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Einen zweiten Versuch, einen Stadtsuperintendenten anzustellen, machte der Rat, als er am 6. November 1560 den Dr. Kittel berief. Aber auch dieser entzweite sich mit dem Ministerium, das ihm sogar die Absolution verweigerte und wiederum die Streitsache auf die Kanzeln brachte. Die Stadt versuchte, ihr Recht mit dem sehr anfechtbaren Saß zu behaupten: „Kein Minsche kann seggen oder gedenken, dath J. F. G. einen superintendenten in Rostock gesettet und verordnet hebben." Die Herzoge behaupteten ihr kirchenregimentliches Recht, auch Kittel mußte 1562 weichen; er hatte sich außerdem noch in den politischen Streit der Herzoge mit Rostock eingemischt. Die Rostocker Prediger baten aber selbst um förderlichste Aufrichtung des Konsistoriums, „dat id den Predigern behulplick si, in erem Amte desto bequemer fort tho fahren". In der That forderten die Herzoge von der Rostocker Geistlichkeit ein Erachten in betreff des Konsistoriums ein.

Die Landesherrschaft wahrte ihr kirchenregimentliches Recht auch dadurch, daß sie 1564 zu einer Kirchenvisitation in der Stadt Rostock schritt, „durch fleißiges Ansuchen der Prediger und etlicher Bürger veranlaßt", lezterer, weil sie dem Rat Veruntreuung des Kirchenvermögens vorwarfen. Wiederum nahm der Rat das jus visitandi in Anspruch; allein die herzogliche Visitation fand 1566 wirklich statt, jedenfalls unter dem Schuße des Militärs, das die Herzoge in der Stadt hatten. Der Rat berief sich fortwährend darauf, daß die Herzoge von Mecklenburg ihnen 1358 alle Gerichtsbarkeit verkauft hätten, daran jene sich nichts vorbehalten hätten; folglich hätte der Rat das ius episcopale nach dem Wegfall der bischöflichen Gerichtsbarkeit; denn unter „aller“ Gerichtsbarkeit, jurisdictio omnimoda, sei nicht bloß die weltliche, sondern nunmehr auch die geistliche zu verstehen. Die Fürsten aber gestanden dem Rate leßtere nicht zu. Im Dezember 1566 seßte der Rat sogar ein städtisches Konsistorium ein; vorsichtiger Weise fügte er allerdings hinzu, es sei eine durch die Not gebotene Institution und solle nur solange dauern, bis das Konsistorium der Fürsten fertig wäre. Um den Rostockern den letzten Vorwand zu nehmen, übertrug Ulrich am 23. Januar 1570 in seiner Eigenschaft als Administrator des Bistums Schwerin die geistliche Gerichtsbarkeit in Rostock an sich und seinen Bruder in ihrer Eigenschaft als Landesherrn. Die bischöfliche Gewalt war also auch formell auf die letteren übergegangen.

Bei der Verzögerung in der Aufrichtung des Konsistoriums hatten die Fürsten bereits in der Visitationsinstruktion von 1557 der Kommission Vollmacht ertheilt, vorläufig die Geschäfte eines Konsistoriums zu verrichten. Aber die Kommission war nur zu dieser einen Visitation ernannt gewesen, so daß den einzelnen Superintendenten hernach die Befugnis fehlte. Aus dem Jahre 1566 stammte das erste Konsistorialbuch, das anscheinend von der Universität den Herzogen eingereicht wurde; im Sommer 1567 baten die drei damals im Amte befindlichen Landessuperintendenten um baldige Errichtung der Behörde; soeben war nämlich die Erhaltung derselben aus den Einkünften des Rostocker Domkapitels beschlossen und verabredet worden. Im Frühling 1569 überarbeitete der Rat und Kanzler Heinrich Husan das Konsistorialbuch, und schon bat Chyträus besonders im Hinblick auf den

Saligerschen Streit um Eröffnung des Konsistoriums, das seit 17 Jahren versprochen sei. Noch gaben der Superintendent Becker in Güstrow und der herzogliche Rat Hoffmann ihre Bedenken ab, während Husan im Anschluß an die Ordnung Wittenbergs von 1542 und Jenas von 1569 das Buch abschloß. Schon war der Druck begonnen, als Chyträus noch einmal ein Bedenken abgeben durfte. Am 22. Juni ernannten die Herzoge drei Juristen und drei Theologen zu Beisißern, unter ihnen den Chyträus. Lezterer aber fürchtete den Rostocker Rat, dessen Einspruch gegen das Konsistorium ihm die Teilnahme unmöglich mache, zumal da der Rat ein kaiserliches Mahnschreiben gegen dasselbe vorgab. Erst am 27. März 1571 konnte die Eröffnungssigung abgehalten werden. Chyträus hielt seine berühmte Rede von der göttlichen und menschlichen Obrigkeit.

