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dem Staate aufgebürdete Geldopfer beschwichtigt wurde, dauerten die Aufregungsversuche der Umsturzpartei durch die Werbung von Freiwilligen für die Magyaren, und die Verhöhnungen der rein constitutionell Gesinnten unter dem Namen der Schwarzgelben fort. Thätlichkeiten und Insulte der Kaiserlichgesinnten nahmen zu, und die Schwäche der Regierung vermochte nichts gegen die Schändung der kaiserlichen Farben zu unternehmen. Vereint mit der Nationalgarde, war am 12. September wohl die Ruhe ohne den Gebrauch der Waffen wieder hergestellt, aber mit diesem auch eine Spaltung in derselben, indem die Mitglieder dieses Vereines fast in allen Compagnien der Garde und der BürgerKörper vertheilt, Zwietracht in die Reihen säeten, und jeden Vernünftigen oder Gemäßigten als schwarzgelben Reactionär beschimpften.

Zu allen derlei Zerwürfnissen und Calamitäten gesellte sich auch die religiöse Spekulation geistlicher Abenteurer des Auslandes. Die Religion sollte der Umsturzpartei zum Mittel dienen, treubrüchige Priester, des Deutschkatholicis mus speculirende Apostel erschienen in Wien, machten verrufene Individuen zu Proselyten, untergruben das gegenseitige religiöse Verständniß in den engeren Kreisen der Familien, das Vertrauen auf das Wort der Diener der Kirche und auf den Trost der Religion.

Durch solche Einflüße schmolz die Garde immer mehr und mehr. Hiezu kam noch der anstrengende Wachdienst. Die Bezirke Leopoldstadt und Landstraße wurden am meisten angestrengt, indem der einzelne Garde jeden 9-13. Tag einen 24stündigen Wachdienst leisten mußte. In Folge dessen sah sich der Verwaltungsrath genöthigt, einen großen Theil der 62 Posten, welche täglich 1500 Mann erforderten, an das Militär abgeben zu wollen, aber der Kriegsminister hat solches zurückgewiesen. Wer sich durch Urlaub, durch Krankheitszeugnisse, durch eine Reise 2. dem Dienste entziehen konnte, that es und so schmolz die Garde von mehr als 40,000 Mann auf das Drittel herab.

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Nur von kurzer Dauer war die Ruhe, denn schon am andern Tage, den 13. September 1. J. wurde solche durch eine an der Universität durch Oskar Falke gehaltene aufwiegelnde Rede vor einer zahlreichen Versammlung von Studenten, Bürgern, Garden und Volke, neuerdings gestört, indem die Anwesenden unter Andern ernstlich aufgefordert wurden, auf die Wiedereinseßung des ehedem bestandenen Revolutions-Tribunals, d. i. des Ausschuß es der Bürger, Nationalgarde und Studenten, für Ruhe, Ordnung und Sicherheit und Wahrung der Volksrechte“ als einziges Rettungsmittel mit Entschiedenheit zu bestehen, zu welchem Behuse gedruckte Zettel, mit der Aufschrift um Wiedereinseßung dieses Ausschußes der Bevölkerung aufgedrungen wurden. Nachdem dieses gesezwidrige Verfahren von einzelnen Theilen der Bürger, Nationalgarde und akademischen Legion nicht nur unterstüßt, son

dern sogar als bewaffneter Körper durchzuführen versucht wurde, konnte dieOrdnung nur durch vereinte Mitwirkung des besser gesinnten Theiles der Nationalgarde und der Bürgerkörper mit dem Militär, ohne von den Waffen Ge= brauch machen zu müssen, wieder hergestellt werden.

An diesem Tage stellten sich die Gesinnungen und Spaltungen in den verschiedenen bewaffneten Körpern am auffallendsten und gefahrdrohendsten heraus.

