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hörte aus vielen Kehlen das Geschrei: „Das Militär soll ungehindert sammt den Waffen abziehen, denn sie halten sich gut; aber die Hunde, die Stadtgarden, müssen alle niedergemacht werden."

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Da diesem zu Folge das Feuern des groben Geschüßes von der Bastei aus nicht zum Schweigen gebracht werden konnte, wurde es von Seite des Militärs, so wie auch von den Stadttheilen aus, neuerdings begonnen, und dem Kampfe fonnte durchaus kein Ende gemacht werden.

Es war klar vor Augen gestellt, daß auch hier ungarisches Geld im Spiele war und gewesen seyn muß, und darauf angetragen war, das Volk auf illegalem Wege angeblich zu bewaffnen, in Wahrheit aber das Zeughaus zu entleeren, die Abundanz desselben der k. Armee zu entziehen, damit die Waffen unbedingt aus dem Zeughause ohne aller Controlle und in möglichst kürzester Zeit herauskommen, um auf diese Weise die Möglichkeit zu erreichen, solche den Magyaren zuzuführen, was sich in der Folge auch bewährte.

um halb 11 Uhr Nachts kam, wie bereits erwähnt, eine Reichstags-Depe sche an Grafen Auersperg adressirt, zum Ober-Commando. Ober-Commandant Scherzer beauftragte den Plazoffizier Dunder, den Commandirenden aufzusuchen, ihm die Depesche eigenhändig zu übergeben, und die Antwort mündlich zu überbringen. Dieser schwierigen Mission schloß sich der Playoffizier Fischer freiwillig an.

Niemand wußte, wo sich zu der Zeit der Graf befand. Das General-Commando war geschlossen; es hieß Auersperg sey in der Alserkaserne, und so begab sich Dunder mit seinem Begleiter aus der Stadt durch das bereits verbarrikadirte Schottenthor, wovon das kleine nicht ohne Schwierigeeit von den Garden geöffnet wurde, über das gänzlich menschenleere Glacis zu der Alserkaserne. Hier waren bis an das Glacis Vorposten ausgestellt, welche die beiden Offiziere sogleich anhielten. Als sich solche als Reichstags-Ordonnanzen zu erkennen gaben, wurden sie zu dem inspicirenden Hauptmanne geführt, welcher vom Grafen keine Kenntniß zu haben vorgab. Er geleitete solche zu der vor dem Kriminalgebäude aufgestellten Cavallerie-Escadron, und als der Rittmeister derselben ebenfalls nicht anzugeben wußte, wo sich der Commandirende befinde, war der Hauptmann auf das an ihn gestellte Ersuchen bereit, ihn aufsuchen zu wollen. Derselbe bestieg ein Pferd und ritt davon. Bis zu seiner Rückkehr, welche erst in 1. Stunden erfolgte, blieben beide Plazoffiziere bei der Escadron, und es gesellte sich zu ihnen ein Garde der 2. Cavallerie-Division. Nach einer Stunde ritt die Cavallerie in die Vorstadt zurück. Ein Mann kam zu den zurückgebliebenen Plaßoffizieren, und zeigte ihnen zwei vor dem Kriminalgebäude erschlagene, entblößt im Grase liegende Garden. Um Mitternacht begann das Zeughaus zu brennen, und auf allen Thürmen wurde Sturm geläutet. Auf dem Stephansthurm

brannte ein Licht gegen die Universität.

Raketen stiegen von der Universität empor, und wurden vom Stephansthurm erwiedert. Es schien ein Siegeszeichen wahrscheinlich den Magyaren

daß das Zeughaus falle.

Die Sturmglocken der Stadt, das furchtbare Schauspiel der Feuerlohe, das anhaltende Gewehrfeuer, und der Donner des schweren Geschüßes in und vor dem Zeughause, wiederhallend an den Mauern des Criminalgebäudes, war einer der ergreifendsten Momente der October-Ereignisse.

