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zog über den Studenten nähere Erkundigungen ein und schrieb von diesem Vorfalle, so wie von dem Volksauflaufe vor der Kaserne die Meldung an das OberCommando der Nationalgarde, und übersendete solche mittelst einer Garde-Ordonanz an Streffleur; aber es kamen vom Ober-Commando keine VerhaltungsBefehle, um welche der Bezirks-Chef Braun ersucht hatte.

Seit mehreren Tagen, besonders aber am 5. soll von der Mannschaft dieses Grenadier-Bataillons auch bei Gelegenheit der Verlesung des Regiments-Befehles, betreffend ihren Abmarsch, ein nicht unbedeutendes Murren gehört, sohin eine förmliche Weigerung des Abmarsches besprochen worden seyn; und Abends wurden die Grenadiere von der Bevölkerung dieses Vorstadttheiles sowohl, als von Anderen in den Gastorten, wo sie sich einzeln, oder in Gesellschaft befanden, aufgesucht, bewirthet, und auf verschiedene Art und Weise theils durch magyarische Emissäre, theils durch Zureden und Thränen der Amorosas, und durch einfältige Gutmüthigkeit der Spießbürger herausgefordert nicht zu marschiren, sohin sich dem Befehle des Abmarsches zu widerseßen.

Es wurde versucht die Grenadiere in der Kaserne zu erhalten; es häuften fich die Gruppenmassen unmittelbar vor der Kaserne immer mehr und mehr an; Reden wurden gehalten, welche die schon theilweise weinbegeisterte Mannschaft, die sich ohnehin von ihren weinenden Liebchen, von dem flotten Wiener-Leben ungerne trennten, und einen Tausch mit den Mühseligkeiten und Gefahren des Krieges nicht für rathsam hielten, noch mehr in ihrem verbrecherischen Vorhaben bestärkten und alles Zureden der Offiziere nußlos machten.

Diese Zusammenrottungen fingen also an schon Abends einen ernstlichen, Ge. fahr drohenden, offenbar politischen Karakter anzunehmen; denn es war an diesem Abende, wie bereits gesagt, ein Mann in akademischer Legionskleidung, welcher von der Volksmenge unterstüßt, mit Gewalt in das halbgeöffnete Thor der Kaserne eindringen wollte, und dann das Volk, und die Grenadiere aufwiegelte, von dem Oberl. Goldhan von G. H. Baden-Grenadieren eigenhändig arretirt, welch' leßterer bei dieser Gelegenheit einen Dolchstich in die Seite bekam. —

Der Bezirks-Chef Braun ging nach 11 Uhr Nachts in Begleitung des Hauptmanns Lemann zum Bezirks-Commando. Am Wege dahin versuchten sie die vor der bereits geschlossenen Kaserne versammelten Tumultuanten zum Auseinandergehen zu bewegen, was auch theilweise gelang, so daß sich die Straßen leerten. Bei einen Gasthause fanden sie jedoch abermals große Massen Menschen versammelt, welche einen gräulichen Lärm machten. Auf die von Braun gemachten Vorstellun gen wurde das Lärmen noch größer. Viele riefen: Unsere Grenadiere dürfen nicht fort, sie müssen da bleiben! und so blieben alle vernünftigen Vorstellungen fruchtlos.

Unter Lärmen und Drohungen verliefen sich nach und nach auch diese Volksmassen. — Weit ober der Kaserne in der Nähe des Chirurgen Meißner kamen,

dem Bezirks-Chef und dem Hauptmanne Lemann zwei Grenadiere entgegen, wovon der eine sehr jammerte, den Kopf verbunden hatte und mit Blut bedeckt war. Braun fragte die Grenadiere, woher sie kämen, und erfuhr, daß der eine von der Division Heß mit einem andern von der Division G. H. Baden vor der Linie eine Rauferei hatte, wobei er einen Säbelhieb am Kopfe und zwei am Arm erhielt. Braun ließ den Verwundeten beim Chirurgen Meißner verbinden und dann in die Kaserne führen. (Dieser Grenadier wird später abermals am Schauplage als Werkzeug politischer Demonstrationen erscheinen.)

