher leistete er demselben den auferlegten Eid für die Innehaltung der Wahlkapitulation, die ihm auferlegte, dafür zu sorgen, daß in der kirchlichen Versorgung kein Mangel eintrete. Hinzu kommt, daß in seiner nächsten Umgebung, besonders in seinem Kanzler Kaspar Schöneich der Katholiszimus eine feste Stüße hatte. Wie konnte Heinrich lutherischen Gedanken auch nur Raum geben? Von Rom aus berichtete ihm Wardenberg die Stimmung des päpstlichen Hofes, daß ein Kind des Todes der sei, welcher den Namen Luthers ausspräche. Von Stralsund aus, das ja zum schwerinschen Sprengel gehörte, und von Rostock aus suchten die Offiziale seine Hülfe in Sachen, die „unsen g. h. van Swerin mercklich betreffen und to nadele langen“, und nennen ihn „unszes g. h. tho Zweryn vader und naturlige vormunder ock des Stiffts Clerisyen hanthaver". 2)

deutsche Fürsten unter sich ein Trunkverbot machten und von demselben nur abstehen wollten, wenn sie sich in Sachsen, Brandenburg, Pommern, Mecklenburg befänden, wo zu trinken Gewohnheit sei, so ist das allerdings ein schlechtes Zeichen der Zeit, aber auch der Süddeutschen, die das Schlechte im Norden, nur nicht bei sich selbst suchten.

Die Sünde wider das sechste Gebot, die Begleiterin der Unmäßigkeit im Essen und Trinken, wird auch in unserm Lande im Schwange gewesen sein, nicht mehr und nicht minder als überall zu allen Zeiten. Die Geringschäzung der Ehe seitens der Geistlichkeit sowie die Sünden derselben mußten allerdings sehr nachteilig wirken, und es ist ganz und gar ein Zeichen der Derbheit, wenn das Bordellwesen nicht nur in Flor stand, sondern auch der Besuch solcher Häuser ziemlich ungeniert, ja manchmal unter einem gewissen Pomp stattfand.13)

Daß auch der Spielteufel sein Unwesen trieb, beweist wohl am besten der eigentümliche Revers, den ein Edelmann, Henneke Holstein auf Ankershagen, dem Lehrer seiner Kinder 1539 ausstellte, in welchem er sich verpflichtete, zwei Jahre lang nicht zu spielen; nur bei einem Gastmahl solle es ihm freistehen, jedoch nicht um Geld. Hier ist der Revers: „Ick Hennicke Holst bekenne mit dieser meiner Handschrieft, das ich dem achtbaren wirdigen und hochgelarten Magister Simon Leupoldt mein Spilen auf heut dato hab verkauft auf karten, werfeln und beskulen (Kegel) 2 Jar lanck und habe ime bei meinen eren und waren Worten uf schelmschelten und bei eddelmans geloben zugesagt, nit zu spilen, so lange die zwei jar varen, wir sein, wo wir wollen; aber des abendts bei unsem wirt, dar wir zu tisch gehen, so wir zur colation (Abendschmaus) gehen, da wil mirs der magister zu rechter zeit verleuben; so oft ich aber werde umb gelt spilen, wil ich im 6 penninge geben, so oft ver nestel, wil ich 3 pennige geben zur peen (Strafe). Des zu urkundt und merer sicherheit hab ich meinen Namen noch einmal unten angeschrieben. Ankershagen, Dinstag in der marterwoch anno 39. H. H."14) Wir sehen aber den Einfluß des reformatorisch gesinnten Hauslehrers, der seinen Herrn zu heilen sucht.

Die gerichtlich erkannten Strafen für Vergehen aller Art waren entseßlich hart und können wohl von einem mehr barbarischen Zeitgeist Zeugnis ablegen; auf Bigamie stand Todesstrafe, eine Kindesmörderin wurde lebendig begraben, ein Pferdedieb gehängt, im Kezerprozeß wurde die Folter angewendet. Durch Zwicken mit Zangen wurde die Todesstrafe noch verschärft, welche vielleicht auch noch durch die „eiserne Jungfrau" vollzogen wurde. Wenigstens im Schlosse zu Schwerin und zu Woldegk sind Spuren gefunden, die auf die Jungfrau weisen, welche durch ihre Umarmung mit breiten Schwertern die Verbrecher in Stücke schnitt. 15)

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