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netften jungen Männer eingereiht. Das Mediziner und Technifer-Corps hatten unter sich die meisten republikanischen Elemente — und Individuen, die in ihrer Zügel- und Rücksichtslosigkeit, Frechheit und Ignoranz in staatlichen Angelegenheiten, dem besseren und besten Theile der Legionäre Schande machten, manche Familie entehrten, überall schmaroßten, Freiheits- und VolksbeglückungsDeklamationen zur Stillung des Hungers förmlich als Profession betrieben, und auf den Gesammtkörper der Nationalgarde — mündlich und schriftlich perorirend in hohem Grade nachtheilig einwirkten. Die zahllosen Redner auf den Straßen, in den Kneipen und Kaffeehäusern waren unter der größten Geschäftslosigkeit, unter dem Mangel nach allen Seiten die volksbeglückenden, staatskundigen, hochweisen Akademiker. Es mochte was immer geschehen, so sprang ein Student als Redner wie aus der Erde empor, und schleuderte den maulaufreißenden Spießbürgern, Arbeitern, und dem die Calabreser vergötternden Weibsvolle hochtrabende Phrasen voll Bombast entgegen, die, ob verstanden oder nicht verstanden, ob vernünftig oder nicht vernünftig, immer vielfältiges Bravo! erlebten. Ein oder der andere der guten, geselligen und neugierigen Wiener fand sich immer, der um sich selbst interessant zu machen – den interessanten jungen Mann fennen lernen wollte, und die Schmaroger-Carriere war gemacht. Die Grundsäße der Politik und der Moral, die solche Parasiten, besonders die Fremden und Ausländer, unter der Bürgerschaft, unter der Nationalgarde und der Bewohnerschaft im Allgemeinen fortpflanzten, äußerten sich in der Zerseßung jeder guten Gesinnung, der Treue gegen den Thron, der Achtung vor dem Geseße und in Folgen die der Bater, der Gatte, der gastliche Hausherr später bitter beklagte. — Barbiergesellen, Recensenten, Schlosser, haufirende Schacherer, Hufschmiede, Wändeanstreicher, und wie Göthe sagt: Mäusedreck und Coriander — Alles untereinander ging und war bei der akademischen Legion und trug den Calabreser. Dadurch fiel die Achtung eines Körpers, worunter die achtbarsten Capacitäten eingereiht sein sollten mehr und mehr, und ein A. M. P. oder T. war keineswegs ein ehrenvolles Abzeichen geworden. Die Aula sant zu einer Kneipe herab, ihre Bestimmung war verschwunden, es war der Tummelplag von größtentheils kecen und nichtswürdigen Buben und Abenteurern. Professor Füster möge sich den Dank der Eltern einsammeln!

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Die Aula ward ein Organ, durch welches Alles durchgesezt werden konnte.— Dieß trug viel dazu bei, daß das Volk fich auf gewaltsame Durchseßung seiner Wünsche gewöhnte. Die Nationalgarde in ihrer mangelhaften Zusammensegung bildete in ihrer Mehrzahl einen Klumpen ohne alle politische Bildung, und bewies sich als solcher dadurch, daß jeder Einzelne — nur seiner oft grassen Unwissenheit oder Einfalt fröhnend — so wie ganze Compagnien und große. Massen des ganzen Körpers, den Befehlen ihrer Offiziere Hohn sprachen, und fich blindlings in die Bewegung hinein stürzten.

Die Abreise des gesammten Hofes nach den Vorfällen des 15. Mai, Folge eben dieser Sturmpetition und der Absicht einer zweiten wegen Aufgeben Italiens und Streichung der Staatsschuld, brachte die Bewohner der Residenz wirklich in große Bestürzung, die Garde hingegen theilweise zu ihrem Erwachen, die Zügellosigkeit der Presse auf einige Tage zum Verstummen. Doch auch dieß dauerte nur einen Moment!- Die Parteien traten mehr hervor, die Umsturzpartei schmähte auf den a. h. Hof, die Gutgesinnten, meist ohne alle politische Bildung und Beurtheilungsgabe, wurden haranguirt, und diejenigen, welche die Ursache der Abreise des Hofes in der Sturmpetition unumwunden aussprachen, waren vor Mißhandlungen nicht sicher, ja sogar mit dem Tode bedroht *).