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Die Kirchengerichts- oder Konsistoriiordnung handelt in zwölf Kapiteln von dem Amt der Kirchenräte“, ihren Eiden, den zuständigen Fällen, der Gewalt und dem Prozeß des Konsistorii, von Citation der Parteien und der Rechtssprechung, von der Ehegerichtsbarkeit, von der Verjährungsfrist, von der Publikation und Erefution der Urteile, sowie endlich von dem Kirchenbann. Durch die Bestimmungen über den letteren wird der Willkür der Prediger vorgebeugt, insofern sowohl der erste Grad der Kirchenstrafe, die heimliche Abweisùng von den Sakramenten, als besonders der Kirchenbann von der Zustimmung des Konsistoriums abhängt. Die weltliche Obrigkeit wacht über die Ausführung der Kirchenstrafe und verbietet jeden gesellschaftlichen Verkehr mit dem Gebannten, für den in der Kirche ein besonderer Play sich befindet, und dem kirchliches Begräbnis zu verweigern ist.

In demselben Jahre 1571 ist auch die Superintendentenordnung erschienen. Chyträus hatte bereits im Sommer 1567 die Mängel des mecklenburgischen Kirchenwesens dem Herzog Johann Albrecht aufgedeckt, 27) darin bestehend, daß Ein- und Absehung von Predigern und Küstern durch die Edelleute oft ohne Wissen der Superintendenten geschehe; dadurch daß die Präsentanden den Superintendenten nicht namhaft gemacht würden, kämen unrichtige Personen ins Pfarramt; Personen hohen und niederen Standes brächten Kirchengüter an sich; die Superintendenten würden zu den Kirchenrechnungen nicht hinzugezogen, und was der Klagen mehr waren. Die Superintendentenordnung teilt das Land in sechs Kreise: Die Superintendentur Wismar für das Herzogtum Mecklenburg, Güstrow und Parchim für das Fürstentum Wenden, Schwerin für die Grafschaft Schwerin, Rostock für das Land Rostock und Neubrandenburg für das Land Stargard. Der Superintendenten oberste Pflicht war, über die Vollziehung der Kirchenordnung zu wachen. Den Superintendenten gebührt Einsetzung und Einweihung der Pastoren, die ihnen vom Patronat zum Verhör präsentiert werden. Die Absehung eines Predigers dagegen ist Sache des Konsistoriums. Jährlich soll der Superintendent mit seinen Geistlichen eine Synode abhalten, in derselben Leben und Lehre der Geistlichen erkunden und an das Konsistorium berichten. Er hat ferner die Aufsicht über die Kirchengutsverwaltung in seinem Kreise, wird zur Aufnahme aller Kirchenrechnungen hinzugezogen, bringt „Abzwackung“ von Kirchengütern vor das Konsistorium

als obere Aufsichtsbehörde. Unmittelbar nach Erlaß der Ordnung sollten die Superintendenten eine Kirchenvisitation jeder in seinem Sprengel vornehmen und Visitierbücher anlegen, von denen eins dem Konsistorium, das andere der Superintendentur überlassen bleibt.

Im Jahre 1572 hat diese Visitation stattgefunden, sie fragte ganz besonders nach den sogenannten pia corpora, den milden Stiftungen und Hospitälern, deren Verwaltung solange größtenteils den Stadtmagistraten überlassen war. Die beginnende landesherrliche Aufsicht über die Hospitäler und andere Stiftungen ist ein bedeutsames Zeichen der erstarkenden landesherrlichen Kirchengewalt.

Mit der Einrichtung der Konsistorien und Superintendenturen war der Schlußstein in das Gebäude der Landeskirche gefügt. Beide sind kirchliche Behörden, unterschieden von den politischen Behörden des Landesherrn, jene mit weltlicher Macht ausgestattet, die der Arm der weltlichen Obrigkeit ihnen leiht, diese, die Superintendenten, allein auf die Regierung durch das Wort" angewiesen. Die Selbständigkeit des in die Hand des Fürsten gekommenen Kirchenregiments hatte ihren organisch befestigten Ausdruck bekommen." Im Jahre 1571 ist der Ausbau der Landeskirche vollendet.

