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Andringen auf die Wiedereinseßung des weiland souveränen Sicherheitsausschußes; Brestl's weiterer Antrag auf augenblickliche Errichtung eines Centralcomités für die internationalen Angelegenheiten der am Reichstage nicht vertretenen österreichischen Länder; — das permanente Losziehen Löhner's gegen alle Provinziallandtage; dieß waren neben unzähligen andern von minderer Bedeutung die Hauptangriffe, um die Majorität der Kammer in die Lage zu bringen, sich entweder von dem Sturmschritte der „Linken“ mit fortreißen zu lassen, oder aber sich den Massen des Publikums gegenüber, welches dem radikalen Treiben nicht auf den Grund zu sehen vermochte, als reaktionär entgegenzustellen. Die ,,Linke" selbst war niemals so kurzsichtig, um zu glauben, es seyen die meisten ihrer entschiedensten Gegner weniger freifinnig und volksthümlich gesinnt, als einer irgend ihrer Koriphäen. Dennoch wurde bei jeder Abstimmung, wo ihre Anträge zwar nicht im Princip, aber deßhalb angefochten wurden, weil sie, wie 3. B. Kudlich's Antrag unzeitig und in seiner Art unpraktisch oder wie der von Borrosch für wichtige Verfassungsfragen präjudizirlich, oder aber offenbar perfid waren, stets auf Namensaufruf gedrungen, und die Namen der Nichtbeistimmenden wurden von der zum Dienste der,,Linken“ ganz anheimgefallenen,,radikalen Presse" zur förmlichen Proscription der Contravotanten mißbraucht. Auch das Mittel wurde beliebt, die Majorität der Kammer unpopulär zu machen, daß man ihr, da die Plane der „Linken“ nicht direkt gedeihen wollten, mit steten, oft eitlen, ja selbst albernen Formfragen alle Möglichkeit benahm, zur Lösung practischer Staatsfragen zu schreiten, welche auch den Irregeleiteten hätten überzeugen müssen, daß nicht die Linke, wenigstens nicht sie allein, das Heil und Wohl der Völker will.

Das Ministerium, obwohl nach dem Wunsche jener Partei zusammengesest, die sich im Reichstage zur,,Linken" bildete, konnte ihr unmöglich auf die Dauer entsprechen, als sich im Reichstag eine Majorität zusammenfand, die die anscheinlich heterogensten Elemente in sich vereinigte, um im Gegensaße zu der destruktiven Demokratie der,,Linken" die Einheit und Unabhängigkeit Oesterreichs fest im Auge hielt. Ein festes Programm über seine Politik konnte das Ministerium jener Zeit überhaupt noch nicht haben, und bestand auch nicht durchgehends aus Männern von gleich liberaler und zugleich entschiedener politischer Gesinnung; war aber das Ministerium nur halbweg ehrlich und klug, so mußte es für die Erhaltung der Einheit Desterreichs, daher für jenes Grundprinzip seyn, in welchem sich zuerst die Mojorität der Kammer vereinigte, es mußte daher so wie diese angegriffen und bis zum Sturze verfolgt werden.

Wer die von der Linken ohne Unterlaß auf das Ministerium losstürmenden Interpellationen in ihrer Tendenz, und selbst in der formellen Art und Weise aufmerksam verfolgt hat, wird zugestehen, daß sie nie oder nur selten im Interesse

der Aufgabe des Reichstages geschahen, vielmehr stets nur dazu mißbraucht worden sind, um dem Ministerium Verlegenheiten zu bereiten, und die Regierungsgewalt in einer Uebergangsperiode, wo ihr kräftiges Auftreten zu wün schen war, zu schwächen. Zugleich bekämpfte man im Ministerium indirekt die Majorität der Kammer, welche das Ministerium hielt. Bei einem Ministerium, das noch nicht nach einer Majorität der Kammer gebildet werden konnte, das ohne ein mögliches festes Programm sich nur durch politischen Takt, auf einem Boden behaupten mußte, welcher mehr durch das charakterlose Schwanken des früheren Ministeriums, als durch den Wellenschlag der Ereignisse und politischen Meinungen abgespült war, ergab sich täglich eine erwünschte Gelegenheit, ihm die Daumschrauben anzulegen, und nicht zu läugnen ist es, daß das Ministerium selbst sich mehr Blößen gab, als es gerecht und nothwendig war.