Endlich kam der Hauptmann mit der Nachricht zurück, Se. Excellenz befände sich im Schwarzenberg'schen Palais am Rennweg und erwarte die Reichstags-Ordonanz.

Dieselbe begab sich in dem Wagen des im rothen Hause wohnenden gefälligen N. G. Cavalleristen, welcher selbst kutschirte, über das Glacis dahin. Am Gitter des Schwarzenberg'schen Palais, im Hofe und Gebäude waren Massen Militárs und Kanonen aufgestelt. Die Soldaten sahen die OrdonanzOffiziere, besonders den Legionär in seinem Calabreser, mit grimmigen Blicken an; der Graf wurde verläugnet. Als sich aber der Plazffizier Dunder an einen Stabs-Offizier wendete und ihm bedeutete, daß er bei Sr. Excellenz als Reichstags-Ordonanz bereits angemeldet sey, wurde er über die linke Wendeltreppe in die oberste Etage geführt. Hier empfing ihn der Graf um 1 Uhr in Mitte mehrerer Generale und Stabsoffiziere, und las die Depesche laut vor. Solche betraf das Zeughaus und die darin befindliche Militär Mannschaft. Dem Grafen war es noch unbekannt, daß das Zeughaus ange, zündet worden sey. Der Plazoffizier Dunder eröffnete ihm, daß das Zeughaus bereits seit einer Stunde brenne, daß es von der Bastei mit Kanonen beschossen werde, und wenn die Munitionskammer ergriffen werde, das ganze Gebäude in die Luft fliegen müsse. Das wäre gut - und ein Theil der undankbaren Stadt ebenfalls," sagte ein General darauf. Die Generale frugen über die Gesinnungen der Garde, worauf Dunder nicht unterlassen konnte freimüthig zu erwiedern, daß die Ueberzahl der Natio nalgarde, mit Ausnahme des größten Theils der Legion, dann einer Anzahl Compagnien der südlichen Bezirke, gutgesinnt sey, die blutigen Vorgänge am Tabor mißbillige, die Schandtihat am Hof verabscheue; daß die Bezirke der Stadt, der Leopoldstadt, Landstraße, Alservorstadt und Roßau, seiner Ueberzeugung nach, die loyalsten seyen; daß auch der Ober-Commandant am Leben bedroht war, und daß die Disciplin unter der Nationalgarde eine erbärmliche sey. Auf die Frage des Plazoffiziers Dunder, welche Antwort er zu überbringen habe, erwiederte der Graf:

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Hierauf ist keine Antwort, außer was ich bereits erwiedert habe; und so nahm die Reichstags-Ordonanz ihren Rückweg.

Aus dem Studenten-Ausschusse :*)

Der Studenten-Ausschuß, in den Tagen unserer ersten Revolution, wie es die damalige Sachlage mit sich brachte, der Central- und Ausgangspunkt der politischen Bewegung und Lenkung, handelte dießmal bei einer geregelten Organisation des politischen Zustandes, nicht für sich allein und maßgebend, sondern in llebereinstimmung und Zusammenhang mit dem Central-Comitee. Von diesem wurde ein Petitions-Entwurf, den man dem Reichstage vorlegen wollte, in das Studenten-Comitee zur Mitberathung und Bestätigung gebracht. Schon der Ausdruck,,Petition" wurde anstößig gefunden. Es befanden sich im Comitee leider viele eingedrungene, fremartige Elemente, von rohester Parteifarbe. Petition lautete wörtlich wie folgt:

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Die

Blutige Ereignisse haben stattgefunden; die reaktionäre Politik des gegen. wärtigen Ministeriums hat den traurigsten Bürgerkrieg in den Straßen Wiens, und feindselige Spaltungen in der österreichischen Armee, deren brüderliches Streben vielleicht auf lange erschüttert ist, veranlaßt. Die unerbittliche Nothwendigkeit, Ordnung und Ruhe in diesem verhänginißvollen Augenblicke auf unerschütterliche Basis zu stellen, machen es den Unterzeichneten zur Pflicht, die bestimmten Wünsche des Volkes der dringendsten Erwägung des hohen Reichstags zu unterbreiten.

