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wurden die öffentlichen Rechtstage vermehrt, damit jeder schnell und ohne viele Kosten zu seinem Rechte kommen könnte; es sollten acht Tage abgehalten werden, je vier in Güstrow und Schwerin. Die Besehung dieses Landgerichtes mit vier Landräten, vier Hofräten, einem Rat vom Stift Schwerin, einem Professor der Universität und zwei Bürgermeistern der Seestädte wurden in den Reversalen geseßlich festgelegt. Die Landschaft hatte somit die herkömmliche Beteiligung an der landesherrlichen Gerechtigkeitspflege sich gesichert.

Wie das Hofgericht auch Kompetenz, gegen fürstliche Beamte zu verfahren, bekam, so gestand der Fürst in Streitsachen gegen ihn zu, daß diese entweder einem vom Reich gestellten Schiedsgericht oder einem Mannoder Lehngericht (pares curiae), das beide Parteien in gleicher Zahl bestellen sollten, überwiesen würden. Andererseits verpflichtete sich die Landesherrschaft, gegen niemanden von ihren Unterthanen ohne richterliche Verhandlung mit Gefängnis, Sequester oder Exekution zu verfahren; ausgenommen waren nur höchst sträfliche peinliche Fälle, in denen der Landesherr auch vor der Verhandlung zugreifen konnte. Durch jene Bestimmung aber gewannen die Stände gefeßlichen Schuß für ihre Personen und ihr Eigentum gegen widerrechtliche Willkür.

Unter ihrer Mitwirkung und auf ihre Beschwerden hin waren auch die neuen Polizeiverordnungen zustande gekommen. Seitdem auf dem Reichstage zu Augsburg 1548 eine Reichspolizeiverordnung ergangen war, fanden auf den Tagen des niedersächsischen Kreises Verhandlungen über die Einführung derselben statt; zu Halberstadt 1561 war allerdings die Vorlage noch einstweilen zurückgestellt worden, und sollte man sich inzwischen der kaiserlichen Ordnung gemäß verhalten. Zu Lüneburg 1562 war ein Ausschuß niedergesezt worden, dem die einzelnen Stände Kopien ihrer Ordnungen übersandten. Die Resultate der Beratungen dieses Ausschusses lagen zu Halberstadt 1564 vor. Man erkannte echt territorialistisch an, daß bei der Ungleichheit der Lande eine gleiche Ordnung unmöglich sei; darum solle jeder Stand die gemeine Reichsordnung gebrauchen, diese aber nicht „dienstlich" wäre, sollte jeder Stand seine eigne zu gebrauchen Macht haben. 23) Nach mehreren Verhandlungen mit der Landschaft kam die mecklenburgische Polizeiordnung zustande. Aber zehn Jahre später brachten die Stände soviele Beschwerden vor, daß die Fürsten sich zu einer Revision entschlossen. Aber als sie den Druck begannen, ohne allen Bedenken der Stände gerecht zu werden, verweigerten diese ihre Zustimmung. So blieben die schon fertiggestellten Exemplare liegen. Nachdem der Kanzler Husan mit dem Ausschuß zu Güstrow beraten hatte, wurde endlich unter dem Datum des 2. Juli 1572 die Landespolizeiordnung publiziert.

Zeigt sich so in dem Gerichts- und Polizeiwesen die landständische Mitwirkung, so erstarkte in ebenderselben wiederum und troßdem die landesherrliche Gewalt. Die Fiskale hatte die Hoheitsrechte und Finanzansprüche des Landesherrn im Gerichtswesen zu vertreten: die ersten waren. Stelbage, Behm, Graß. Ihnen fiel nicht nur die Handhabung und Ver

folgung aller Regalrechte zu, sondern auch die peinlichen Fälle wie Diebstahl, Raub, Ehebruch, Totschlag; und sie wachten im Namen des Landesherrn darüber, daß die That untersucht und rechtlich verfolgt wurde. Dabei hatten sie die Bußen und Geldstrafen einzutreiben, und diese waren, recht hoch und hart, eine ergiebige Einnahmequelle der Fürsten. Allerdings suchte sich die Patrimonialgerichtsbarkeit der Edelleute und die städtische Niedergerichtsbarkeit den fürstlichen Vogteigerichten mehr und mehr zu entziehen. Dafür hatten andererseits die Fürsten vom Kaiser Maximilian 1569 ein wichtiges Privilegium erhalten (de non appellando); es war fortan keine Appellation gegen ihr Endurteil in Sachen bis zu 300 Gulden gestattet.