Nicht jene Blößen allein waren es, welche der plößliche Sprung von einem festgeregelten bureaukratischen Despotismus zur Freiheit, die sieben Monatlang ohne alle Organisation blieb, nothwendig schuf, es waren auch solche, die das neue Ministerium, theils weil es aus Mitgliedern des vorigen bestand, theils weil es lezteres überhaupt schonen wollte, unnöthiger Weise auf sich nahm.

Die Sanktionsfrage, gleich in der Natur und Absicht der Maiconcessionen gelegen, nur absichtlich verschwiegen, die magere,,Staatsschrift“ über Ungarn, auch ein Stück diplomatischen Machwerkes aus der Vorzeit, die Politik in Italien und gegen Deutschland waren insgesammt wunde Stellen von dieser Art, und Latour starb den Märtyrertod weniger durch eigene, als durch die Mißgriffe jener, die die bewaffnete Macht dort festhielten, wo sie ganz entbehrlich war, während sie anderwärts den Feind der Monarchie schon vernichtet haben, und Wien bei Besinnung erhalten konnte.

Als es durch rein parlamentarische Kunstgriffe nicht gelingen wollte, die Majorität zu sprengen, und das Ministerium zu stürzen, um durch ein neues die Linke zur Gewalt kommen zu lassen, bearbeitete man außer der Kammer das Volk, Garden und Studenten, um Conflikte hervorzurufen, und beim ersten besten Ausbruch eines solchen den Reichstag zu zwingen, unter dem Einflusse einer gereizten Menge die Executivgewalt zu ergreifen, und entweder mit sich selbst oder mit dem Ministerium in Widerspruch zu gerathen. Der erste Versuch am 23. August mißlang gänzlich, der zweite am 13. September theilweise.

Zwei Ereignisse forderten die Umsturzpartei zur verdoppelten Thätigkeit auf. Im Innern der Stadt Wien fing die Masse der loyalgesinnten Bürger an fich zu consolidiren, und von Außen sezte sich der Ban an der Spiße einer Kernarmee der kampfgeübten Kroaten gegen die rebellischen Magyaren in Marsch. Nun schrie man über ein,,reaktionäres Schwarzgelbthum" im Innern, und über das Bedrohen der Freiheit von Außen; man errichtete ein Central-Comité „für

die mit der Studenten-Legion sympathisirenden Garden", man warb Bauern für einen großartigen Fackelzug dem Bauernbefreier Kudlich, und lud die exaltirten Führer der Magyaren ein, um den Reichstag durch feurige Reden zu stürmen, und ihn entweder zum Sturze des Bans und des Ministeriums zu nöthigen, oder eine Revolution in Wien zum Ausbruche zu bringen. Doch scheiterte auch dieses Mittel an einer zwar zufällig nationalen, im Grunde aber nur im strengsten Rechte beruhenden Opposition, für welche sich eine unerwartet starke Majorität ergab. Jegt galt es der Umsturzpartei, das Aeußerste zu wagen. Pulszky und Konsorten arbeiteten aus allen Kräften auf ihr Ziel los, und wie weit sie es am 6. Oktober brachten, mit welchen Mitteln und durch wessen Hände weiß nun die Welt. (De. C.)

So weit hat sich der geniale Abgeordnete Brauner ausgesprochen.

Der konstituirende Reichstag als oberste Staatsgewalt, ein Konterfei der Pariser-Deputirten-Kammer vor dem Beginne der Pariser Februar-Revolution, basirte sich auf eine, von der thatkräftigen Minorität terrorisirte Majorität, verschwendete seine Zeit mit dem Punkte ob dem i, statt die Constitutions-Urkunde zu verfassen, zu welcher er einberufen wurde, statt mindestens ein prov. Preßgesetz festzustellen, um der Zügellosigkeit der Journalistik einen Damm zu seßen, statt das Organisirungsgesetz für die Nationalgarde zu berathen, und legtere dadurch als Schuß und Schirm des konstitutionellen Lebens zu erstarken.

