Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Am 23. October 11 Uhr Mittags erschien beim Ober-Commando in der Feldadjutantur Elise Pirker, Doctors Gattin, und zeigte an, es seyen vor ei nigen Tagen mehrere Kisten in der siebenbürgischen Hofkanzlei abgeladen worden, wornach die Vermuthung entsteht, als wären in jenen Behältnissen Gewehre. Man habe auch Grund zu glauben, daß diese Gewehre geladen seyen, indem an demselben Tage ein Schuß in jenem Gebäude gefallen ist.

„Tagsbefehl an die Herren Bezirks-Chefs. In der Nebenlage erhalten Sie einen Postirungs-Ausweis der mobilen Garden. Im Augenblicke eines Allarms hat die mobile Garde von der stabilen Garde ohne den mindesten Zeitverlust abgelöst zu werden, worauf Sie auf die ihr bezeichneten Sammelpläge zu eilen hat. Die mobile Garde bildet die erste Unterstüßung für alle bedrohten Punkte. Die Reserve wird aus den Freiwilligen aller Bezirke formirt. Der Sammelplag ist wie schon erwähnt das Glacis vor der Carlskirche.

Hauptquartier Schwarzenberg-Palais, den 23. October um halb 2 Uhr Nachmittags, 1848.

Messenhauser, m. p., prov. Ober-Commandant." „Kundmachung. Bis jeßt (11 Uhr Vormittags) find in Wien keine Posten angelangt. Es wird versucht werden, die hier aufgegebenen Correspondenzen und Zeitungen auch heute, so wie es an den vorhergegangenen Tagen geschehen ist, abzufertigen, doch kann ihre unaufgehaltene Weiterbeförderung bis zu den Bes stimmungsorten nicht verbürgt werden, da die Beseitigung der unbekannten Hindernisse ihres weiteren Laufes eben so wenig in den Kräften der Postanstalt liegt, als es derselben möglich war, die von auswärts erwarteten Posten, ungeachtet einige schon seit 6 Tagen uns fehlen, hierher nach Wien zu bringen.

Wien, 23. October 1848. Von der f. t. obersten Hof-Post-Verwaltung.
Ottenfeld, m. p."

Vormittags entspann sich einige Feindseligkeit zwischen der Besaßung an der Nußdorfer-Linie und den dortigen Vorposten, welche bald in ernsthaftere Gefechte überging. Die Haltung der Vertheidiger war entschlossen, fast an Tollkühnheit gränzend. Vormittag feuerten die Vorposten gegenseitig auf einander, wie es denn überhaupt den Wienern eine Freude verursachte, zuweilen zu feuern. Beiderseits traten hierauf stärkere Plänklerketten hervor, die herzhaft auf einander feuerten. Die übergegangenen Grenadiere zogen sich bald hinter die Linienwälle zurück. Einer von den Ueberläufern ward todt hinweggetragen. Die Besaßung der Linie machte noch vier Kanonenschüße, das Militär schoß blos zweimal zurück. Eine Granate flog in die Hauptstraße der Vorstadt Thury und riß von einer Mauer eine Ecke herunter. Das Dach des getroffenen Hauses sing zwar Feuer, wurde aber bald gedämpft. Es schien Waffenruhe eintreten zu wollen. Das Wirthshaus „zum Auge Gottes" aber gab neuerdings Anlaß zum Feuern. Die Partei der

Aufständischen hatte erfahren, daß der Wirth daselbst den Offizieren der Armee zuweilen eine Zuflucht gegen die Anfälle der Witterung gewähre, und beschlossen, ihn dafür fühlbar zu züchtigen. Ein Trupp der Linienbesaßung zog hinaus, um das Gasthaus-Gebäude niederzureißen. Erst wurden die Gemächer geplündert, die Speise- und Wein-Vorräthe fortgeschafft, und sodann das Haus in Brand gesteckt. Während dieser Gräuelscenen war das Militär nicht träge, und feuerte wacker auf die Insurgenten hinüber. Zwei Arbeiter wurden verwundet, und einer von den eidbrüchigen Grenadieren getödtet.

