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Andersgläubige ausüben. Von diesem Standpunkte aus sehen wir jezt die Landesobrigkeit sowohl die Sekten vom Lande fernhalten als auch die im Schoße des Protestantismus selbst auftauchenden Irrlehren und Lehrabweichungen, so gut es ging, vertragen, nicht nur im Lande selbst, sondern auch in den befreundeten Gebieten, mit denen man in Sachen der Religion Eintracht zu halten begehrte.

Mitten im kalten Winter 1554 waren englische Flüchtlinge durch Sturm und Eis nach Rostock und Wismar gekommen. Ihre Häupter hatten sich an Johann Albrecht bereits mit Klagen über die Unterdrückungen der katholischen Maria gewandt, und so mochten sie denken, in Mecklen= burg Unterschlupf zu finden. Allein ein Rostocker Prediger disputierte mit ihnen, und da sie von der lutherischen Abendsmahlslehre abwichen, mußten sie Rostock verlassen. Sie wandten sich nach Wismar, wo ihre Genossen sich angesiedelt hatten. Allein auch hier wurden sie verwiesen, zusammen mit den Wiedertäufern, mit denen in Verbindung zu stehen sie standhaft verneinten. Ihr hartes Schicksal im Lande gab ihnen zu lauten Klagen Veranlassung, und einer der Flüchtlinge ließ hernach zu Basel eine Erzählung der Irrfahrten dieser Engländer drucken und trug dadurch nicht wenig zur Vergrößerung der Spannung zwischen dem reformierten Süden und dem lutherischen Norden bei.20)

Wiedertäufer, Taufgesinnte oder „Westerlinge", scheinen in Wismar seit den Zeiten des Never nie ganz ausgestorben zu sein. Ihr berühmtes Haupt, Menno Simons, war im Winter 1554 in der Stadt anwesend und mußte auf Befehl des Rates dieselbe im Februar verlassen, mit ihm sein ganzer Anhang. Dennoch glaubte man vor ihnen nicht sicher zu sein. Denn im August erließen die sechs wendischen Städte ein Mandat gegen die Irrlehrer: die Obrigkeit muß die Unterthanen vor der Irrlehre schüßen, welche sie zur Hölle führt; darum soll man die Wiedertäufer nicht hausen, hegen, herbergen. Auch dies half nicht viel. Es scheint, als ob die Sekte an der Ostseeküste entlang ihren Weg genommen hatte. 1556 wurden in Ribniz Wiedertäufer gefunden, welche sich nicht bekehren lassen wollten. Der anwesende Superintendent Omeken befahl sie also Gott und der Obrigkeit. Auf einem Kreistag Niedersachsens, den Herzog Ulrich in Person besuchte, wurde 1562 ein Mandat an die Stände ausgebracht, daß man die Wiedertäufer nicht · dulden solle.21) Nur wer zur Augsburgischen Konfession sich bekenne, solle bleiben; dena auf diese allein beziehe sich der Religionsfriede. Auch die mecklenburgische Polizeiordnung von 1562 schreibt vor, Wiedertäufer der Obrigkeit anzuzeigen. Und dennoch waren diese in betreff ihrer Irrlehre von der Obrigkeit, deren göttliches Recht sie nicht anerkannten, wohl vorsichtig geworden; ein zu Wismar 1562 mit ihnen angestelltes Examen ergab in diesem Punkte keine Belastung. Dennoch mochten die Obrigkeiten Tumulte wie 1523 in Sachsen und 1535 in Münster mit Recht befürchten und ihre Wiederkehr zu verhüten suchen. Dieselbe Besorgnis hegte man in betreff der Calvinisten, welche aus den Niederlanden vor dem spanischen Blutregiment geflohen waren. 1567 will der Rostocker Rat alle Unterthanen gewarnt und „gewahrschuwet“ haben,

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solche Personen aufzunehmen, bevor sie von den Predigern ein Attest ihrer Rechtgläubigkeit erhalten hätten.

