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8. Besserungsstreben in der Kirche.

Das Besserungsstreben ist am Vorabend der Reformation auch in Mecklenburg recht weit ausgeprägt. Zwei markige Bischofsgestalten sind es, welche die Herstellung einer scharfen Zucht unter der Geistlichkeit sich angelegen sein ließen und dem eingerissenen Unwesen in den Sitten und kirchlichen Ordnungen einen Damm entgegenseßten. Nikolaus Böddeker von Schwerin erließ 1444 strenge Synodalstatuten, welche die päpstliche Bestätigung fanden und 1452 auf einer zweiten Synode noch vermehrt wurden. 1492 erließ Konrad Lost, welcher den Schweriner Bischofsstuhl von 1482-1503 innehatte, abermals Synodalstatuten. Dieselben griffen scharf in die Mißbräuche ein, regelten den Mißbrauch des Pfründenwesens, straften den unsittlichen und anstößigen Wandel der Geistlichen, hielten auch auf die würdige Instandhaltung der kirchlichen Gebäude und verhinderten die Entfremdung kirchlicher Güter. Auf Grund seiner Statuten hatte Böddeker 1453 das Cisterziensernonnenkloster zum heil. Kreuz in Rostock reformiert; Lost visitierte 1495 das Kloster Rühn. Auch sonst wissen wir von klösterlichen Visitationen, zu denen die weltliche Gewalt, wie wir gesehen haben, drängte und half. Vom Bischof Johann von Thun gerade ist bekannt, daß er die Klöster in den Bereich seines Besserungsstrebens zog.

In den Jahren von 1519-1529, im Ordinarium der Schweriner Kirche, der Ergänzung desselben, der Agende und dem Breviarium wurden Losts Statuten ausdrücklich ins Gedächtnis zurückgerufen und von neuem bestätigt. In dem Ordinarium von 1519, das bei Strafe des Bannes von den Kirchen anzuschaffen und an eiserner Kette aufzubewahren war, wurde eine Gleichmäßigkeit der Gottesdienste und Amtshandlungen der Geistlichen befohlen. 1520 wurden Mißbräuche der Beichtpraxis beseitigt. 1521 sah man die Lehre Luthers bereits für so gefährlich an, daß der Papst die Absolution der Lutherischen sich vorbehielt; zugleich wurden die alten Agenden, in die sich manches Sinnlose eingeschlichen hatte, abgeschafft, eine neue eingeführt. Im Anhang erscheint schon die gegen Luther gerichtete Verdammungsbulle. 1529 fam eine neue Gottesdienstordnung heraus nebst einem Kalender, der tägliche Gebete und Leseabschnitte enthielt. Man sieht, wie das Domkapitel und seine Vorsteher sich alle Mühe gaben, das Kirchenwesen zu erneuern.

Aber wie die Synodalstatuten zunächst nur rein äußerliche Dinge berücksichtigen, so verbauen sie damit sich selbst den Zugang zur Besserung der Lehre, auf die es gerade ankam. Zudem lag die Ausführung der Geseze an den kirchlichen Beamten, welche Übertretungsfälle anzuzeigen hatten. Da war in Rostock der Generaloffizial des Bischofs, in Schwerin der Dompropst. Außerdem war der schwerinsche Sprengel in 7 Archidiakonate geteilt: Rostock, Parchim, Kröpelin, Dobbertin, Waren, Triebsees, Stralsund. Die Archidiakonen übten das Kirchenregiment. In der rahe

burgischen Diözese verwalteten dies Amt der Dompropst zu Razeburg und die Pröpste zu Rehna und Eldena. In Röbel und Friedland saß je ein havelbergischer Offizial. Aber wenn diese geistlichen Oberen, wie Friedrich Suerker und sein Nachfolger Heinrich Hasse in Friedland, selbst in allerschlechtestem Rufe standen! Sie mußten Synoden, „Sendt“, mit der ihnen untergeordneten Geistlichkeit anstellen, welche gegen Strafe des Bannes zu derselben zu erscheinen hatte. Aber die würdigen Herrn pflegten sich teure Rekognitionsgebühren zahlen zu lassen. Und wie hielten sie den „Sendt"? Wenn sie beide Augen zudrückten! In der That, der gleichzeitige Geschichtsschreiber, Albert Kranz, beklagt das Vertuschungsverfahren dieser würdigen Herren. Er giebt allein ihnen die Schuld, daß das Unkraut im Garten sich immer weiter ausbreitete. So sagt er weiter: Die Furcht vor der göttlichen Strafe allein thuts bei der Geistlichkeit nicht mehr; sie trösten sich mit der Menge der gleichen Sünder, um so mehr als die Obern die Augen zudrücken. Und so schließt er: Wenn es dem Bischof Johann selbst mit Hilfe des weltlichen Arms nicht gelang, so muß man bei andern ganz verzweifeln.1)