„Herr Hauptmann Franz Jak. Thurn, Bezirks-Chef des 3. Bezirks, erscheint um 12 Uhr beim Gemeinderathe und bringt an:

,,,,Er sey vom Nationalgarde-Ober-Commando in Begleitung eines Trompeters und einer Ordonnanz gestern Morgens um 9 Uhr als Parlamentär mit einer Depesche des Gemeinderathes zum Commandirenden, Fürsten Windischgräß, geschickt worden, den er nach fruchtlosem Suchen in Stammersdorf, um halb 6 Uhr Abends in Heßendorf im l. Schlosse getroffen. Er sey nach der Generalität sogleich vorgelassen worden, und mit ausgezeichneter Aufmerksamkeit empfangen worden. Schon vorher habe der Fürst zu den Generalen geäußert: ,,Meine Herren, wir sind jeßt hier, um die Ruhe und Ordnung in Wien herzustellen, und diese muß um jeden Preis erreicht werden.“ Gleich auf diese Worte sey er (Thurn) vom Vorzimmer, wo er gestanden, in ein anderes Zimmer, und nach einer Weile erst, wie die Generale abgetreten waren, zum Fürsten gelassen worden. Er habe ihm die Schrift des Gemeinderathes übergeben, worauf der Fürst sein Befremden darüber ausdrückte, daß der Gemeinderath ihm eine Note schicke. Ferner äußerte er:,,die Ordnung muß in Wien hergestellt werden, ich weiß es, daß die guten Bürger nur von einer Partei irregeführt werden, darum ist es meine Pflicht und Schuldigkeit, daß das Bürgerthum geschüßt wird, und sollte die Renitenz sich hartnäckig zeigen, so wäre ich mit blutendem Herzen gezwungen, von meinen 100 Kanonen und ganzem Militår lager ernsten Gebrauch gegen die schöne Stadt Wien zu machen. Er äußerte zu mir noch weiter:,,Die gutgesinnten Bürger sollen zusammentreten, und mir zeigen, daß sie guten Willens, mich selbst in der Entwaffnung des gefährlichen Proletariats unterstüßen wollen.“ Hierauf lenkte ich ab, und wartete wegen der Empfangsbestätigung, so wie wegen llebernahme der gedruckten Proklamationen, deren er schon früher erwähnte. Bald darauf wurde ich wieder hineingerufen, und ich übernahm von seinem Adjutanten 100 Proklamationen, wovon ich hier fünf erlege, und die übrigen an den Magistrat, Nationalgarde-Ober-Commando, sämmtliche Bezirks-Chefs und sämmtliche Corps Commandanten, dann an die Akademische Legion, vertheilt habe. Ich ließ mir den Empfang bestätigen. Die Entlassung war so, als ob ein Vater sein Kind entlassen hätte.

[ocr errors]

Ich bitte noch beizufügen, was ich im Contexte anzugeben vergessen, daß Fürst Windischgräß sich während des Gespräches ausdrücklich erklärt habe, das Manifest des Kaisers vom 19. aufrecht zu erhalten, und ebenso die Errungenschaften bis zum 26. Mat inclusive. 24. October 1848, 12 Uhr Mittags. Thurn, m. p., Bez -Comdt. (Landstraße Nr. 500).""

Borstehende Aeußerung des gewesenen Bezirks-Commandanten Thurn ist der am 24. October v. I. in der Permanenz des Gemeinderathes abgegebenen, und in das dortige Protokoll aufgenommenen Erklärung wörtlich gleichlautend. Vom Gemeinderathe der Stadt Wien, am 2. Januar 1849.

L. S.

J. P. Kaltenbäck, m. p., Vice-Präsident.“

12 Uhr Mittag. Weiße Rauchwolken, welche vom Stephansthurme aufstiegen, waren Signale, und man sagte, sie sollen die Annäherung der Ungarn gegen die Stadt bedeuten.

12 Uhr Mittags. Vor einer Stunde vernahm man zahlreiche Kanonenschüsse in der Gegend von Nußdorf; in den Kirchen der Roßau, Leopoldstadt und Alservorstadt, so wie auch im Lichtenthal und den umliegenden Gründen wurde Sturm geläutet, und die Bewohner durch Trommeln allarmirt. Züge von Bewaffneten eilten in die Roßau und Kanonen wurden ihnen nachgeführt. Bald war wieder Alles ruhig, die Glocken verstummten, Kanonenschüsse hörte man nicht mehr, nur Ordonnanzen eilten noch hinaus oder kehrten zurück; ihre Eile war zu groß, als daß sie die Neugierde der sie Ansprechenden befriedigen konnten. Die Ursache des Lärmens war das Gerücht, daß zwei Compagnien der Grenadiere zum Volke übergetreten seyen.