Die Umsturzpartei hatte überall die Hände im Spiele, sie bearbeitete die leicht enthusiasmirten Köpfe der Studenten für ihre Absichten, sie brachte es in einer Versammlung im Odeon durch ihre Apostel auch dahin, daß sich die Nationalgarden, welche mit den Studenten sympathisirten, bei Allarmirungen am Universitäts-Plag versammeln sollten, wogegen jedoch die akad. Legion protestirte. Die Legionäre wirkten auf das Volk durch Umgang und Standreden oder durch die Straffenliteratur, welche täglich mit Lügen angefüllt war, und ehrenvoll bekannte Männer sogar durch Anschlagzettel mit Koth bewarf. Die Erbitterung und Aufregung wurde permanent, ebenso die zu den gröbsten Excessen Anlaß gebenden Kaßenmusiken, wogegen die Nationalgarde kaum mehr einschreiten mochte. Die Studenten der Umsturzpartei veranlaßten Kaßenmufiken — und andere Studenten der akademischen Legion rückten aus und bemühten sich die Kaßenmusikanten auseinander zu treiben.

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*) Die Kaßenmusiken wurden förmlich organisirt, fie arteten aus einer politischen Demonstration zu wahren Verbrechen aus. Man brachte Hausherren, welche ihren Zins forderten, Bäckern und Fleischhauern, welche sich an die Sagung hielten, bekannten Männern wegen einer Aeußerung, auf eine Beschwerde des einen oder des andern Dienstbothen oder Arbeiters, groben GeschäftsLeuten oder anderen unbeliebten Personen Kaßenmusiken, demolirte ihre Häuser und gefährdete ihr Leben. Häufig wußte die Menge gar nicht den Grund dieser Emeuten, welche nicht bloß den Beschuldigten, sondern die ganze Nachbarschaft in Gefahr seßten. Die Nationalgarde rückte theils gar nicht aus, theils schritt fie nicht mit der nöthigen Energie eines massenhaften Bajonettenangriffes ein. Das Gesez und die Garde wurde zum Spotte. Der Verstand vieler dieser Leute war so winzig, daß sie die Gefahr der Selbsthilfe für die öffentliche Sicherheit überhaupt nicht einsahen; ihr Muth war so erbärmlich, daß sie wohl aus vollem Halse über die Regierung schmähten, aber sich nicht getrauten, eines unbeliebten Mitbürgers Eigenthum zu schirmen; ihre Eifersucht war so groß, daß sie stets über Truppen-Concentrirungen Zetter schrien, und lieber die geseßliche Freiheit niedertreten sahen, als die Hilfe des Militärs anzurufen. So griff das Nebel der Selbsthilfe mehr um sich, eine civilgerichtliche Execution war in vielen Fäl

*) Vergl. W. 3. 309. (Dr. J. G.)

len gar nicht realisirbar, weil der Execut mit Mord drohte, die Nationalgarde viel zu vornehm und freiheitsliebend war, um dem Geseße Achtung zu verschaffen, und die Behörden es hiebei bewenden ließen.

So war die Permanenz der Revolution und die Anarchie, ehe man sich dessen versah, eine vollendete Thatsache. Die sich drängenden Verbrüderungsschaften, Deputationen aus allen Theilen der Monarchie, Fahnenweihen, eine fich überstürzende Bildung von Vereinen, ehe das Associationsrecht geregelt und festgestellt worden, alles dies trug bei, um den Umsturz durchzuführen. Kein Militär durfte in die von Militär entblößte Residenz einmarschiren, die nach Italien bestimmten Truppen mußten angezeigt werden, und Truppen überhaupt durften nur auf Verlangen der Nationalgarde, welche — mit Ausnahme der MilitärGebäude — den Dienst der ganzen Stadt versehen mußte, verwendet werden. Die Nationalgarde, größtentheils aus gewerbtreibenden Bewohnern bestehend, war durch die Uebernahme obiger Verpflichtung in Kriegszustand verseßt, der nicht ohne den nachtheiligsten Einfluß auf die übrigen bürgl. Verhältnisse blieb. Man machte nicht blos-man lebte gleichsam Politik, und war das bewegte willenlose und ohnmächtige Werkzeug in Händen von bewegenden, böswilligen — aber energischen Umstürzlingen. Die beständige Aufregung, das wüste, dem einer lagernden Truppe abgeborgte Leben, Zerwürfnisse im häuslichen Kreise, erzeugt durch Verschiedenheit der politischen Ansichten, der viele Dienst, den man sich freiwillig aufgebürdet, Alles dieß zusammen genommen, bewirkte eine Demoralisation, die man kurzweg als Ringen nach der heiligen Freiheit, als constitutionelles Streben, eine neue rein demokratische Verfassung auf der breitesten Basis zu erhalten, bezeichnete. Der angestrengte Dienst hatte die Gewerbtreibenden, welche sich im Soldatenspielen behaglicher fühlten, entweder zu arbeiten entwöhnt, oder aber zu arbeiten unmöglich gemacht. *)