Dennoch finden sich auch unter der Geistlichkeit selbst Personen, die es recht meinten. Wir haben dieselben schon erwähnt: Vicke Dessin und Marquard Behr, Johann Hagenow und Johann Kran, die Äbtissin Dorothea. Gegen die Ausartung des Ablasses trat 1516 der Rostocker Professor Konrad Pegel mit einer Schrift auf, welche er seinem Zögling Herzog Magnus widmete, dessen Lehrer er seit 1514 war. Aber Pegel ist kein Luther, der dem Ablaßunwesen kühn zu Leibe geht. Mit keinem Wort erwähnt er in seiner gelehrten Schrift, die sich auf Beispiele der alten Griechen und Römer, nicht auf die Schrift stüßt, den Ablaß. In echt katholischer Weise fordert er von dem reuigen Christen die Wiedergutmachung seiner Sünden; aber neben Fasten und Geldspenden fordert er, und das giebt seiner Schrift einen evangelischen Hauch, sowohl den aufrichtigen Schmerz über die Sünde als besonders das Gebet an den gnädigen Gott.")

Pegel wird ein Schüler des Magisters und Priesters Nikolaus Ruge genannt, der bis jetzt mit Vorliebe als Vorläufer der Reformation in Mecklenburg bezeichnet wurde; erst ganz neuerdings ist ihm diese Ehre strittig gemacht, als nachgewiesen ist, daß die Schriften dieses merkwürdigen Mannes Übersetzungen der Werke des „Kezers" Johann Hus aus Prag sind. Einwirkungen eines andern „Kezers“, Wiclifs in England, sind für unser Vaterland schon aus dem Ende des 14. Jahrhunderts in Wismar und 1404 in Rostock nachzuweisen; hier wurde eine Bürgersfrau von der katholischen Inquisition auf öffentlichem Markte verbrannt. Und so wissen wir nun auch, daß die „Kezereien" des Hus nach Mecklenburg gekommen sind. Ein Rostocker Magister war von 1467-1496 an der hussitischen Universität thätig gewesen; in Rostock selbst pflegten Versammlungen der zur böhmischen Richtung Gehörenden stattzufinden, in einem Keller, den das Volk verleumderisch „Kuß oder Poßkeller" nannte. Zu diesen hielt sich Nik. Ruge, Lehrer an der Universität, und beförderte ihre Gemeinschaft durch seine Übersehungen. Sie sind das „Bokeken van dem repe", in dem Glaube, Liebe,

Hoffnung, die drei Stricke, zu einem Strick zusammengeflochten werden, an dem der Mensch aus Sünde und Tod sich retten kann, eine Auslegung des Glaubens, der 10 Gebote und des Vaterunser. Die eifrige Inquisition des Dominikaners Joachim Ratstein, der mit Feuer, Marter und Stock drohte, ließ die Bücher verbrennen, den Ruze nach Wismar und Livland verfolgen. Nur einige Exemplare vergrub ein Freund und bewahrte sie der Nachwelt auf. Ruze aber scheint um 1508 in Rostock gestorben zu sein, wenn auch kein „Vorreformator“, so doch immerhin ein Vertreter derjenigen Richtung, welche nach ihrer Weise die Kirche bessern wollte.3) Das Licht des reinen Wortes Gottes leuchtete auch unserem Vaterlande von Wittenberg her.

II. Die Einführung der Reformation.

1524-1549.

9. Die Anfänge der Reformation.

Die Kunde von Martin Luthers Auftreten ist in Wort und Schrift recht bald nach Mecklenburg gekommen. Schon 1520 traf ein Augustinermönch in Sternberg ein, vermutlich der spätere Prior des dortigen Klosters, Johann Steenwyck, und 1521 begehrte und erhielt Konrad Pegel die Erlaubnis, seine Erziehungsthätigkeit am Hofe zu Schwerin zu unterbrechen und in Wittenberg bei Luther und Melanchthon zu studieren. Von dort war soeben ein Freund des jungen Magnus gekommen, Antonius von Preen, und mit allen Ehren von Herzog Heinrich aufgenommen worden. Herzog Albrecht sah wiederholt den kühnen Gottesmann zu Wittenberg. Hier wie zu Worms, wo auch Herzog Heinrich anwesend war, scheint Luthers Auftreten einen günstigen Eindruck bei den Herzögen hinterlassen zu haben; denn das Wormser Edikt, in welchem Luther mit seinen Anhängern in Acht und Aberacht erklärt wurde, ward im Lande nicht veröffentlicht. Vielmehr erhielt der Professor Marschalk 1522 bestimmten Befehl, über das Neue Testament Vorlesungen zu halten, und die Universität den Auftrag, die Studenten zum Besuch derselben aufzufordern. Schon waren Luthers Schriften bekannt und wurden zu verbotenen Büchern gestempelt, aber vielleicht um so mehr gesucht, als der fleißige Buchdrucker Dieß die päpstliche Bannbulle gegen Luther 1522 auflegte und in seiner Druckerei vervielfältigte.