Die Börse, welche bereits geschlossen war, wurde wieder geöffnet: Besondere Störungen hat der Allarm in der innern Stadt keine hervorgerufen. Die Türkenschanze erhielt drei Compagnien Grenadiere Verstärkung. Die 2. Compagnie Nationalgarde, Bezirk Schottenviertel, wurde neu gebildet, da die meisten Garden dieses Bezirkes sich seit dem 6. an keinem Dienste betheiliget hatten. Es wurden auch alle Jene, welche sich vom Dienste zurückgezogen hatten, sogleich entwaffnet.

Vom Stephansthurme wurde dem Gemeinderathe berichtet: 2/ Uhr Nachmittags. Mit dem Brünner Train fahren gegen Floridsdorf 9 Wagen mit Militär, nebst vielen Pack- und zulezt auch Pulverwagen. Daselbst wird Alles abgeladen.

Nr. 2669.,,An den löblichen permanenten Ausschuß des hohen Reichstags. Ich beehre mich, dem löblichen Ausschusse in Erwiederung der geschäßten Zuschrift, ddo. 19. I. M. in Anschlusse ein an mich gelangtes Schreiben des commandirenden Herrn Generalen F. M. L. Grafen Auersperg zum gefälligen Gebrauche mitzutheilen, in welchem sich derselbe über die Gründe ausspricht, welche ihn bestimmten, die Zufuhr der Lebensmittel nach Wien abzuschneiden.

Wien, den 23. October 1848.

Krauß, m. p."

Nr. 2667.,,An Se. des Herrn Präsidenten des hohen Reichtags, FranzSmolka, Wohlgeboren. Gestern habe ich mich in Folge eines Anfinnens des Reichstagsausschusses an den Fürsten Windischgräß mit dem Ersuchen gewendet, ehe zur Anwendung der Waffengewalt gegen Wien geschritten wird, mildere Mittel der Ausgleichung zu versuchen, und die Kundmachung über den Belagerungszustand und das Standrecht bis zu dem Zeitpunkte zu suspendiren, wo die von Seiner kaiserlichen Hoheit, dem Herrn Erzherzoge Reichsverweser zur Herstellung des Friedens abgesendeten Reichs-Commissäre von Olmüß hieher zurückgekehrt seyn werden. Dieses Ersuchen erneuerte ich bei der Mittheilung des von dem hohen Reichstage über die Ungeseßlichkeit der gedachten Maßregeln gefaßten Beschlusses. Beide Schreiben erhielten jedoch keine schriftliche Antwort. Bloß mündlich wurde dem abgesendeten Eilboten erwiedert, daß der Herr Feldmarschall keine andere Executivgewalt in Wien kenne, als den Gemeinderath oder Magistrat, den hohen Reichstag könne er nicht als Exekutivgewalt betrachten. Er wünsche, daß ich seine Aeußerung dem Gemeinderathe bekannt mache, er wolle zur unbedingten Unterwerfung der Stadt 24 Stunden Zeit gewähren und müsse verlangen, daß die abermalige Kundmachung des Manifestes vom 16. d. M. erfolge. Ich habe die Ehre, Euer Wohlgeboren die Mittheilung hievon mit dem lebhaften Bedauern, daß der Versuch, eine gütliche Beilegung anzubahnen, keinen günstigen Erfolg hatte, zu machen.

Wien, den 23. October 1848. Kraus, m. p." ,,Dringender Aufruf! Von den 48 Stunden, die Windischgräß der Stadt Wien zur Bedenkzeit gab, ob sie der Freiheit oder dem Korporalstocke gehorchen will, sind bereits 12 Stunden verflossen. Noch 36 Stunden, und der Feind pocht an unseren Thoren, und wir werden aus freien Bürgern wieder Sklaven (?) des Metternich'schen Systems, und dahin find alle Früchte, die wir seit dem 13. März his 6. October gepflegt, und die wir Kraft unseres geseglichen Reichstages endlich ruhig zu genießen gedachten. Freunde, Brüder, Mitbürger! Das Vaterland und die Freiheit ist in äußerster Gefahr. Noch schweben zwar friedliche Reich 3 - Verhandlungen über dem gezückten Schwerte des Krieges. Der Reichstag hat Protest gegen den Belagerungszustand eingelegt, und die deutschen Reichs-Commissåre Welder und Mosle unterhandeln in Olmüß, wir dürfen einer Wendung zum Guten vertrauen, aber dürfen uns nicht unbedingt auf fie verlassen. Windischgräs kann mit frecher Gewaltthat alle Hoffnungen der Guten zu nichte machen, und nur zu wahrscheinlich ist es er wird es. Also auf, auf zur Rüstung, zur Vertheidigung der Stadt, die von Heersäulen und Kanonen umlagert, mit jeder Stunde näher der Entscheidung ihres Schicksals entgegengeht. Kostbar ist der gegenwärtige Augenblick, denn nicht wissen wir mehr, wem die nächste Zukunft gehört. In äußerster Schnelle muß die