An dieser Unterwühlung der rechtlichen Ordnung trugen auch die allgemeine Noth und die Presse Schuld. Der Adel flüchtete aus der Residenz, die Gehalte der Beamten wurden reducirt, die Staatspapiere und Actien sanken immer tiefer, das baare Geld wanderte in die Koffer, Jeder schränkte sich möglichst ein; durch dieß Alles erlahmte der Erwerb und Verkehr, Noth und Elend nahmen überhand. Die verblendete Masse klagte dieses traurigen Zustandes wegen die Regierung an, und wurde so für die Umtriebe der Heßer desto empfänglicher. Zu einem mehren Fluche wurde jedoch die Presse. Das herrlichste Geschenk Ferdinand des Sütigen, die Preßfreiheit, ward durch freche Buben ohne Gesinnung und Baterland eine Calamität. Ein Theil derselben, der „Ra=

*) Vergl. Böhringers G. 76.

ditale," die „Constitution," der „Freimüthige," gefiel sich darin, durch Lügen und Verdächtigungen die Regierung und einzelne Individuen herabzuwürdigen, die Opposition nicht zum Mittel, sondern zum Zwecke zu machen; statt durch practische Vorschläge zu nügen, lieber durch Gassenbubenschimpf der Gemeinheit zu huldi gen, und endlich mehr oder minder deutlich zu brutalen Gewaltthaten aufzufordern. Ein anderer Theil der Presse, wie der „Demokrat,“ die „Nationalzeitung,“ verfiel zwar nicht so ins Extreme, zog es aber ebenfalls vor, zu schmähen und albernes Zeug zu plaudern, statt zu begründen und zu belehren. Der österr. Courier der Theaterzeitung lieferte ausgezeichnete Artikel über die Zustände Wiens, voll Schärfe und Wahrheit, wurde vielseitig von den radicalen Blättern angefeindet, war aber zu kostspielig, um dem Volke zugänglich zu seyn. Neber Saphirs Blatt läßt sich weil man seine bekannte Manier in öffentlicher Verfolgungssucht fürchten muß — nichts sagen, außer, daß der Humorist nie politisch war. Die allgemeine österr. Zeitung beleidigte durch fortgesette National-Gehässigkeiten den Kern österr. Macht, und war in jeder Hinsicht viel zu theuer. Andere Blätter, wie die „Presse“ und „Wiener Zeitung," beobachteten zwar den literarischen Anstand, waren jedoch zu vornehm, zu weitläufig, zu einseitig und zu wenig anziehend, leßtere zu kostspielig um in die Massen der untern Schichten zu dringen. Die Wiener Zeitung war jedoch unter allen Blättern die consequenteste, und deren leitende Artikel, so wie auch der Presse, größtentheils gediegene Arbeiten. Beide waren die einzigen guten Blätter. Die „Geißel" *) und der „Zu schauer" endlich waren in ihrer Darstellung ebenso pöbelhaft und geistig dem Volke unerquicklich wie die radikale Presse. Erstere verfolgte mit Consequenz die Uebergriffe der Ultra und gewann den Beifall vieler Gutgesinnten; ihr Streben war gut. Letterer gefiel sich darin, Oehl ins Feuer zu gießen, statt es löschen zu helfen, und schadete mehr der dynastisch-constitutionellen Sache, als er ihr zu nüßen vermochte. Die Maße anderer Blätter war eine Mistgrube. So fehlte dem Volfe eine gesunde Nahrung, ihm wurde nur das Gift der Verläumdung, der Verdächtigung, der oberflächlichen Schmähsucht gereicht, daher der innere Gedärmbrand, oder die Revolution.