So trug der Reichstag selbst bei, die schwierigen Verhältnisse noch schwieriger zu machen, viele Deputirte vergeudeten die kostbare Zeit mit leerem Phrasengeschwäße, mit unaufhörlichen Interpellationen das Ministerium neckend, ermüdend und herabseßend, durch Verwerfung der Entschädigung bei Ablösung der Urbarialrechte das Eigenthum und die ganze sociale Ordnung in Frage stellend, und nach dem Beifalle einer Faktion und Befriedigung ihres Ehrgeizes haschend, statt auf praktischem Wege das Wohl des Staates zu fördern. Dieser Reichstag war als oberste Staatsgewalt der Lenker der Ereignisse, und einzelne Mitglieder sogar Lenker der Oktober-Revolution, ehe selbe ausgebrochen, während die von diesem beherrschten Regierungsorgane, mit den Mitteln mäkelten, mit welchen der frechen, demoralisirten und demoralisirenden Presse, durch eine tüchtige, und dem Volke durch Billigkeit zugängliche Journalistik entgegen gewirkt werden konnte, mit den Mitteln mäckelten, mit welchen den mit magyarischen und anderem Gelde unterstüßten demokratischen Vereinen, der eben so mächtige, gemäßigte dynastisch-konstitutionelle Verein entgegen geseßt werden konnte. Kurz die auf diese Weise beherrschten Regierungsorgane gruben den wohlberechneten Minen der Umsturzpartei durchaus keine Gegenminen, und stellten der raftlosen Thätigkeit dieser Partei nichts entgegen, als das gegebene Wort des Kaisers: von seinen ertheilten Zugeständnissen und Zusicherungen nichts zu schmälern. Die in

Ungarn rebellirenden Magyaren maßten sich die Suprematie über die weit zahlreicheren übrigen Völkerschaften des Königreichs an, sagten sich faktisch vom österreichischen Staatenverbande los, geberdeten sich als ein unabhängiger, selbststän= diger Staat, schickten ohne Erlaubniß des rechtmäßigen Königs Gesandtschaften in fremde Straten, emittirten Massen Papiergeldes u. v. A., endlich ermordeten sie den vom Könige abgesendeten Kommissär und Pacifikator Lamberg auf eine barbarische Art.

Zu dem Allen kamen auch die Kriegs-Ereignisse in Ungarn. Die Ereig nisse in Ungarn, besonders aber die Ermordung des Grafen Lamberg in Pesth waren Vorboten jener in Wien.

Ein in Pesth lebender Deutscher erzählt die Vorgänge am 28. September in der ungarischen Hauptstadt folgendermassen :

Der Beschluß des Repräsentantenhauses vom 27. September Nachts, den föniglichen Commissär Grafen Lamberg als ungeseßlich und ungültig anzusehen, und jeden als Hochverräther zu hängen, der den Befehlen des Kaisers nachkomme, war am 28. Früh an allen Ecken Pesth's in magyarischer Sprache zu lesen. Nur in magyarischer Sprache, ungeachtet in Pesth-Ofen 70,000 Deutsche (?) leben, die aber von den Magyaren als gar nicht existirend betrachtet zu werden scheinen.

Eine Aufregung, größer als in den Märztagen, gab sich in Folge dessen kund. Niemand arbeitete; die Strassen wogten von Menschen. Die Magyaren sagten am Morgen, der königliche Commissär müsse gehängt werden, sobald er eintreffe. Sie bearbeiteten die ganze Volksmasse, belegten den König mit den empörendsten Schimpfnamen, und forderten jeden auf, ferner nicht mehr dessen Befehlen nachzukommen. Sie brauchten keinen König, und wenn sie einen haben wollten, würden sie Kossuth dazu erwählen. So riefen die Verräther! —

Ungeachtet dieser Zusammenrottungen, ungeachtet der bewaffneten Haufen, welche durch die Stadt zogen, wurden von Seite der magyarischen Behörden gar keine Vorkehrungen getroffen, die Ruhe aufrecht zu erhalten, und die als Gesandter völkerrechtlich heilige Person des Grafen Lamberg vor Beleidigung zu schüßen, den man jeden Augenblick erwartete.