Als Braun und Lemann auf ihrer Rekognoszirung um Mitternacht abermals zur Gumpendorfer Kaserne kamen, hörten sie eine Menge versammelter Menschen ein gräuliches Geschrei erheben, welches sich in der Richtung von der Laimgrube gegen die Kaserne bewegte. Es waren Civilisten, Nationalgarden, Legionäre, Grenadiere und Weibsvolk durcheinander. Auf die Frage, was dieß bedeute, erfuhren sie, es sey dieß eine Deputation des demokratischen Vereines, um den Grenadieren ein Lebehoch zu bringen. Bei dieser Deputation waren auch viele Ungarn; man erkannte sie an ihren, mit ungarischen Nationalbändern geschmückten Hüten. Zu dieser Zeit sandte der Bezirks-Chef Braun nochmals zum Nationalgarde-Ober-Commando, um einen Verhaltungsbefehl zu erhalten; aber es war in dem Lokale desselben in der Stallburg Niemand mehr zu finden *).

Die Deputation des demokratischen Vereines brachte eine sehr übel einwirkende Aufreizung hervor, und nachdem sie ihren schändlichen Zweck erreicht, verloren sich die Mitglieder derselben. Beim Kasernthore sagte Braun zu den Grenadieren, fie möchten doch in ihre Kaserne hineingehen, dann würden auch die übrigen Leute leichter fortzubringen seyn, und es sey nöthig, daß sie sich des Marsches wegen ausschlafen.,,Mein Herr Hauptmann“, sagte einer derselben zum Braun,,,wir gehen nicht fort, wir bleiben da!"— Aber Leute, erwiederte Braun, denkt nur, der Soldat muß thun, was ihm befohlen wird; warum wollt ihr euch denn einer unausbleiblichen Strafe ausseßen, warum wollt ihr denn nicht weggehen? Hierauf gaben sie ihm zur Antwort, daß sie nur unter der Bedingung jest in die Kaserne und morgen ruhig fortgehen, wenn ihr in Arrest befindlicher Kamerad Kühbeck von Hrabovsky Grenadieren aus demselben entlassen werde, und Morgens mit ihnen marschire, ohne gestraft zu werden, denn er sey unschuldig. Braun suchte die Soldaten zu besänftigen, und um das herumstehende Volk nicht noch mehr zn reizen, sagte er ihnen, er werde zum Herrn Major Richter für den genannten Grenadier bitten gehen, man möge sich einstweilen nach

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*) Ein um so beklagenswertherer Umstand, als sich die Abwesenheit des betreffenden Inspektions- Offiziers heraus zu stellen scheint und die Pünktlichkeit der PlagOffiziere im Dienste nur die verläßlichsten Männer zur Bedingung macht. Dr.

Hause begeben. Braun erfüllte das Versprechen, aber der Major eröffnete ihm, der Arrestant sey vom commandirenden General Grafen Auersperg in das Stockhaus bestimmt worden, somit stehe es nicht in seiner Macht, denselben frei zu laffen. Hierauf begab sich Braun mit einer Begleitung von 3 NationalgardeOffizieren um halb 3 Uhr des Morgens in die Wohnung des Commandirenden, und sprach zu ihm, es sey leider durch den anbefohlenen Abmarsch des G. B. Richter eine solche Aufregung in Gumpendorf, daß bei der Gereiztheit der Gre nadiere und der dortigen Bewohner Alles zu befürchten stehe, dann daß die Grenadiere äußerten, sie wollen nur unter der Bedingung ruhig abmarschiren, wenn ihr Kamerad aus dem Stockhause entlassen werde und mit ihnen marschire. Braun bat den General, er möge dießmal Gnade für Recht ergehen lassen, und den Grenadier freigeben. Graf Auersperg erwiederte aber: Sehen Sie ruhig, es wird nichts geschehen, die Grenadiere werden auch ohne den Arrestanten wegmarschiren. Braun bemerkte, Gumpendorf sey eine Fabriksvorstadt, fie sey durch das Verweigern des Gehorsams der Grenadiere in große Gefahr geseßt; denn die Leute drohen den Grenadieren beizustehen, und eher die Vorstadt anzuzünden, ehe fie die Grenadiere wegmarschiren lassen. Doch vergebens war das Bitten! Der General entgegnete: Es kann nicht seyn, mit dem Grenadier,Bataillon werde ich wohl fertig werden, gehen Sie nach Hause, es wird nichts geschehen, ich habe bereits einen General in die Kaserne hinaus bestimmt, der mit den Grenadieren sprechen wird. Als Braun zur Kaserne zurückgekehrt war, eröffnete er den Widerspänstigen, daß ein General ihnen die Antwort bringen werde, was sie in Etwas beruhigte. Dem Major Richter wurde aber der volle Bescheid des Commandirenden berichtet.