Der N. G. Verwaltungs-Nath sah sich in Folge der in der Nationalgarde eingerissenen Spaltung, Uneinigkeit und Mangel an Disciplin bemüssigt, eine Petition an den Reichstag zu stellen, entweder das von dem Verwaltungsrathe dem Ministerium überreichte Gesez provisorisch anzunehmen, oder ein anderes Gesetz für die Nationalgarde zu erlassen. Der Inhalt dieser Petition lautete wortgetreu wie folgt:

*) Ihr Redakteur war am 6. October an seinem Leben bedroht, und nur die Ent schlossenheit eines Alademikers rettete ihn.

Hoher Reichstag!

Es war am 14. März d. J., wo die Bevölkerung Wiens mit begeistertem Jubel nach dem Zeughause eilte, um Waffen zu erlangen, so daß schon im Patente vom 15. März d. I. gesagt werden konnte: die Nationalgarde Wiens leistet bereits ersprießliche Dienste.

Die Anzahl der Theilnehmenden wuchs auf viele Tausende und mit ihr die Nothwendigkeit der Organisirung.

Der Ministerial-Erlaß vom 10. April d. I. seßte einige der nothwendigsten Bestimmungen provisorisch fest, und die Verhältnisse der Garde wurden durch einzelne Ministerial-Verfügungen, so wie die Dienstleistungen durch einzelne Tagsbefehle geregelt. Diese Verfügungen betrafen einzelne concrete Fälle, hervorgerufen durch ephemere Nothwendigkeit; zeigten aber mit jedem Tage das Bedürfniß nach einer durchgreifenden Norm, welche die Errichtung der Nationalgarde nicht nur für Wien, sondern für das ganze Land organisiren soll.

Bei dem Mangel einer Cynosur war es unvermeidlich, daß Conflicte theils in der Garde, theils in ihrem Wirken nach Außen entstanden. Nur durch ein Geseß über die Garde in ihren verschiedenen Gestaltungen wird es möglich, die erlangten Freiheiten zu schüßen, und durch diesen Schuß die öffentliche Ordnung aufrecht zu halten.

Die Dienstleistung des Einzelnen, wie ganzer Abtheilungen, kann jezt nicht durch Dienst-Reglements, deren Zweck das harmonische Zusammenwirken ist, abgegränzt werden; weil der Zweck und die Art der Dienstleistung noch durch feine allgemeine Norm, durch kein Gesez ausgesprochen ist; ja der Zweck selbst ist, wenn auch im Principe anerkannt, nur ein halber, ein vager, weil die Abmarkung nicht gezogen, durch kein Geseg festgestellt ist, wie sich die Nationalgarde von anderen bewaffneten Körperschaften, welche gleichfalls im Interesse des Gesezes wirken, scheidet.

Ein zweckmäßiges, thatkräftiges Wirken der Garde ist nicht möglich, wenn die Berechtigung, so wie die Verpflichtung zur Dienstleistung nicht zweifellos ausgesprochen ist; weil der Bürger als Garde von vielen anderen Rücksichten und Berufspflichten in Anspruch genommen wird.

Wo aber weder das Recht, noch die Pflicht einer corporativen Wirksamteit festgestellt wurde, da ist der Zustand ein gesegloser, und die Wirksamkeit des Institutes hängt nur von dem Belieben des Einzelnen ab, mag dessen individuelle Ansicht nun über oder vor das Ziel, oder in dasselbe treffen.

Die traurigen Folgen dieses Zustandes und der Mangel einer Sanction haben sich leider bei der Nationalgarde Wiens schon gezeigt. Sociale und politi sche Mißverständnisse, Conflicte zwischen dem Rechte des Waffentragens und der Pflicht des bewaffneten Schußes, haben bereits zu Spaltungen in der Garde,

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