Der erste Schüler Martin Luthers aus Mecklenburg war jener eben genannte Antonius von Preen, der bereits 1521 die Domkantorei in Rostock von Herzog Heinrich erhielt. In demselben Jahre traten in Rostock zwei Männer mit evangelischer Überzeugung auf, welche Luthers Schriften studiert hatten, ein Kaplan an der Jakobikirche, Sylvester Tegetmeier, und der Franziskaner Stephan Kempe. Allerdings sie verließen Rostock sehr bald. Der zweite Schüler Martin Luthers fam erst 1524, der Augustiner Heinrich Möller von Egenhausen, der in Wismar zuerst vor Herzog Albrecht, dann in der Stadt dauernd thätig wurde. Hatten doch beide Herzoge zu Anfang des Jahres 1524 Martin Luther um Prädikanten gebeten! Im Juli desselben Jahres sandte letterer jenen Heinrich Möller an den Gesinnungsgenossen Johann Steenwyck ab. Noch häufiger sehen wir in der Folge

Martin Luther Geistliche in unser Land senden; besonders Dietrich von Malzan auf Grubenhagen, der in Wittenberg studiert hatte, blieb in Verfehr mit Luther, der ihm zu mehreren Malen Prediger empfahl.1)

Zu Rostock trat als Reformator seit 1523 Slüter, oder wie er eigentlich heißt, Joachim Kußer, eines Fährmanns Sohn aus Dömiz, auf. Er hatte Luthers Lehre aus Büchern geschöpft und wirkte seit 1521 als Lehrer an der Schule zu St. Peter; 1523 wurde er Kaplan an derselben Kirche und hatte nun Gelegenheit, in Predigten zum Volke zu reden. Dabei hatte er großen Zulauf, zwar nicht von den Vornehmen, sondern von den Handwerkern und dem geringeren Volke, dem die Studenten sich zugesellten. Unter der Linde vor der Kirche sprach er zu Hunderten und Tausenden, die um ihn standen, von den Zweigen der Bäume oder aus den Fenstern der Häuser ihm lauschten.2) In Wismar predigten neben Möller die Franziskanermönche Heinrich Never und Klemens Timme. Ersteren sette der Rat 1525 als Guardian des Klosters ein und erkannte seine Predigt ausdrücklich an. Einem gewissen Johannes Windt öffneten Schiffer und Bootsleute gegen den Willen des Pfarrherrn die Kanzel zu St. Nikolai. Zu Güstrow in der Kirche zum heil. Geist wirkte Joachim Kruse seit 1525 in evangelischem Sinne. Um Ostern desselben Jahres predigte ein Augustiner Henning Krukow zu Neubrandenburg, im Sommer 1525 derselbe auch in Friedland. Es ist bedeutsam, daß soviele Augustiner, Luthers Ordensbrüder, zuerst als Verkünder der neuen Lehre auftraten, bedeutsam und ein Zeichen für das eifrige Schriftstudium dieses nach dem heil. Augustin sich nennenden Ordens. Schon 1524 hatte eine Zeit lang zu Neubrandenburg der Augustiner und spätere Stralsunder Chronist Johann Berkmann gewirkt. Wahrhaft erhebend ist es, wenn wir 1527 zu Sternberg die Augustiner ihr Klosterleben freiwillig aufgeben sehen, ein erstes Beispiel friedlicher Klosterreformation im Lande. Auch andere Mönche sagten den dumpfen Klostermauern Valet und predigten die reine Lehre. Berichtet doch Slagghert, daß überall viele ,,entlaufene Mönnicke" sich aufhielten! Die Familie der Riben auf Galenbeck bei Friedland beschäftigte einen solchen als Hauslehrer. Er ging bereit willigst mit nach Friedland, als die lutherisch Gesinnten ihn holten, und predigte ihnen. Auch die Flotow zu Stuer hatten einen Hauslehrer, Cyriakus Bernburg, welcher im Dorfe predigte, weil der Pfarrherr ganz untüchtig war. Ja es mag die Klage unseres Slagghert Grund haben, wenn er berichtet, daß 1526 viele adlige Familien sich heimlich evangelische Prädikanten hielten. Ganz offen thaten es in diesem Jahre die Plessen zu Gressow im Klüßer Ort. Da war ein blinder Pfarrer. Dieser selbst und die Pfarrkinder baten den Gutsherrn um einen Hülfsprediger. Zwar hatte Berend von Plessen das Patronat nicht; aber bei dem Bischof von Rayeburg als Patron war keine Hülfe zu erwarten. Da seßte Berend den Thomas Aderpul ein, der seiner lutherischen Predigt wegen aus Lübeck ausgewiesen war. Als dieser nun das Evangelium „hell und lauter" predigte, wollte das Volk den katholischen Priester und seinen katholischen Kaplan nicht behalten. Berend nahm das Patronatsrecht nach seiner Weise in die Hand, that eine Frage an das ganze Kirchspiel, welches mit dem Prediger

Mecklenburgische Geschichte V.

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