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Geeignet, den kirchlichen Frieden des Landes zu stören, erschien auch die Lehre des Calvin vom heiligen Abendmahl. Deshalb ging das Bestreben der Obrigkeit dahin, die „Sakramentierer" fernzuhalten. Der Hofrat Justus Jonas aus Schwerin, ein Sohn des Wittenberger Professors gleichen Namens, neigte der von Philipp Melanchthon vertretenen vermittelnden Richtung hinsichtlich der Abendmahlslehre zu. Gegen ihn veröffentlichten die Schweriner Geistlichen eine luthertreue Schrift, und als zwei Jahre später 1558 Justus Jonas dem Herzoge Johann Albrecht persönlich sein Bekenntnis überreichte, widerlegte der Hofprediger Langner dasselbe und richtete eine ernste und treue Verwarnung" an den Herzog. Die Rostocker schafften den Studenten Münchhausen aus Bremen aus ihren Mauern, der sich der calvinischen Abendmahlslehre zuwandte. Ein Bekenntnis sicherte die Rechtgläubigkeit der Rostocker Geistlichen und fand die Billigung der verbündeten Hansestädte. Zur römischen Abendmahlslehre neigte der Prediger an St. Nikolai in Rostock, Saliger. Wiederum wurde ein Bekenntnis aufgesetzt. Saliger seines Amtes verwiesen, suchte in Wismar eine Zuflucht und fand sie bei dortigen Predigern. Die rechtgläubigen wismarschen Prediger seßten aber ebenfalls ein Bekenntnis gegen ihn auf.22) Mecklenburg vertrat überall die streng lutherische Lehrfassung. Vom Grunde derselben aus suchte Johann Albrecht die Parteien im eigenen Lager zu vergleichen.

Philipp Melanchthon nämlich und seine Anhänger, die sog. Philippisten, strebten unermüdlich nach einer Ausgleichung zwischen Luther und Calvin, ja auch zwischen beiden und der römischen Kirche. Der hauptsächlichste Gegner war der leidenschaftliche Professor Flazius zu Jena. Die Gefahr für die Protestanten war in der That nicht zu unterschätzen. Denn die katholische Partei stand geschlossen da und wachte über den Religionsfrieden von 1555, unter den nur die Protestanten begriffen waren, welche die Augsburgische Konfession und also auch die Abendmahlslehre derselben beobachteten. Eine Abweichung war mit dem Ausschluß aus dem Frieden bedroht. Zudem wurde 1562 das Konzil zu Trient wieder eröffnet. Da war es dringend notwendig, daß alle Protestanten einmütig waren. Aber wie sollten sie zusammenstehen, wenn soviele Lehrstreitigkeiten herrschten?

In Königsberg lehrte der Professor Osiander irrig in betreff der Rechtfertigung, ihm schloß sich der Hofprediger Funk an. Als der Herzog von Preußen seine Tochter zur Hochzeit nach Wismar begleitete, kam durch den tiefen Schnee Flazius aus Jena, um gegen Funk zu wirken. Er wandte sich des öftern persönlich und brieflich an Johann Albrecht, und dieser nahm in der That an einem Religionsgespräch teil, auf dem Funk widerrufen mußte. Als Flazius dann in den heftigen Kampf gegen Melanchthon eintrat, bat leßterer Johann Albrecht um seine Vermittlung. Diese fiel nun zwar nicht nach Melanchthons Willen aus, indem die mecklenburgischen Abgesandten ihn ernsthaft seiner Irrtümer in betreff der alten Kirchengebräuche überführten, die Melanchthon in allzu ängstlicher Anlehnung an die katholische Kirche beibehalten wollte. 23)

Die ganze Uneinigkeit der Protestanten trat auf dem Wormser Religionsgespräch 1557 zu Tage, das gänzlich resultatlos verlief, auf dem die Protestanten sich sogar unter einander bei dem katholischen Präsidenten beklagten. Herzog Christoph von Württemberg vor allen betrieb darauf die Aufrichtung der Eintracht unter den Glaubensgenossen, der Kurfürst August von Sachsen unterstüßte ihn. Melanchthon legte eine Formel vor, welche im sog. Frankfurter Rezeß 1558 angenommen wurde, und welche die Lehrstücke festsegte, wie wir vor Gott gerecht werden, ob gute Werke nötig seien zur Seligkeit, vom Sakrament des Leibes und Blutes Christi, von den Adiaphoris und Mitteldingen in den Kirchen. Allein der Widerspruch sezte bald ein. Auch Johann Albrecht von Mecklenburg mußte widersprechen, seitdem ihm seine Theologen zu Rostock, an ihrer Spize David Chyträus, zu verstehen gaben, daß der Grund aller Eintracht die reine unverfälschte göttliche Lehre sei. Bevor nicht die Irrtümer klar widerrufen seien, die Lehre klar dargestellt sei, ohne alle Zweideutigkeit, könne kein Friede sein. Die Mecklenburger forderten die rückhaltlose Anerkennung der unveränderten Augsburgischen Konfession, während Melanchthon dieselbe 1540 im Interesse der Vermittlung geändert hatte. Johann Albrecht blieb fest, um so mehr als ein neues Gutachten der Rostocker Theologen ihn in seinem Verhalten bestärkte.