Am frechsten traten Jene hervor, die in Wien bisher Fremde waren, die von der konstitutionellen Verfassung keineswegs, wohl aber von der republikanischen unbedingte Gleichstellung mit den ackerbautreibenden einheimischen Christen erwarteten. Es war wohl im größten Theile der gutgesinnten Garde der Wille vorherrschend, einig zu wirken, um das ohne Blutvergießen begonnene große Freiheitswerk ruhig und auf legalem Wege zur Reife bringen zu helfen; aber es mangelte alle Bindungskraft eines Gesetzes und die Kraft eines Führers, der ein Gott das Vertrauen der heterogenen Bestandtheile der Volkswehr besessen hätte. Die Volkswehr war in Bezug auf die Quantität groß, aber in Bezug auf die Qualität sehr gering zu nennen. Die in ihre Reihen aufgenommenen Fremden waren die größte Schwäche dieses vaterländischen Institutes. Der größte Theil derselben bestand aus rohen, unwissenden, excessiven oder spekulirenden Elementen, es fehlte der unerläßliche Geist politischer Tugend. Das Kleid und der Schleppsäbel war zur geckenhaften Mode und zur spießbürgerlichen hohlen Bra: marbasirerei herabgesunken, und der Offiziersrang meist Eigenthum der Reichen geworden, die wohl die Auszeichnung genossen, aber nicht die damit verbundenen Pflichten zu erfüllen im Stande waren. Wirthshaus-Cotterien dominirten die Compagnien, spekulative Subjekte betrachteten die Nationalgarde im Ganzen, oder deren Compagnien als eine Kuh, die sie zu ihrem Vortheile nach Belieben abmelkten, Saufgelage übten den größten Einfluß auf einen großen Theil der Offizierswahlen, und brachten Uneinigkeit unter den Cameraden hervor, woraus auch politische Gehässigkeiten Nahrung bekamen.

Die düstere Stimmung der Bevölkerung der Kaiserstadt währte nach der Abreise des a. h. Hofes fort, es gab sich deutliches Mißtrauen gegen die akade

*) Wollte doch ein erbärmliches Individuum am 18. Mai den Berfasser (weil er im Stierböckschen Kaffeehause in der Leopoldstadt sagte: Die Abreise Sr. Majestät wäre die Folge der Sturmpetition, und weil sich der Kaiser wohl nicht sicher fühlte) gehängt oder ertränkt wissen, und suchte ihn in Begleitung mehrerer ungarischer Juden an mehreren Orten in der ausgesprochenen Absicht auf. Dr.

mische Legion kund, welche man als Urheberin der Ereignisse des 15. Mai l. I. und der dadurch erfolgten Abreise des kaiserlichen Hofes beschuldigte, so zwar; daß die akademische Legion Berathungen über ihre zeitweilige Auflösung und Schließung der Aula hielt. — Wirklich führte der gediegenere Theil der studirenden Jugend den Beschluß durch; daß die Aula ́ für das Publikum gänzlich, für die Nationalgarden und die Legion aber nur, wenn ein genügender Grund nicht vorlag, geschlossen bleibe, und nur einmal in der Woche zu FakultätsBerathungen geöffnet werde. Das Corps der Juristen und Philosophen zeigte große Neigung, sich auf einige Zeit aufzulösen, ungeachtet das Corps der Mediziner und Techniker sich diesem Beschlusse nicht fügten. Viele der Ersteren legten ihre Waffen freiwillig ab, und andere begannen sich in jene Nationalgarde-Compagnien einreihen zu lassen, in welche sie nach ihrem Domicile gehörten.

Während in dieser düsteren Stimmung noch der beruhigende Hoffnungsstrahl leuchtete, daß das Entwicklungswerk auf gemäßigterer Basis herangebildet werde, kam jener unglückliche 26. Mai 1848 heran, an welchem Tage früh Morgens die Stadtthore vom Militär beseßt, der Ein- und Ausgang verwehrt, die Universität aufgefordert, die Aula zu schließen, und die Legion beauftragt wurde, die Waffen niederzulegen.