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Allerdings der Widerspruch der Stände war noch nicht zur Ruhe gekommen. Am Tage der Eröffnung des Konsistoriums hatte der Rostocker Rat protestiert. Auch die Stadt Wismar protestierte und berief sich auf das in ihren Mauern aus Mitgliedern des Rats und der Geistlichkeit bestehende Ehegericht. Ebenfalls protestierte die Universität mit Hinweis auf ihre eigene Gerichtsbarkeit, welche sie über ihre Glieder habe. In der That verbot der Kaiser noch 1573 das Konsistorium, das seinen Bestand wirklich gefährdet sah und die Herzoge um seine Erhaltung bat. Der kirchliche Streit mit Rostock wurde erst im Erbvertrag 1573 geschlichtet. Die mecklenburgische Kirchenordnung wird darin ausdrücklich auch für Rostock als verbindlich anerkannt. Aber die Stadt bekam einen eigenen Superintendenten, Simon Pauli, Professor an der Universität; dem jedesmaligen Superintendenten wird die Aufsicht über die Prediger, Kirchen- und Schuldiener von der Landesherrschaft befohlen. Die Ergänzung dieses Vertrages bildete der Erbvertrag von 1584. Dieser erkennt eine Ehegerichtsbarkeit des Rates an. Die Visitation sollte sich nur auf das Kirchenvermögen erstrecken und gemeinschaftlich sein. Die kirchliche Gerichtsbarkeit hat der Landesherr, wie in allen übrigen Städten. Wenn aber geistliche Personen unreine Lehre haben, so mag der Rat Untersuchung halten, das weitere Verfahren gebührt dem Landesherrn. Wenn weltliche Personen sich unreiner Lehre schuldig machen, so greift zunächst die weltliche Gerichtsbarkeit des Rats ein; wenn sie keinen Erfolg hat, will der Landesfürst sich berichten lassen. Fürstliche Mandata in Kirchensachen läßt der Rat anschlagen und abkündigen: alles Bestimmungen, welche das Kirchenregiment des Landesherrn erheblich beschränkten.

Auch die übrigen Landstände Mecklenburgs schwiegen nicht. Zu Güstrow beschwerten sie sich, am 22. Jan. 1572, gegen die Konsistorial

ordnung, welche ohne ihr Wissen ausgegangen sei; dieselbe dürfe nicht wider ihre Privilegien sein; da die Theologen in Rechtssachen nicht geübt wären, so müßten Juristen hinzutreten. Als ob diese nicht schon im Konsistorium saßen! Aber die Landschaft schlug auch zwei Ritter, welche in den Landesgebräuchen erfahren wären, zum Eintritt ins Konsistorium vor. Die Regierung bewilligte den Ständen einen Beisiher. Von dieser Bewilligung machten sie indes keinen Gebrauch. Aber wohl sezten sie es durch, daß die Appellationsinstanz nicht ein durch Superintendenten und fürstliche Räte verstärktes Konsistorium sein sollte, sondern das Landgericht; ebenso, daß zu den Visitationen der Superintendenten immer „etliche nahgesessene tüchtige Personen von der Landschaft“ hinzutraten.

In den Sternberger Reservalen vom 4. Juli 1572 versprachen die Herzoge, die Stände des Landes bei der wahren Religion der Augsburgischen Konfession zu schüßen, und damit gewann die lutherische Landeskirche die landesgrundgefeßliche Anerkennung.

Die mecklenburgische Landeskirche war mit dem Jahre 1571 noch keineswegs eine einheitliche; es blieb neben ihr eine schwerinsche und rageburgische bestehen, gleichsam als zwei Anbaue des Hauptgebäudes, ein Zustand, der bis 1648 gedauert hat.

Herzog Ulrich hatte an dem Besiz des Bistums Schwerin recht wenig Freude. Das Bistum war arm, blutarm. 28) Die Wallfahrten nach Schwerin und Sternberg hörten auf und brachten kein Geld mehr. Die Stiftszehnten gingen nicht ein. Zudem forderte das Reich von dem Stift als einem unmittelbaren Reichsstande die Reichsabgaben. Ulrich behauptete, daß das Stift ein inforporierter Stand" des Landes Mecklenburg wäre und also seine Abgaben dahin zu zahlen hätte. Der Reichsfiskal klagte wegen rückständiger Schuld, und am 21. Oft. 1561 erging das Urteil des Reichskammergerichts dahin, daß Schwerin ein selbständiger Stand des Reiches sei. Ulrich berief demgemäß 1562 einen ersten Stiftstag nach Büzow und bezahlte 2430 Gulden Reichsschuld; er mußte sich aber dem Kapitel verpflichten, fortan die Abzaben von seinen Tafelgeldern zu zahlen. Der Prozeß am Reichsgericht ging fort; es fanden Zeugenverhöre darüber statt, ob das Stift reichsunmittelbar gewesen wäre oder nicht. Die Akten wurden nach Speier gesandt, wo sie liegen blieben. Zu einem Endurteil ist es nicht gekommen, Ulrich also mußte gemäß dem Urteil von 1561 zahlen. Das letzte Mittel war, von Reichs wegen Erlaß, Moderation, auszuwirken. Das that Ulrich zur Genüge auf verschiedenen Moderationstagen zu Frankfurt a. M. und Kreistagen zu Halberstadt 1561 und 1566, Lüneburg 1567 und 1577, wiederum zu Halberstadt 1583. Zeugenverhöre wurden angesetzt, welche in der That die Armut des Landes bekundeten. 29) Dennoch drängte der Fiskal mit seiner Forderung. Ulrich bezahlte 1567 auch über 1000 Thaler, doch in Raten und allmählich. Und die Reichsabgaben betrugen jährlich 1600 Gulden; in der Matrikel stand nämlich das Bistum mit 10 zu Fuß und 10 zu Roß. Die ganze Stiftseinnahme berechnete Ulrich auf