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Gegen vier Uhr Morgens sammelten sich schon bewaffnete Garden, und zwar zwei Compagnien von Hundsthurm und Wieden auf dem Gumpendorfer Pfarrplaße. Die sich am Pfarrplaze vergrößernden Massen waren alle vom fiebenten Bezirk Wieden, und wollten, als Braun, der Bezirks-Chef von Mariahilf, zu ihnen kam, er möchte auch Gumpendorf allarmiren lassen, um so im Vereine mit den Gumpendorfern den Abmarsch der Grenadiere zu verhindern. Der Bezirks-Chef Braun verweigerte dieß und stellte ihnen vor, wie ein solches Beginnen nicht nur nuglos, sondern auch gegen alle Geseze sey. Aber es half nichts. Man beschimpfte ihn, schalt ihn einen Verräther an dem Volke, einen schwarzgelben Hund, den man niederstoßen sollte.

Gegen 4 Uhr Morgens erhielten die deutschen Grenadiere den Befehl abzumarschiren. Sie weigerten sich und zertrümmerten in der Kaserne Geschirre, Möbel u. dgl. Von Seite des Militärs wurde die Trommel gerührt, eben so wurde von Seite der Nationalgarde Wieden, jedoch ohne Obercommando- und ohne BezirksCommando-Befehl, Allarm geschlagen.—

Troßdem, daß der Bezirkschef Braun zweimal auf die Mariahilfer Hauptwache des Bezirkes den Auftrag sendete, es dürfe durchaus nicht Allarm geschlagen werden, so geschah es dennoch durch die Tamboure der auf dem Gumpendorfer Pfarrplage aufgestellten zwei Compagnien Wiedner Garden, wahrscheinlich auf Anstiften von einzelnen Garden aus ihrer Mitte. Man muß das eigenmächtige Handeln der Garden zu dieser Zeit mitangesehen haben, um daraus die höchst gefährliche und schwierige Stellung eines Commandanten richtig beurtheilen zu können. Nach dieser Allarmirung durch die Wiedner versuchte es Braun abermals, die Garden von ihrem Beginnen abzubringen. Als ein Theil des Gumpendorfer Bataillons versammelt war, sprach Braun zu demselben, erklärte ihm, daß das heutige Beginnen ungeseßlich, gegen Vaterland, Krone und Freiheit sey, daß jeder freie Staat ein gehorsames Militär brauche, und daß jeder Soldat den ihm ertheilten Befehlen unbedingt gehorchen müsse; ferner, daß ihr heutiges Handeln die Soldaten zum Ungehorsam auffordere. Endlich schloß er seine Rede damit, daß er den Garden vorstellte, die Soldaten ließen sich gar nicht aufhalten, und wie er die Grenadiere kenne, würden sie sich heute, da fie die Näusche von gestern ausgeschlafen, selbst -- wenn es nöthig mit den Bajoneten Bahn machen und fortmarschiren. „Nichts da!"-war die Antwort der Garden-,,wir wissen, wie die Grenadiere denken, sie warten nur auf unsere Hilfe; sie dürfen nicht fort; Sie sind ein Schwarzgelber, daher Sie auch die Grenadiere dem augenscheinlichen Verrath preisgeben wollen!"

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Nach längerem Hin- und Herreden sah sich der Bezirks-Chef Braun genöthiget, der Gewalt zu weichen, und beschloß, alle, die mit seiner Ansicht einverstanden seyen, sollen austreten und zu Hause bleiben; die llebrigen aber, welche von der unglücklichen Idee- das Militär in der Meuterei zu unterstüßen nicht ablassen wollen, werde er, da es — nach seiner Ansicht seine Pflicht ist, nicht verLassen, denn er glaube sie nur durch seine Gegenwart vor einer Uebereilung, ja vor Unglück zu schüßen. —

Es kamen Garden von der Wieden, Gumpendorf, Mariahilf, ja fogar vom Neubau einzeln und rottenweise herangezogen, und sperrten, untermischt mit andern dazugekommenen Volksmassen, die Gassen nächst der Gumpendorfer Kaserne ab.