Der vierte Punkt der Reversalen betraf die Überweisung der drei Jungfrauenklöster an die Stände, (S. 179.) der fünfte die Appellation vom Konsistorium ans Hofgericht (S. 192.) Der sechste Punkt bestimmte, daß die Landtage fortan auf dem Judenberge vor Sternberg abgehalten werden sollten; hier fanden auch die Musterungstage statt. Es war nämlich dem niedersächsischen Kreise die Haltung von Garnisonen zu teuer erschienen; darum hatte man zu Halberstadt 1556 beschlossen, daß jeder Stand geschickte Hauptleute bestelle, die im Kriegsfalle das Volk anwerben sollten. In den Unruhen der funfziger und sechziger Jahre waren häufiger Befehle vom Kreistage ergangen, in Bereitschaft zu sizen. Zu Halberstadt 156424) war auch beschlossen worden, daß jeder Stand eine Musterung abhalte. Für Mecklenburg liegt ein solches Musterungsverzeichnis von 1554 vor. Darnach betrug die Zahl der Lehnspferde 1284; das Fußvolk aus allen drei Landen, Städten und Klöstern belief sich auf 3500 Mann.25) Eine Generalmusterung fand 1574 statt, aber in demselben Jahre beklagten sich die Herzoge bei Kursachsen und Hessen über die große Unrichtigkeit in den Roßdiensten der Ritterschaft, welche zu ordnen die Fürsten vergebens versucht hätten. Man bat um Übersendung der sächsischen und hessischen Ordnung; die Klage war, daß die Güter vom Adel sich wohl merklich gebessert hätten, dennoch zum Teil garkeine, zum Teil schlechte Roßdienste stellten. Eine neue Musterrolle wurde 1575 angefertigt.26)

Der siebente Punkt bestimmte die Kanzleitare für angefertigte Schriften. Husan hatte 1569 eine Kanzleiordnung festgeseßt. Achtens und lehtens wurde den Lehnsleuten ausdrücklich zugesichert, daß die Lehnsherrschaft ihren Konsens zur Veräußerung oder Verpfändung der Lehen nicht vorenthalten solle. In vorkommenden Lehnsfällen Recht zu sprechen scheint zu den Obliegenheiten des von Husan 1571 eingerichteten Mannengerichtes gehört zu haben.

In den Reversalen wurden ferner die Reverse von 1555 und 1561 wiederholt, und dazu wurde die Steuerfreiheit der Ritterschaft für ihre Lehnshufen, von denen sie die Roßdienste stellte, festgesetzt. Kein Unterthan war ferner pflichtig, für die Fürsten in Bürgschaft sich einzulassen.

Indem es aber am Schlusse heißt, daß die Landschaft nicht pflichtig sei, weiter zu kontribuieren, wenn der Fürst nicht an diesen Reversalen halte, ist noch einmal die Veranlassung bezeichnet, aus welcher die Landes

fürsten in die Einräumung und Feststellung der landständischen Rechte willigen mußten, die fortdauernde Finanznot. Die Landtage bilden ein ödes Bild fortgesetten Feilschens um die fürstlichen Schulden; aber bei allem Bieten und Handeln verfolgten die Landstände das eine, die Wahrung, Erhaltung und Mehrung ihrer Rechte der aufstrebenden fürstlichen Landeshoheit gegenüber.

20. Johann Albrechts Persönlichkeit und Ende.

Unter den rühmenswerten Eigenschaften Johann Albrechts steht seine Frömmigkeit obenan; aus tiefer religiöser Überzeugung ließ er sich in Bündnis und Kampf gegen die katholischen Stände ein, um des Glaubens Freiheit zu erkämpfen. Seine in den damaligen Zeiten aufgezeichneten Gebete und Selbstbetrachtungen bestätigen ein inniges Gebetsleben, ein gläubiges Gottvertrauen, ein tiefes religiöses Gefühl. Sie stimmen so recht zu seinem Wahlspruch: Premente cruce tollimur" oder zu dem andern: „Ist Gott füruns, wer will wider uns sein?" Todesbetrachtungen erfüllten frühe seine Seele; und wie er sich vorbereitete, zeigt uns ein von des Herzogs eigener Hand geschriebenes Trostbuch, das Kernsprüche aus heiliger Schrift enthält, sowie seine meditatio de morte „Todesbetrachtung zu seinem lebten Stündlein", ein Buch, welches noch heute wert ist, gelesen zu werden. In seinem Testament, das der Fürst nach wiederholter schwerer Krankheit am 22. Dez. 1573 abfaßte, legte er noch einmal sein Glaubensbekenntnis dar, daß er bei der prophetischen und apostolischen Lehre und der unverfälschten Augsburgischen Konfession, der er mit freiem Willen bei Anfang seiner Regierung sich anhängig gemacht habe, auch bis in seine Grube zu verharren bedacht sei. Und in demselben Testament wies er seine Söhne ebenso zu einem werkthätigen christlichen Leben an und forderte von ihnen, daß sie täglich in Gottes Wort lesen, vor allem aber den 101. Psalm bei ihrem Regiment nicht vergessen sollten.')