Bei solcher beklagenswerten Uneinigkeit der protestantischen Stände und bei der geschlossenen Haltung der katholischen fiel der Antrag des Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz auf unbeschränkte Freistellung beider Konfessionen zu Augsburg 1559 durch, bevor er noch an die Reichsversammlung fam. Vielmehr waren die katholischen Stände zu Landsberg schon 1556 zur Aufrechterhaltung des Friedens von 1555 zusammengetreten. Friedrich III und Herzog Johann Friedrich von Sachsen versuchten noch einmal auf dem Naumburger Fürstentage im Januar 1561, die Parteien der Protestanten zu einigen und geschlossen gegen die Römischen zu führen. Allein das Werk scheiterte wiederum an der Anerkennung der veränderten Augsburgischen Konfession von 1540, unter die die Calvinisten sich verstecken zu können vermeinten. Friedrich III trat offen zum Calvinismus über. Die mecklenburgischen Fürsten aber hielten unentwegt an der ursprünglichen Augsburgischen Konfession von 1530. Chyträus übergab an Herzog Ulrich, der zu Naumburg persönlich zugegen war, einen abmahnenden „Unterricht aus Gottes Wort".24) Und Theologen aus den sechs wendischen Städten nebst Magdeburg und Braunschweig vereinigten sich im Lüneburger Konvent gegen die vermittelnden calvinistischen Bestrebungen. Die Beschickung des wieder eröffneten Konzils zu Trient verweigerten die mecklenburgischen Herzoge ebenfalls. Auf seiner Reise zum Frankfurter Reichstage 1562 zur Wahl und Krönung Maximilians überantwortete Johann Albrecht seine ablehnende Erklärung der Kaiserlichen Majestät.

Auch noch ferner haben sich mecklenburgische Theologen an dem Ausgleich der Parteien, wiewohl stets auf streng lutherischer Grundlage beteiligt, bis dann endlich in den siebenziger Jahren die Eintrachtsformel zustande kam.

Die Lehrstreitigkeiten in der Landeskirche bildeten eine Triebfeder in der Fortentwickelung der landeskirchlichen Verfassung. Nach reformatorischer Auffassung nämlich kommt der weltlichen Obrigkeit nicht zu, die Kirche zu lehren und geistlich zu regieren, also Kirchenordnungen zu machen, zu visitieren und rechte Lehre zu prüfen. Dieses innerkirchliche Amt, das die Bischöfe, wenn sie gewollt hätten, in der evangelischen Kirche hätten weiter führen können, hatte schon Herzog Heinrich bei der ersten Visitation 1535 in die Hand genommen; den Rechtstitel gab ihm, wie wir gesehen haben, das „Amt der Liebe“. Allein er ließ doch diesen Teil seines landesherrlichen Kirchenregiments durch einen Generalsuperintendenten ausüben, dem 1547 ein zweiter, Omeken, an die Seite trat. Es waren in der Folge Nachfolger dieser Superintendenten und andere ernannt, z. B. Becker in Güstrow, Alberus, Garcäus, Kükenbieter, Schermer in Neubrandenburg, Freder und Wigand in Wismar. Aber die Superintendenturen waren noch nicht eingeteilt und die Befugnisse nicht abgegrenzt.

Es fehlte auch noch das Konsistorium, die oberste Kirchenregierungsgewalt in Lehrsachen, welche in diesen zu urteilen und zu entscheiden, zugleich aber auch die Ehegerichtsbarkeit zu üben hatte, welche die Bischöfe besessen hatten; Ehegerichtsbarkeit, d. h. Ehehindernisse nach den Verwandtschaftsgraden zu bestimmen, Ehen zu lösen, Unzucht zu strafen.25)

Die Kirchenordnung von 1552 faßte die Errichtung des Konsistoriums bereits ins Auge: „Und gehören darein fürnehmlich zweierlei Sachen, Streit von der Lehre und Urteil wider die, so in äußerlichen Sünden leben, dazu die Ehesachen". In demselben Jahre 1552 nahm der Herzog Johann Albrecht das Werk in Angriff; es liegen zwei Gutachten seiner Räte vor, die nach dem Muster des 1542 zu Wittenberg errichteten Konsistoriums das mecklenburgische organisieren wollen. Allein die damals auftauchenden brüderlichen Frrungen hinderten die Fortseßung, und auch als diese 1556, soweit sie die Kirchenregierung angingen, dahin vertragen waren, daß beide Fürsten gemeinschaftlich das Regiment der Kirche und das Konsistorium bestellen wollten, störten Johann Albrecht die livländischen Angelegenheiten nicht nur, sondern ganz besonders die Widerspenstigkeit der Stadt Rostock.26)