Dazu kam das Gerücht, eine Estaffete habe die Nachricht gebracht, die Schlacht bei Stuhlweissenburg daure seit 3 Uhr Morgens, um 7 Uhr sey schon der linke Flügel des Bans gänzlich vernichtet worden. Das goß Del ins Feuer; der Uebermuth kannte keine Grenzen mehr. Um 1 Uhr wollte ich auf den Blocksberg gehen, da behauptet wurde, man höre von dort den Donner der Kanonen. Als ich an die Wache der Donaubrücke kam, stürzten athemlos ein Paar Magyaren herbei und verlangten einen Tambour zum Allarmschlagen. Lamberg sey in Ofen, sagten fie, man müsse ihn fangen und aufknüpfen. Ez

hieß, er sei im Generalkommandogebäude beim FML. Hrabowsky. Die wüthende Menge stürzte dorthin. Ein Wachposten der Nationalgarde sagte aus, vor einer halben Stunde sey der königliche Commissär angefahren und sey bei Hrabowsky abgestiegen.

Jezt begann eine Szene furchtbarer Art. Mit wildem Gelüste stürzte die Menge in das Gebäude. Alle Thüren wurden erbrochen - besonders zeichnete fich ein Sappeur der akademischen Legion aus, dessen gewichtige Art jedesmal auf den dritten oder vierten Hieb die festesten Thüren sprengte. Alle Räume wurden durchsucht, Fenster, Kisten, Kasten zertrümmert. Die kranke Beschließersfrau, mit einem sechswöchentlichen Kinde auf dem Arme, bat ihre Wohnung zu verschonen. Wüthend drangen Magyaren auf sie ein die Mitglieder der Legion stellten sich als Schußwehr vor sie hin, und zwei derselben durchsuchten die Wohnung.

Im ersten Stockwerke trat Hrabowsky besonnen der Menge entgegen, und sprach vermittelnde Worte. Ein Wiener Legionär rief ihm zu: „Halt's Maul, Schwarzgelber, wir kennen Dich!" Hierauf wurde er erfaßt, eingesperrt und Wache vor die Thüre des Zimmers aufgestellt.

Man fand den Grafen & amberg nicht, er hatte sich durch einen rückwär tigen Ausgang geflüchtet, und eilte nach Pesth, um sich unter den Schuß des Repräsentantenhauses zu stellen.

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Ich kann nicht unerwähnt lassen, daß ein Anführer der Legion, die sich auf dem Zeughausplaße bei den Kanonen versammelte, ihr bedeutete : „Die Legion sey keine Polizei — sie sollten nur die Kanonen bewachen!" Während sich dieß auf der Festung zutrug, wurde in beiden Städten Allarm geschlagen, alle Gewölbe wurden gesperrt, die Nationalgarde rückte aus, und die Man war Strassen wogten vom Volke, den Freiwilligen und den Bauern. der Meinung, die Festung sey von Lamberg abgesperrt, man wolle Pesth von Ofen aus bombardiren, der Ban sey vor den Schanzen und die Raizen in Ofen erschlügen die Schanzarbeiter. Kein Wort war Wahres daran.

Der unglückliche Graf Lamberg, der im Vertrauen auf die Unverleglichkeit eines königl. Commissärs ohne Begleitung und Bedeckung nach Ofen gekommen war, hatte mittlerweile einen Fiaker aufgefunden, und fuhr über die Schiffbrücke nach Pesth, den sichern Schuß des Gesetzes zu erreichen.

Auf der Mitte der Brücke stand ein Haufe Nationalgarden und Sensenmänner, vermischt mit teuflisch wildem Volke. Ein Paar Wiener Legionäre waren an der Spiße. Diese hielten den Fiafer auf und erkannten den Grafen Lamberg. Einer tratt vor mit der Frage: „Wer sind Sie?“ „Der königliche Commissär Graf Lamberg," war die feste Antwort. „Dann fahre zur Hölle!" schrie der Akademiker und spaltete ihm den Kopf.

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