An diesem Tage feierte die demokratische Fraktion ihren Sieg durch den Sturz des Ministeriums und die Compromittirung des Militärs; an diesem Tage beging die Jugend so viel Unzucht unter freiem Himmel, daß durch die Syphilitischen bedeutende Lücken in den Reihen der Legion entstanden; an diesem Tage ward es nöthig, an alle Gewölbsthüren: „Heilig ist das Eigenthum“ mit Kreide zu schreiben. An diesem Tage schritt der anarchische Zustand vorwärts, und war der verhängnißvolle Würfel geworfen, welcher großen Zwiespalt in die Nationalgarde brachte, die Presse neuerdings ermuthigte ihr Medusenhaupt terroristisch zu schütteln, und alle die Ereignisse bis zum 6. October 1. J. am Gängelbande nach sich führte. Der 26. Mai endete damit, daß das k. k. Militär den Rückmarsch in die Kasernen antreten mußte, daß sämmtliche Wachposten von Seite der Nationalgarde, die Burgwache aber gemeinschaftlich übernommen wurden. Das kaiserliche Zeughaus, die Kanonengießerei und alle der Armee gehörigen militärischen Gebäude und Depots blieben jedoch fortwährend vom Militär besest. Mit diesem Tage keimte der gestreute Same des Mißtrauens gegen das f. f. Militär auf.

Die Folge dieses Tages war die Demoralisirung der Arbeiter und Arbeiterinnen. Zum Plündern war kein vernünftiger Srund vorhanden, da jeder und jede aus freien Stücken hergab, was sie besaßen- um die Leute im guten Humor zu erhalten. Die,,lieben Brüder und Schwestern" trugen an jenem Barrikadentage Pflastersteine in die Stockwerke, und ließen sich das Stück mit einem Zwan

ziger bezahlen. Die Sammlungen an den Barrikaden brachten Massen Geldes den Arbeitern ein, und das mit Kurzweil aller Art, mit Suff, Saus und Braus verbundene Barrikadenbauen, erwies sich als sehr fidel und lucrativ, abgesehen von dem Verdienste, den das Abtragen der Barrikaden und die Herstellung der Pflasterung der aufgerissenen Stellen darbot. Dadurch wurden die Studenten und Revolutionmacher die besten Freunde der Arbeiter.

Eine weitere Folge dieses Tages war das Entstehen eines „Ausschuß es der Bürger, Nationalgarden und Studenten für Ruhe, Sicherheit, Ordnung und Wahrung der Volksrechte," dessen wohlthätige Wirkung anfänglich, unter Dr. Fischhofs Vorsig, noch in Jedermanns Erinnerung ebenso bleiben wird, als dessen spätere Uebergriffe in eben dem Maaße von dem intelligenteren Theile der Bevölkerung Wiens mißbilliget wurden. Ungeachtet dessen zeigte sich von einem gewissen Theile der Nat.-Garde einige Sympathie für diesen Berein, wodurch die Bande der Einigkeit dieses bewaffneten Körpers immer mehr und mehr aufgelockert wurden. Nun fingen an sich Vereine auf Vereine zu bilden, unter welchen der demokratische Verein unbestreitbar die bedeutendste Rolle spielte. Auch dieser verfolgte anfänglich ein schönes Ziel, wirkte aufklärend auf die unteren Volksschichten, und in moralischer Beziehung wohlthätig auf dieselbe ein; allein nachdem er sich mit anderen gleichartigen Vereinen anderer Staaten in enge Verbindung brachte, wurde auch er von dem Strudel eines schwindelnden Fanatismus mitgerissen, artete aus, und jedes einzelne Mitglied, von der Macht der ihm aufgebürdeten Vollkommenheit berauscht, wurde zum unumschränkten Selbstherrscher herangebildet.

Dieser Verein, welcher eigentlich nur für die untere Volksklasse ursprünglich berechnet war, die nach dem Ministerial-Erlasse vom 10. April 1848 von dem Nationalgarde-Dienste enthoben wurde, indem dieselbe nur auf Intelligenz und Befiß beruhen sollte, warf seine Schlingen auch in die Reihen der Nationalgarde, und erlangte, besonders in leßterer Zeit, einige Sympathie in selber, wodurch die Einigkeit dieses Körpers noch mehr geschwächt wurde.