Mit dieser tiefen Religiosität stand eine aufrichtige Lebensfreude nicht in Widerspruch. Johann Albrecht liebte die Jagd über die Maßen. Er war auch ein Freund großer Geselligkeit. Seine Hochzeit wurde mit großer Pracht zu Wismar gefeiert; eine große Zahl fürstlicher Personen und Gesandten war anwesend; allerhand ritterliche Belustigungen, wie Turniere, Gesellenstechen, Stechen über die Schranken dienten zur Kurzweil der Gafte. Μήτ' ἄξεινος μήτε πολύξεινος ¡chrieb er aut δίε Ξαναδ des Schlosses zu Schwerin, d. h. niemals ohne Gäste, nur nicht bunte Gäste! Dennoch suchte man an seinem Hofe die damals weit verbreitete Unsitte des übermäßigen Trinkens vergebens. „Bei mir hat er das nicht gelernt,“ entschuldigte der Fürst sich wegen seines Bruders Christophs, der die Polen an Trinkfestigkeit übertraf.

Am Hofe zu Schwerin herrschte im Gegenteil ein rühriges wissenschaftliches Leben. Wenn auf Johann Albrechts Hochzeit inmitten glänzender

fürstlicher Versammlung Andreas Mylius eine lateinische Rede über den Ehebund halten durfte, welche den Glanzpunkt bei der Gratulationscour bildete, so gewahren wir schon, daß das Hofleben des fürstlichen Paares weit über das Durchschnittsmaß gestaltet war. Johann Albrecht war ein Freund der Wissenschaften; er beförderte dieselben nicht nur, sondern gab sich ihnen persönlich mit aller Liebe hin. Eben zur Regierung gekommen, berief er an seinen Hof den jungen Andreas Mylius aus Meißen, welcher auf einer Ferienreise Mecklenburg durchwanderte. Des Herzogs Studien zu leiten war des Lehrers Aufgabe, damit der fürstliche Schüler in klassischer Bildung sich übe, vor allem aber die für seine fürstliche Stellung notwendige Beredsamkeit lerne. Die allseitige Ausbildung des Geistes war das Ziel der täglichen Studien, eine Ausbildung, welche in dem Verständnis der Heil. Schrift ihren Gipfelpunkt finden sollte. Darum arbeitete Johann Albrecht mit Mylius in seinen Erholungsstunden, darum hatte er stets Bücher bei sich im Reisewagen, darum beobachtete er eine feste Studienordnung, welche die Morgenzeit von 6-8 Uhr und die Abendzeit von 7-8 Uhr den wissenschaftlichen Übungen freihielt; darum schrieb Mylius ein Handbuch der Logik, der Rhetorik, überseßte griechische Schriftsteller in die dem Herzog bekanntere lateinische Sprache und verfaßte kleinere Abhandlungen über theologische Gegenstände. Die Fertigkeit in der lateinischen Sprache dünkte dem Herzog besonders erstrebenswert; lateinisch sind die Briefe des Mylius an ihn verfaßt, in lateinischer Sprache die seinen an den Freund. Denn für einen Freund hielt er ihn. Ohne feste Anstellung lebte Mylius von des Herzogs Gnade; erst 1556 wurde er als Rat mit Gehalt angestellt, 1569 wurde seine Bestallung erneuert, 1572 erhielt er das Gut Gädebehn als Lehn. Aber glänzend sind die Belohnungen zu nennen, welche ihm der Herzog bei einzelnen Gelegenheiten zu teil werden ließ. Mit größtem Beifall folgte der Herzog einem Riesenwerke des Freundes, einer Übersetzung der ganzen Bibel ins Lateinische. Aus der Feder des Mylius rührt auch die erste kritische Geschichte Mecklenburgs her, unter dem Titel „Genealogia oder der Herzogen zu Mecklenburg erste Ankunft", sowie die Annalen, welch leztere die Regierungszeit Johann Albrechts und seines Sohnes, Johanns VII., umfassen.2)