Auf dem Landtage zu Güstrow 1555 nämlich beschwerte sich die Stadt Rostock wie auch Wismar über die Visitation der Herzoge; die Städte wollten selbst die Visitation in die Hand nehmen. Die Herzoge behaupteten dies Recht für sich, weil sie die Verwalter und Administratoren von Razeburg und Schwerin wären. Ihr Visitierrecht den Städten gegenüber leiteten sie also aus dem bischöflichen Recht, dem ius episcopale, her. In der That bestand neben dem landesherrlichen Kirchenregiment noch bischöfliches in der Stadt; als Offiziale waren Dancquardi und nach seinem Tode Konrad Pegel thätig; diese hatten allerdings nur noch die Ehegerichtsbarkeit geübt, soweit sie darum von streitenden Parteien angegangen waren. Ebenso hatte Herzog Ulrich in seiner Eigenschaft als Administrator von Schwerin den Dr. Jesaias Hofmann als einen „Archidiakonus und Offizial“ in Rostock bestellt. Der Stadt gegenüber sahen sich die Fürsten als Inhaber

der bischöflichen Gewalt an; diese war ja auch im Religionsfrieden nicht aufgehoben, sondern nur suspendiert, soweit sie gegen und wider die Augsburgischen Konfesssionsverwandten von katholischer Seite anzuwenden gewesen wäre. Andererseits war von einer Übertragung der bischöflichen Gewalt auf die Landesfürsten im Religionsfrieden nicht die Rede; auf eine solche Übertragung sich zu berufen, beginnen die Fürsten erst im 17. Jahrhundert. Die Stadt Rostock aber wollte weder von einem bischöflichen noch von dem landesherrlichen Kirchenregiment etwas wissen. Sie hatte ein Gutachten, auf das sie sich stüßte, hergestellt von dem Juristen Hieronymus Schurpf, dem ehemaligen Freunde Luthers, der aber wieder zum Katholizismus zurückgetreten war. Getreu dem vorreformatorischen Kirchenrechte sprach er der Landesobrigkeit das Kirchenregiment überhaupt ab, welches nur den Bischöfen und dem Papste gehörte. Diesen Sah nahmen die Rostocker um so williger an, als sie auch sonst die Landeshoheit der Herzoge bekämpften. Und so war der kirchliche Streit nur ein Glied in den Streitigkeiten, die schließlich zum Rostocker Erbvertrag führten.

an.

Der Pastor Eggerdes an St. Jakobi hatte sich beim Rate mißliebig gemacht, weil er von der Kanzel herab gegen die heimlichen Papisten in der Stadt geeifert hatte. Der Rat sehte ihn eigenmächtig ab. Herzog Ulrich aber verfügte die Wiedereinsehung und stellte einen Gesinnungsgenossen desselben neben ihm an Jakobi an, den Tilemann Heßhus, der schon ein viel bewegtes Leben hinter sich hatte. Beide Prediger eiferten nun vereint gegen die Papisten und Gotteslästerer, verweigerten Unbußfertigen das kirchliche Begräbnis und straften besonders die Unfitte der Sonntagshochzeiten; vor allen klagten sie den Bürgermeister Peter Brümmer Der Rat reagierte bald auf die Scheltreden der Pastoren, sperrte die Kirche und vertrieb die Geistlichen. In einem offenen Brief, den er an die Kirchthüren anschlagen ließ, rechtfertigte er sein Verhalten, indem er sich nicht nur auf sein bürgerliches Regiment berief, sondern auch kirchenregimentliche Funktionen zu haben vorgab. Als einen Aufseher und Superintendenten bestellte er den Dr. Drakonites. Dieser schien besonders geeignet zu sein, da er die Sonntagshochzeiten billigte. Aber Drakonites war dem geistlichen Ministerium nicht genehm, welches ihm allerhand Irrlehren vorwarf. Von beiden Parteien wurde der Streit auf die Kanzel, vor den Rat, vor die Gemeinde gebracht; tumultuarische Scenen waren an der Tagesordnung, der kirchliche Friede war gestört. Die Herzoge forderten die Wiedereinsehung der vertriebenen Prediger, belegten die Stadt mit einer Pön und gingen an das Reichskammergericht. Der Erfolg des Prozesses ist nicht bekannt, jedenfalls blieben Eggerdes und Heßhus der Stadt fern. Aber eine fürstliche Kommission verhandelte im Februar 1560 zwischen den Predigern und Drakonites. Letterer wurde als Superintendent nicht anerkannt und verließ die Stadt. Der Geistlichkeit wurde die Befolgung der Kirchenordnung vorgeschrieben, auch die allzu hastige Verhängung des Kirchenbanns verwiesen, der vom Konsistorium - das man noch nicht hatte - zu regeln sei.

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