Die Mitglieder des demokratischen Vereines vergassen, daß sie nicht das Boll repräsentiren, daß fie als Repräsentanten nicht gewählt worden, und daß fie nur Mitglieder des Volkes sind.

Die revolutionäre Partei hatte ihren Mittelpunkt im demokratischen Vereine, der zwar manche Männer von Bildung und redlicher Tendenz, aber auch sehr viele Stegreifpolitiker, Leute die mit dem Kriminale Bekanntschaft gemacht haben, vazirende, faule, arbeitscheue Handlungsdiener, bankerotirte Kaufleute, lüderliche Studenten, Schwindler, theoretische Plänemacher, Winkel-Advokaten, abgeseßte Beamte und Militärs, Versemacher ohne Talent und Kenntnisse, und ähnliche unlautere Individuen zu seinen Mitgliedern zählte.

Ungeachtet dessen, daß der demokratische Verein und die radikale Presse auf das Institut der Nat.-Garde sehr nachtheilig einwirkte, gab es dennoch reines Schrott und Korn in der Garde, und die Gesinnungsart machte sich so zu sagen schon Bezirks- und Bataillonsweise kund, welches die Haltung derselben bei den Arbeiter-Unruhen vom 21. und 23. August 1848 bewies, welche von dem demokratischen Vereine hervorgerufen worden zu seyn, demselben allgemein zur Last gelegt wurden.

Der 23. August und seine blutige Geschichte war die Folge des demokratischen Einflusses. Dieser Tag steht oben an.

Nachdem aber die an diesem Tage einig und kräftig wirkende Nat.-Garde der Leopoldstadt, Landstrasse und der Stadt von der Presse dieserwegen verdächtigend und tadelnd, ja schimpflich angegriffen wurde, und noch längere Zeit darnach, ungeachtet der gründlichsten Widerlegungen immerwährend neuen Berfolgungen ausgesezt ward, wirkte dieses entmuthigend auf die Garden jener Bezirke welche bei diesen Vorgängen meist betheiliget waren, schlug dem Eiferder Nat.-Garde tiefe Wunden, und brachte Separationen und eine auffallende Erkaltung im Dienste hervor.— Die häufigen Allarmirungen trugen viel dazu bei, den Dienst als eine Kalamität umsomehr erscheinen zu lassen, als die zahlreichen Kazenmusiken nicht selten Jenen gebracht wurden, die im Dienste gegen solche Strassen-Excesse energisch eingeschritten find.

Der große Verwaltungsrath der Nationalgarde war bemüht, anderweitigen Uibergriffen, die dem Institute von Seite des Sicherheits-Ausschusses mit Gefahr drohten, zu begegnen, und erließ nachstehende Erklärung :

Der Verwaltungsrath an die gesammte Nationalgarde Wiens.

Um ein richtiges Verständniß über den Verwaltungsrath der Wiener Nationalgarde und dessen Wirksamkeit zu erzielen, ist die Darstellung desselben und seines Wirkungskreises um so mehr zur Pflicht geworden, als sich Mißverständnisse bereits kund gegeben haben.

Die weltgeschichtliche Märzbewegung schuf unsere Freiheit und deren Bürg schaften in rascher Aufeinanderfolge. Die erste Bürgschaft lag in der durch das f. Rescript vom 14. März 1. J. ins Leben gerufenen Nationalgarde.

Der Ministerial-Erlaß vom 10. April l. I. brachte die provisorischen Grundzüge einer Organisation derselben. Häufige Verstöße des Ober-Commandanten gegen den Geist dieses Institutes, insbesondere aber das Widerstreben des Wesens dieses, aus dem Umsturze der absoluten Gewalt hervorgegangenen Institutes selbst gegen absolute Geseße eines Ober-Commandanten, riefen den Verwaltungsrath der Nationalgarde ins Leben, dessen Wirkungskreis im S. 8 desselben Ministerial

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