1) Der hohe Reichstag wolle bei Sr. Majestät sich um die schleunigste und unwiederrufliche Zurücknahme der absolutistischen Manifeste vom 5. October d. J. und um nochmalige ausdrückliche Anerkennung der Souveränität des gegenwärtigen konstituirenden ungarischen Reichstages, so wie um die sogleiche Herstellung des Friedens in Ungarn und Kroatien auf Grundlage der Gleichberechtigung aller Nationalitäten, und der Rehabilitation aller konstitutionellen Rechte verwenden.

2) Se. Majestät veranl assen, alle unverantwortlichen Kabinets- und Fami lienräthe der Krone sofort und für immer zu entfernen.

3) Se. Majestät um den sogleichen Zurücktritt des gegenwärtigen GesammtMinisteriums bitten, um ein Ministerium Löhner, Borrosch, als mit dem vollen Vertrauen des Volkes beehrt darstellen.

4) Kraft seiner Souveränität alle dem Vaterlande nach innen und außen drohenden Gefahren baldigst beseitigen und sogleich ein Minister-Verantwort lichkeits-Gesetz erlassen.

5) Vom Kriegsministerium fordern, dasselbe solle nur volksfreundliche Garnisonen innerhalb des Weichbildes von Wien belassen, und alle anderen sogleich darans entfernen.

*) Vergl. Abendbeilage z. W. 3. Nr. 178. p. 706.

6) Sogleich die unbedingte Unterstehung des Militärs unter die Civil-Gewalten und Civil-Gerichte, ausgenommen im Falle des auswärtigen Krieges, aussprechen, und demselben alle constitutionellen Staatsbürger-Rechte garantiren.

7) Bom Kriegsminister verlangen, daß über die Vorfälle des heutigen Ta ges dem wegen seiner volksfreundlichen Gesinnungen und Thaten daran betheilig ten Militär volle Amnestie ertheilt werde.

8) Se. Majestät bitten, daß er die Kriegsgeseße und andere terroristische Maßnahmen in den italienischen Provinzen zurücknehme, und den Feldmarschall Radesky den Befehlen des verantwortlichen österreichischen Ministeriums unterstelle.

9) Die Erklärung des Standrechtes und Belagerungszustandes in Wien verhindern, weil dieses zu den traurigsten Repressalien von Seiten des Volkes führen müßte.

Zugleich danken die Unterzeichneten dem hohen Reichstage für die bereits getroffenen, zweckmäßigen und volksfreundlichen Verfügungen, welche theilweise die oben ausgesprochenen Wünsche des Volkes bereits erfüllt haben.

Im Namen des Studentenausschusses:

Moriz Habrofsky, Vorsizer.

Ernst Sedlacz ek, prov. Schriftführer.
Aug. Silberstein, Schriftführer.

Im Namen des Central-Ausschusses der Wiener demokratischen Vereine:
Dr. Karl Taufenau, Schriftführer."
(Obige Eingabe ist dem Sicherheits-Ausschusse des hohen Reichstages am 6.
October Abends übergeben worden.)

Die von einer Commission verfaßte Petition wurde durch Dr. Heller und Kolm dem Reichstage überschickt,

Man sieht aus diesen leßteren Punkten die furchtbare Aufregung und radikale Stimmung der Stadt, wie sie sich im Central-Comite: abspiegelte, und deren Ausdruck in dieser Formulirung dem Studenten-Comitee mitgetheilt wurde. Nunmehr sollte zur Debatte darüber geschritten werden, aber der Sturm und die Berwirrung war ungeheuer, es gelang dem Präsidenten kaum mit der maßlosesten Anstrengung eine nothdürftige parlamentarische Form zu erringen.

