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haben bereits dahin geführt, daß Bürger den Bürgern bewaffnet gegenüber standen.

Der Mangel geseglicher Verfügung kettet den Einzelnen an teine Dienstpflicht und hat zur Folge, daß gerade da, wo die Garde als solche ihre Pflicht üben sollte, dieselbe in vielen Fällen sich gar nicht zeigt.

Die Nationalgarde Wiens, welche im Mai und Juni d. J. bei 40,000 Köpfen zählte, ist nun auf einen Stand von 18,000 Dienstleistenden zurückgeführt. Disciplin ist nur Sache des guten Willens, kurz die Nationalgarde Wiens liefe Gefahr, ihrer Auflösung entgegen zu gehen, wenn nicht sogleich dem Uebel ein Damm gesezt würde.

Man wagt es nicht den hohen Reichstag mit Aufzählung einzelner Fälle, welche die Belege für das Gesagte bilden, zu ermüden, indem selbst der hohen Versammlung die Dringlichkeit des Geseßes bekannt seyn dürfte.

Jeder Tag Aufschub in dieser Sache bringt das Institut der Garde näher seinem Falle, und es wäre ein bedauernswerthes Unmündigkeits-Zeugniß für Desterreichs Völker; wenn das Institut der Nationalgarde, dieser Wächter der Freiheit und geseglichen Ordnung, nach einem halbjährigen Leben absterben sollte. Diesem kann nur durch schleunige Erlassung eines Geseges gesteuert werden. Schon ist der Entwurf eines solchen Organisirungs-Geseßes vollendet, und der gefertigte Verwaltungsrath, als das administrative Organ der gesammten Nationalgarde Wiens, stellt das dringende Ansuchen:

Der hohe Reichstag wolle den Entwurf des Organifirungs-Gefeßes für die Nationalgarde sogleich in Berathung nehmen, oder, wenn dieß die Geschäftsbehandlung nicht gestattet, das hohe Ministerium ermächtigen, das erwähnte Geseß als ein provisorisches kund zu machen.

Im Namen des Verwaltungsrathes der
Wiener Nationalgarde.
Klucky, Präsident.

Diese Petition hatte, leider! keine Folgen gehabt. Die immer mehr und mehr hervortretenden Anfeindungen gegen die Schwarzgelben trugen ebenfalls bei, Spaltungen in der Nationalgarde und unter der Gesammt-Bevölkerung herbeizuführen. Die Schwarzgelben *) waren die kaiserlich Treugesinnten, die die Integrität der österreichischen Monarchie gewahrt wissen wollten, somit die öfterreichisch - dynastisch-lonstitutionell Gesinnten, als Gegensag zu derjenigen Partet, die den österreichischen Staat zertrümmert, die dem deutschen Bunde angehörenden Provinzen zu einem einigen Deutschland geschlagen, solches dann Italien, Ungarn und Polen als Republiken unabhängig haben wollten. Diese

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*) Unter den Schwarzgelben wurden auch jene verstanden, die so unglaublich es auch erscheint - den alter Despotismus zurückwünschten.

waren die Umsturzpartei, und vergaßen die der Dynastie getreue slawische Bes völkerung von 20 Millionen Seelen, die treubewährten Schaaren der Kroaten, Slawonier, Slowenen, Rufinen, Czechen, Mährer, Slowaken, Serben, Krainer und Morlachen, und die aus denselben hervorgegangenen Heerführer, Offiziere und Staatsmänner, die den Kern des österreichischen Heeres und Kathes bilden.

Nach diesem ist dem Leser ein getreues Bild der Begebenheiten in gedrängter Kürze vorausgeschickt worden, welche auf die Katastrophe, die zu beschreiben unsere Aufgabe ist, so wie auf den Geist und die Haltung der Wiener Nationalgarde Einfluß genommen haben. Es dürfte daher die Angabe Begründung finden, daß e8 am 5. Oktober 1848 Abends, als dem Vorabend des erreignißvollen Tages, weder eine Legion, weder eine Nationalgarde, noch ein Bürger-Korps gab, sondern nur eine in sich zerfallene und sich gegenseitig mißtrauende bewaffnete Volksmasse in Compagnien und Bezirke eingetheilt, bestanden hat, die ohne Gesetz, ohne politische Grundsäße, und ohne Disciplin, die aus den Fugen gegangene Staatsmaschine auf ihren Schultern zu tragen berufen war. Um aber auch einen Blick auf die oberste Staatsautorität und die Regierungs-Organe werfen zu können, scheint es uns nicht minder nöthig auch in dieser Beziehung Einiges zu erwähnen.