Dazu hatte der Gelehrte wichtige politische Geschäfte zu besorgen. Johann Albrecht nahm ihn mit auf den oberländischen Feldzug, vertraute ihm später die polnische Korrespondenz an, gebrauchte ihn zu den Gesandtschaften nach Preußen und Polen. Daneben stellte Milyus seine Gelehrsamkeit in den Dienst der Prinzenerziehung, auf welche Johann Albrecht das größte Gewicht legte. Mylius unterrichtete den jungen Herzog Christoph eine Zeitlang; darauf leitete er den Unterricht der Söhne Johann Albrechts, für welchen die besten Kräfte verwendet wurden. Der Rektor des Schweriner Gymnasiums, Dabercusius, einst auf des Mylius Empfehlung berufen, unterrichtete die Prinzen im Latein. 1570 wurde der Rostocker Professor Johann Caselius nach Schwerin berufen. Er hatte einst zu Wittenberg Stipendien von Johann Albrecht bezogen und sich seinem Dienst verschrieben, als er zweimal Studienreisen mit des Herzogs Unterstüßung

nach Italien machen durfte. Als Lehrer in den neuern Sprachen wirkte der Rheinländer Andreas Gryphius, neben ihm der Sachse Hiob Magdeburg, und besonders Heinrich Siber. Alle diese Männer waren in ihrem Fache ausgezeichnet, voll gründlicher Gelehrsamkeit, Jünger der Wissenschaft an der Seite des wissensdurstigen und wissenseifrigen Herzogs Johann Albrecht. Der Hof zu Schwerin schien ein Medizäerhof geworden, die Musen im Norden eine Zuflucht gefunden zu haben.3)

Schier unerschöpflich ist die Zahl von Widmungen der Gelehrten, die Johann Albrechts Anerkennung begehrend seine Empfehlung suchten und verwendeten. Und diese bestand nicht bloß in Worten, sondern auch in Spenden an baren Summen zu weiterer Förderung in den Wissenschaften, zur Beihülfe für Promotionskosten, zu Stipendien auf Gymnasien und Universitäten, zu Studienreisen im Auslande. Ein lebhafter Briefwechsel bestand nach Wittenberg hin zwischen dem Fürsten und Melanchthon, nach Rostock zwischen ihm und dem verdienstvollen Chyträus. Schier unabsehbar ist die Fülle der Gelehrtenkorrespondenz des Fürsten überhaupt; wir finden die Handschriften der größten Geisteshelden des Reformationsjahrhunderts wieder.

Der Herzog bethätigte auch seinen wissenschaftsichen Sinn nach außen hin. Bereits 1552 legte er den Grund zu einer Bibliothek, indem er zu Frankfurt am Main den ganzen Laden einer Buchhändlerwitwe kaufte.1) Daheim stand der „herzogliche Mathematiker“ Tileman Stella der Bibliothek vor, welcher im Auftrage der Fürsten die erste Karte von Mecklenburg verfaßt hatte und an einer solchen von ganz Norddeutschland arbeitete. Samuel Fabricius, der Sohn des Hofpredigers Faber und Stipendiat Johann Albrechts in Italien, war als Archivar thätig. Von den Schulgründungen des Herzogs war schon die Rede. Die Schweriner Fürstenschule hatte er so sehr in sein Herz geschlossen, daß er in einem schriftlichen Selbstbekenntnisse für sie betete: „Die Schule zu Schwerin laß Dir, ach mein Gott und mein Herr, befohlen sein.“ Häufig besuchte der Fürst seine Schule und prüfte gar in eigener Person. Noch in seinem Testamente empfahl er die Schule seinen Söhnen. Ebenso lag ihm die Sorge für die Landesuniversität am Herzen. Er nennt sie im Testamente „das fürnehmste Kleinod unseres Landes und Fürstentums". Sein ganzes Leben hindurch hat er für sie gesorgt im Kampf um die Selbständigkeit derselben mit dem Rostocker Rat, in der Fürsorge für ihre materielle Erhaltung, in der Berufung und Unterstützung begabter Universitätslehrer. Unter ihnen. leuchtete allen voran David Chyträus.

Auch im Lande blühte die wissenschaftliche Arbeit; ich erwähne nur den ausgezeichneten Superintendenten Freder in Wismar, besonders aber seinen Nachfolger Wigand, der von 1562-68 in Mecklenburg weilte, beschäftigt mit der Arbeit an dem großen kirchengeschichtlichen Werk der sog. Magdeburger Centurien, welche die ganze Vergangenheit Roms als eine Fälschung der Urgeschichte des Christentums enthüllen und also eine auf die Geschichte begründete konfessionelle Streitschrift des jungen Luthertums gegen die römische Kirche bedeuten. Wigand hat in Wismar sieben

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