Augenzeugen behaupten gehört zu haben, daß einzelne Grenadiere den Wunsch aussprachen, die Nationalgarde und das Volk solle sie in ihrem Marsche aufhalten. Viele Garden, welche sich mittlerweile in Züge rangirten, waren bereits vor dem Kasernthore aufgestellt, und sperrten gleich darauf förmlich die Straße ab.

Das Gumpendorfer Bataillon kam unter Anführung Braun's und in Begleitung des Hauptmanns Lemann zur Kaserne marschirt. Die Grenadiere von

B. Heß Infanterie schienen mehr Disciplin und Lust zum Abmarsche zu haben, und bildeten die Avantgarde, durchbrachen abmarschirend wirklich mehrmal die Volksmassen und die Nationalgarde, östers wurden sie auch wieder zurückgedrängt.

Um halb 6 Uhr wurden Kürassiere aufgestellt. Dieselben stellten sich vor den aufständischen Kasernen auf. Braun führte sein Bataillon von dem vorderen Thore der Kaserne, vor welcher bereits die Kürassiere, aber zwischen diesen und der Kaserne auch Garden standen, zum rückwärtigen Kasernthore, machte dort abermals fruchtlose Vorstellungen, über welche die Garden, so wie über die Aufstellung beim rückwärtigen Thore schimpften. Die deutschen Grenadiere rüsteten sich zum Abmarsche, ungeachtet ihnen von der Getreide- und Heumarkt-Kaserne andere Grenadiere anscheinlich zu Hülfe eilten. Die Grenadiere wurden von der Kavallerie in die Mitte genommen, und seßten sich in Bewegung. Plößlich hieß es, die Grenadiere seyen bereits im Marsche begriffen, worauf die Gumpendorfer zu schreien ansingen: Den Grenadieren nach! und liefen zum andern Thore hin. Nationalgarden warfen sich dem abgehenden Militär entgegen, die Grena= diere mußten das Bajonnet fällen, und gegen die Garde vordringen. Zwei Garden und ein kaiserlicher Offizier wurden verwundet.

Diese Demonstrationen fingen an mit jeder Minute gefahrdrohender zu werden; zu einem eigentlichen Gefechte kam es nicht, obgleich einige Verlegungen stattfanden. Die Garde wurde zurückgedrängt, und das Militär erhielt freieren Abzug, nur wurden die Packwagen zeitweilig aufgehalten, aber von den, das Militär mit gezogenen Säbeln begleitenden Kürassieren des Regimen.s V. Mengen und Wrbna Cheveauxlegers wieder befreit.

Zu Ende der Gaffe, worin die Kaserne steht, wollten die vor den Gumpendorfern marschirenden Garden, (es war eine Abtheilung außer der Linie,) zu feuern anfangen, was aber durch energisches Auftreten des Bezirks-Chefs Braun verhindert wurde. Dann lief Alles den Grenadieren nach und schrie: Fort, fort! Auf den Bahnhof! — Braun ging mit Lemann hinterdrein, und unterwegs suchte er die Garden abermals auf bessere Gedanken zu bringen, rieth ihnen, sich beim Bahnhof aufzustellen, zu präsentiren und sich ruhig zu verhalten. Ja, ja! schrien sie, ließen sich aber durchaus nicht aufhalten.

Die Garde, die sich aus mehreren Bezirken gesammelt, war rathlos und ohne eigentliches Commando; doch wuchs ihre Anzahl mit jeder Minute. Dieselbe lief in ungeregelten Haufen durch verschiedene Gassen, schnitt auf diese Weise dem Militär den Weg ab, und sammelte sich auf der Mariahilfer Hauptstraße. Daselbst angelangt formirte sie sich wieder in Züge, und stellte sich zwischen die Kürassiere und Grenadiere, marschirte sehr langsam, und erschwerte dem Militär den Weg.

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