Vor Allem erscheint es als wünschenswerth, über die Stellung der Deputirten im Reichstage, Dr. Brauner's ausgezeichnete Darstellung anzuführen. Dieser geniale Reichstags-Abgeordnete sagt: „Die alte Regierung Desterreichs brachte durch ihre unheilvolle Starrigkeit im Prinzipe und tödtende Consequenz in der Wahl ihrer Mittel bei den Völkern dieses Staates einen solchen Grad von Theilnahmslosigkeit an den gemeinsamen Staatsinteressen und eine Entfremdung unter den verschiedenen Nationen hervor, daß es ihnen unmöglich wurde, schnell genug den wahren Bereinigungspunkt für ihre Intereffen zu finden, als im Monate März 1848 das morsche Regierungssystem unter dem gewaltigen Andrange der Weltereignisse von Außen, und fast einem instinktartigen Zuthun der Völker von Innen, plößlich zusammenstürzte, und mit der allgemeinen westeuropäischen zugleich eine neue Aera für Desterreich hereinbrach.

Jede Nation, jedes Land sprach mehr oder weniger bestimmt seine langgehegten Wünsche aus, jedes trachtete das möglichst größte Maß günstiger Concessionen für sich zu erringen, und während das gewaltige Desterreich von Süden her mit dem Verluste eines seiner größten und schönsten Länder bedroht ward, schien eine verhängnißvolle Excentricität dasselbe auch nach Osten und Westen hin auseinander reißen zu wollen. Kossuths schlaue und perfide Politik benügte den gleichzeitig von Prag und Wien auf die lockere Centralgewalt anstürmenden Drang, um Ungarn von Oesterreich loszureissen, und die deutschen Stammlande sprachen ihre Hinneigung zu einem vielversprechenden, neuen, einigen Deutschland entschieden und unverhohlen aus. Nur die von Slawen bewohnten Länder, insbes

fondere das Königreich Böhmen, erkannten niemals mehr die Nothwendigkeit des Fortbestandes eines einigen Desterreichs, als in dem Momente, wo es an der Schwelle einer besseren Zukunft das Prinzip der vollen Gleichberechtigung der Nationen als obersten Grundsaß für die neue Verfassung aussprach; Böhmen sah in dem möglichen Verluste Italiens eine empfindliche Schmälerung der materiellen Kräfte Oesterreichs für die Gegenwart, in den Concessionen für Ungarn aber, und in dem neuen Deutschland, die politische Vernichtung des Gesammtstaates und das Grab seiner eigenen Zukunft. Während in Ungarn und den deutschen Provinzen nur noch ein dynastisch-österreichischer Patriotismus möglich war, erwachte zuerst bei den Böhmen ein vorwiegend politischer, und hier war es, wo die Abneigung gegen eine politische Einigung des österreichischen Staatsgebietes mit einem neuen Deutschland, und die Uiberzeugung von der Unzulässigkeit und Unhaltbarkeit der von Kossuth erstürmten Concessionen für eine herrschende Race in Ungarn, national und politisch gleich kräftig hervortrat. In Böhmen erkannte man zuerst einen auf voller Gleichberechtigung aller Nationen beruhenden Föderativstaat als das einzig mögliche konstitutionelle Desterreich. Man sprach dies schon damals offen aus, als noch diese Ansicht außerhalb der Grenzen Böhmens für eine politische Irrlehre galt, und die österreichischen Farben sowohl auf ungarischem als auf deutsch-österreichischen Boden verläugnet und verhöhnt wurden.