[ocr errors]

Stadt an ihren bedrohtesten Punkten noch verschanzt und verbarrikadirt werden, keine Hand ruhe, dem Vaterlande seine dringendste Pflicht zu leisten. Die unermeßliche Stadt mit ihrer Fülle der edelsten Geistes- und Erdengüter, dem zerstörenden Tritte des feindlichen Kriegers unzugänglich zu machen. Eilet herbei, Männer, Weiber, Kinder, erste und legte Kraft der Jugend und des Alters, reget und rüstet euch für die Rettung der Freiheit. Wien, gib der Welt ein Beispiel von Patriotismus, wie es Paris, wie es Warschau, wie es Buda-Pest in den Tagen höchster Bedrängnisse gethan haben. Schwache Greise eilten herbei, zarte Kinder tummelten sich, vornehme Damen, in Sammt und Seide gekleidet, stiegen aus ihren Equipagen, trugen Steine, Holz und Sparrwerk herbei, arbeiteten mit Spaten und Brecheisen, und verrammelten in wenig Stunden eine offene Stadt in eine unüberwindliche Festung. Wien, Bewunderung der Welt, die du Dankadressen von der halben Erdkugel für den Heldenmuth deiner Märzund Maitage empfangen hast, auf! bleibe jeßt nicht hinter dir selber zurück, zeige der Menschheit, daß du die Freiheit ebenso standhaft behaupten, als welche erringen kannst. Für wenige Stundenschläge fordert die Freiheit deine Opfer, aber sie fordert sie ganz, fie fordert sie von Allem, was Leben und Athem hat. „Energie! jest oder nie," riefen wir am heiligen Morgen des 13. März in der Aula, als wir ins Ständehaus zogen,,Energie! jest oder nie!" halle es auch heute wieder in jedem Herzen, das für die Freiheit schlägt, und wie der Ruf der Aula damals die Stimme von ganz Wien wurde, und wie der Gott der Weltgeschichte damals unserer Schilderhebung den gerechten Sieg gab, so stehe auch jeßt wieder ganz Wien wie Ein Mann auf, kämpfe, arbeite, verschanze, verbarrikadire, wache, spende, und opfere sich in den 36 wichtigsten Stunden der theuren Vaterstadt, ganz dem öffentlichen Wohle. Ein Gott ist, ein ewiger Wille lebt, der uns hält und schüßt; aber vertrauen wir nicht vermessentlich auf seine Hülfe, vergessen wir nicht, daß Gott alles Große und Unsterbliche durch menschliche Hände ausgeführt. Hilf dir selbst, dann hilft dir der Himmel, und günstig winken dir alle seine Sterne. Also auf, auf! die Stunde der Gefahr drängt, ganz Wien muß ein Lager seyn, und nach wenigen Stunden wird ganz Wien ein Dom seyn, in welchem ein tausendstimmiges Te Deum laudamus zu Gott dem Befreier emporsteigt. Wir werden für Euch bluten, aber wir wer den fiegen, glorreich triumphiren, wenn Einer für Alle, Alle für Einen stehen, und ganz Wien ein Mann und ein Herz ist für die heilige Sache der Freiheit. Wien, im October 1848. Der Ausschuß der Studenten." ,,Wegen Plünderung. Mitbürger! In einem feierlichen Augenblicke, wo allen geseßlichen Gewalten durch Militär-Herrschaft Gefahr droht, ist es doppelt nothwendig, die Geseze innerhalb der eigenen Mauern zu achten. Wir müssen die Verachtung an Recht und Gerechtigkeit, wodurch unsere Gegner uns unter

-

« ZurückWeiter »