Inzwischen wurde die Verhandlung durch immer neue und wichtige Berichterstattungen gestört. Die bedeutendste darunter war das Referat eines Arbeiters über den Tod Latours. Mit einer langen Brechstange in der Hand, in weißer Jacke und Schürze, erzählte dieser Mann im Wiener Dialekie kurz Folgendes :

Wir befanden uns früher am Wienerberge, und zogen nach dem Bahnhofe beim Belvedere herein. Dem allgemeinen Allarmschlage folgend, rückten wir in die Vorstadt ein, und bauten vor der Linie Barrikaden.

Als wir damit fertig waren, verbreitete sich das Geschrei nach Latour; wir begaben uns in die Stadt, ihn zu suchen. Wir durchsuchten zuerst das erste Stockwerk, und als wir ihn da nicht fanden, das Erdgeschoß. Hier ergriffen wir ihn und ich durchstieß ihm mit meiner Brechstange die Kehle."

,,War das nicht recht? Die Anderen hieben mit ihren Werkzeugen nach seinem Kopfe, ich aber meinte, er sollte lieber hängen. Wir knüpften ihn daher im Hofe an einer Schnur auf, aber sie riß. Da gingen wir mit ihm in's Freie hinaus und hingen ihn an die Laterne. War das nicht recht?"- Allgemeines, tiefes Entseßen herrschte im Sigungssaale. Nur einzelne Stimmen riefen Bravo. Hiedurch empört, verfügte der Präsident die Reinigung des Saales, indem er befahl, daß jedes Sigungsmitglied seine Vollmacht vorzeigen solle, und wer das nicht könnte, als dem Comitee nicht angehörig, dasselbe zu verlassen habe. So reinigte er die Sigung von jenem rohen entseßlichen Proletariat, welches trog der starken und energischen Wachen, sich ins Comitee eingedrängt hatte.

Nun wurde die Debatte über die eben angeführte Petition eröffnet. Neue Berichte kreuzten sich indeß wieder, worunter die Hinterbringung eines großen Plakates aus Latours Papieren besonders nennenswerth. So zog sich die Verhandlung bis tief in die Nacht.

Ein Plakat, welches das Studenten-Comitee schon früher zur öffentlichen Beruhigung hatte ergehen lassen, war zwar im Sage fertig, wurde aber nicht gedruckt, da die Drucker inzwischen die Arbeit verlassen, und sich bewaffnet hatten. Es gelangte daher nicht zur Oeffentlichkeit. Abends zwischen 5-6 1hr kam die Nachricht, daß das kaiserl. Zeughaus gestürmt werde.

Aus dem Studenten-Comitee ein anderer Bericht, und zwar :

Der Bezirkschef der Nationalgarde der

kommt, um der Legion seine und die Sympathie seiner Garden anzuzeigen. Ebenso theilen die Bezirke Neubau, Wieden 2c., der Arbeiterverein, durch Deputationen ihre Anhänglichkeit an die Legion mit.

Die Arbeiter vom Semmering schicken eine Deputation an den Ausschuß, zu berichten, daß sie, 400 an der Zahl, bereits in die Stadt eingezogen, und be reit seven, für die Studenten zu leben und zu sterben.

Ein Offizier der sogenannten Staberlwache wird gefangen eingebracht, da er spät bei Nacht 12-1 Uhr von Barrikade zu Barrikade gleichsam inspizirend gesehen wurde, wird aber bald, und zwar zu seiner Sicherheit, in Begleitung von zwei Studenten entlassen, da er durchaus nicht verdächtig scheint. Der Ausschuß läßt Raketen holen, um sie von der Sternwarte aufsteigen zu lassen, als Hülferuf für die Ferne.

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Es kommt vielseitig der Bericht an, daß reitende Nationalgarden in den verschiedensten und selbst entfernteren Umgegenden Wiens getroffen wurden, wo

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