Der auf der Natur der Sache und richtiger Auffassung der nationalen und politischen Verhältnisse Oesterreichs, beruhende Standpunkt der Politik der Böhmen wurde vielseitig bekämpft und um so heftiger angegriffen, je praktischer sich derselbe herausstellte, und jemehr er eben hierdurch für die Verwirklichung minder praktischer Separations- und Associationsplane hinderlich, und für wirkliche Loßreißungs- und Herrschergelüfte gefährlich wurde. Von Ungarn aus, wo die böhmischen Föderations-Ideen bei den Nord- und Südslawen, selbst bei den Rumenen und Deutschen theils Aufnahme fanden, theils selbst erwachten, ging die heftigste Oposition dagegen, die magyarische aus, und diese fand in dem bisher nicht gekannten, desto mehr aber gefürchteten Slawenthum das rechte Mittel der Verdächtigung aller Bestrebungen der Böhmen. Die Koriphäen der magyarischen Usurpation, meist selbst magyarisirte Slawen oder lezteren doch nahestehend, waren zu viel vertraut mit dem österreichischen Slawenthume, um an eine politische Einigung und Oberherrschaft desselben ernstlich denken zu können; sie erkannten aber schon in seiner Gleichberechtigung jene gewaltige Klippe, an welcher ihre Plane nothwendig scheitern mußten. Die Deutschen hingegen, die eine viel schwie rigere, in der ursprünglichen Auffassung für jest kaum erreichbare politische Aufgabe vor Augen hatten, und dem Slawenthum entfremdet, bei den Gedanken an dessen politische Geltung gleich vor Rußland zu erschrecken gewohnt waren, wähnten sich durch dieses Schreckbild_sogar in ihrer eigenen Freiheit, in ihrem ver

meinten guten Rechte bedroht. Der böhmischen, so wie überhaupt aller österreichischen Slawen Sympathien für die Integrität und volle Unabhängigkeit eines fonstitutionellen Desterreichs wurden daher als Verrath an der Sache Deutschlands, als panslawistische Herrschergelüste, als Frevel an der Freiheit verschrien.

Eine theils politisch unmündige, theils im Solde Kossuths stehende, und deshalb weder Schranken achtende, noch irgend welche Mittel scheuende Presse schürte unablässig dieses Feuer, und verheßte Böhmens deutsche Bevölkerung mit der slawischen bis nahe zu einem offenbaren feindseligen Bruche.

Durch Mißbrauch des Vertrauens unserer aus Gewohnheit und Unkenntniß dem Slawenthume noch immer abholden Landesautoritäten, und durch Verhegung unserer patriotisch entflammten Jugend, wurde mit teuflischer Bosheit ein Conflickt zwischen dem Militär und den Prager Studenten angezettelt, welcher auf nichts weiter, als auf die Sprengung des in Prag eben abgehaltenen Slawentages, und nebenbei auf die Verhinderung des als vorwiegend slawisch gefürchteten böhmischen Landtages berechnet war. Die Folgen dieses Zusammenstosses wurden bei der grellsten Entstellung der Wahrheit auch noch dazu ausgebeutet, um den Namen der Böhmen auch da verhaßt zu machen, wo ihnen selbst nicht ein scheinbarer Conflict von politischen oder nationalen Interessen entgegen trat. Ganz Desterreich, ganz Deutschland gegenüber erschien nun der Czeche als ein bloß durch Polizei und Militärgewalt gebändigter Verschwörer und Mörder seines deutschen Mitbürgers, als ein Heuchler für die Sache der Humanität und Freiheit, als ein Verbündeter oder Söldling eines ländersüchtigen fremden Despotismus. War der Plan dieser historisch-denkwürdigen Intrigue schlau genug angelegt, um selbst Männer desselben Volkes im Glauben an ihre stets treuen Meinungsgenossen wankend zu machen, um fast alle Landesautoritäten einzunehmen, und zu bethören, was Wunder, wenn dasselbe Vorurtheil bei allen von vornherein politisch andersdenkenden Parteien, und bei den Nachbarvölkern die Kraft der lliberzeugung erlangte? Während einer, weit über die gedachte Zeit und Nothwendigkeit hinausreichenden Militärherrschaft, an welche die trägen oder reaktionären Elemente aller Klassen und Stände alle ihre Hoffnungen knüpften, in einem Zustande des allgemeinen Mißtrauens, und eines aus der allgemeinen Verwirrung frisch empor strebenden Beamten-Terrorismus, wählte das böhmische Volk seine Vertreter in den österreichischen Reichstag, und es wählte, wenn auch nicht durchgehends glücklich, doch vorwiegend gut: meist Männer jener Gesinnung, welche eben damals die angefcindete, gehaßte und verdächtige war. Beinahe die Leßten traten die Vertreter Böhmens in den Reichstag ein. Ein günstiges Vorurtheil ging ihnen gewiß nicht voraus, und hinter sich hatten sie eine kriegsrechtliche Untersuchung über die kaum beschwichtigten Juni-Ereignisse, welche mit einer bedenklich ernsten Miene und geheimnißvollen Thätigkeit die gefährlichen