2500 Thaler. Dennoch mußte er zahlen und immer wieder zahlen; denn auf dem Frankfurter Moderationstage von 1578 waren seine Anträge liegen geblieben 136 Stände waren mit solchen gekommen. Liegen blieb auch der Prozeß; herrliche Zeiten des heiligen römischen Reichs!

In betreff des Bischofszehnten, der aus Pommern zu zahlen war, hatte Ulrich langwierige Verhandlungen mit den Herzogen des Landes. Dem Herzog Magnus war 1532 auf einem Tage der Zehnte eingeräumt, aber nur unvollkommen gezahlt worden. Im ersten Jahre seiner Stiftsregierung hatte Ulrich ihn noch gehabt, dann war er ausgeblieben.30) 1559 fanden Verhandlungen zu Demmin, 1560 zu Malchin, 1575 zu Demmin, 1588 zu Ribniz statt. Die Pommern entschuldigten sich mit Armut ihrer Unterthanen, forderten, daß Herzog Ulrich für den Zehnten einen Superintendenten besolden solle, der aber den pommerschen Herzogen unterstehen müsse, behaupteten, daß durch den Religionsfrieden die bischöfliche Gerichtsbarkeit und also auch der Zehnte aufgehört habe; schließlich bedangen sie sich aus, daß Mecklenburg ebenfalls den Zehnten entrichten solle und zwar für die Städte und Dörfer, welche zum caminschen Sprengel gehört hätten. Des Streitens müde, da er doch nichts erreichte seine Vermählung mit der Herzogin Anna von Pommern stimmte ihn wohl zur Nachgiebigkeit cedierte 1588 Ulrich den Herzogen von Pommern gegen Zahlung von 10000 Gulden den Zehnten. Das war der lezte Rest der Herrlichkeit des Bistums aus katholischer Zeit. Der Administator hatte es nur mit dem Stiftsland zu thun.

Das Kirchenregiment in demselben allein zu bestellen, hatte er sich in den Verträgen mit seinem Bruder Johann Albrecht ausdrücklich vorbehalten. Aber noch war Ulrich durch seine Kapitulation gebunden, und die Domherren hatten das Mitaufsichtsrecht über alle geistlichen Angelegen= heiten. Zwar sie selbst entbanden sich allmählich von dem, was ihnen unbequem war, also vom Cölibat und der Verpflichtung, zu Schwerin zu wohnen. Erst 1557 stellte Ulrich in den Kirchen, die ihm als Administrator allein gehörten, eine Visitation an, die der Güstrower Superintendent Omeken leitete. Die Instruktion, welche er erhielt, ist der mecklenburgischen von demselben Jahre nachgebildet. Aber Ulrich mußte ein einheitliches Kirchenregiment im Stift wünschen. Zu dem Zweck traten die Domherrn ihr Patronatsrecht über Kirchen und Schulen in Schwerin ihm ab und willigten am 21. Febr. 1568 in die förmliche Aufhebung des Kultusparagraphen, nachdem Ulrich volle drei Jahre mit ihnen darüber verhandelt hatte. Es wurden vom Kapitel bestimmte Güter und Einnahmen für die Erhaltung von Kirchen- und Schuldienern angewiesen. Ein Stiftssuperintendent bestand schon seit 1561; es war Becker, dem 1563 Peristerus, 1573 Gogrev folgte. Auf Betreiben der Stiftsritterschaft, die die Selbständigkeit des Stiftslandes gegen das benachbarte Mecklenburg wie in weltlichen, so auch in geistlichen Dingen gewahrt wissen wollte, wurde 1567 ein eigenes Stiftskonsistorium eingeseßt. Häufige Visitationen fanden in dem Ländchen statt, das eine Landeskirche für sich bildete. Auch ein Jungfrauenkloster behielt es, das ehemalige Cisterziensernonnenkloster

Mecklenburgische Geschichte V.

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