Plane einer weitverzweigten Verschwörung" verfolgte, über deren wirklichen Bestand, nach den Versicherungen der obersten Landesbehörden, kein Zweifel möglich war. Schon im Vorhinein standen die Vertreter aller deutschen Länder Desterreichs als compakte Masse den Böhmen gegenüber, und die aus deutschböhmischen Bezirken als Führer oder Koriphäen der „Linken" waren in den durch die Schwäche und Gesinnungslosigkeit des frühern Ministeriums gelockerten Staatsverband Kraft und Einheit zu bringen, wenigstens redlich bemüht. Dieser Majorität der Kammer, vereint mit dem kräftiger auftretenden, neuen Ministe rium gegenüber, bildete sich die Opposition der „Linken“ aus einer Partei, hinter welcher die beiden slawenfeindlichen Elemente, die jeßt nun ultradeutschen und die magyarischen Centralisten standen. Die leßteren waren jedoch von nun an die Tonangeber, und entwickelten zur Erreichung ihrer Zwecke eine Thätigkeit und einen materiellen Kraftaufwand, wie sie die nahe bevorstehende Alternative, Alles zu gewinnen, oder Alles zu verlieren, nur irgend erheischen konnte. Wer stark genug war, sich durch die Phrasen dieser herrschsüchtigen, unduldsamen, durch stets geschmeichelte Eitelkeit keck gewordenen, durch und durch aristokratischen Partei in seiner Uiberzeugung nicht irre machen zu lassen, der konnte darüber nie im Zweifel bleiben, daß ihr Freiheit und Demokratie nur der Schild war, unter welchem sie gegen die Nationalität und Freiheit von mehr als 2/3 Theilen der Bewohner der ungarischen Länder, und zugleich gegen den Fortbestand Oesterreichs zu Felde zog, um in Ungarn fortan allein zu herrschen und Oesterreich zu zwingen, bei dem Verluste oder einem sehr lockeren und prekären Ansichhalten der italienischen und polnischen Provinzen, mit dem liberreste im neuen Deutschland aufzugehen. Daher die neuen magyarischen Sympathien für das Polenthum, und das mit dem früheren Benehmen gegen die Deutschen in Ungarn im schroffsten Gegensage stehende Anerbieten zu einem Bündnisse mit Deutschland.

Die nüchterne Majorität im Reichstage, und das von dieser Majorität gehaltene Ministerium, waren gewaltige Hindernisse gegen diese Plane, und sollten nun um jeden Preis gesprengt werden.

In der Kammer wurde dahin gearbeitet, die Majorität auf jede mögliche Weise als unpopulär, ja als reaktionär hinzustellen und für die,,Linke" den Schein der Freifinnigkeit und Volksthümlichkeit zu retten. Kudlichs naiver Antrag, der mit zwei Zeilen die Befreiung des Bauernstandes von der Unterthänigkeit und die Entlastung und Gleichstellung des Grundbesizes hervorzaubern wollte; Borrosch's perfides Manöver, die Entschädigung, als sie im Princip durchgesezt wurde, zur Genüge dem Staate aufzubürden; Brestl's, Pillersdorf's u. A. Anträge, den Wiener Freiheitshelden 2 Millionen Gulden aus dem Staatsschaße zu schenken, während doch derselbe mit der nothdürftigsten Bestreitung der dringendsten öffentlichen Bedürfnisse auflag; — Bioland's

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