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2. Bach, Wessenberg und Latour (?) follen abtreten. (Hier scheint Scherzer den Sierakowski nicht gehört zu haben.)

Umlauft: Ich ersuche den Präsidenten die Sigung zu eröffnen.

Smolka: Ich erkläre die Sigung für eröffnet. Ich wünsche der hohen Kammer Bericht über unsere Sendung abzustatten. Wir wurden abgeschickt die Minister zu schüßen. (Gespannte Ausmerksamkeit.) Ich habe Latour beschworen, seine Abdankung einzureichen. Nach langem Drängen übergab er schriftlich seine Resignation. Wir begaben uns unter das Volk und theilten ihm diese Nachricht mit. Sie beruhigte nicht mehr. Die Menge verlangte, zu Latour geführt zu werden. Ich habe geantwortet:

Nur über unsere Leichen geht Euer Weg. Ich war des Lebens selbst nicht mehr sicher. Darauf haben sie selbst den Kriegsminister in Verhaft genommen und herunter gebracht.

Fischhof: Zwanzig Garden gaben ihr Ehrenwort, sein Leben zu schüßen. Sie haben es redlich gehalten. Aber die Menge tobte immer stürmischer heran. Er fiel unter sehr vielen Wunden.

Löhner: (heftig) Ich trage darauf an zu erklären:

1. Daß wir, wie wir hier beisammen sind, den Reichstag bilden.

2. Daß wir uns für permanent erklären. (Angenommen)

3. Daß aus der Mitte des Reichstages,ein Ausschuß für die Sicherheit der Stadt ernannt werde. (Angenommen)

4. Daß Strobach in Anklagestand verseßt und Smolka zum Prästdenten gewählt werde.

Borrosch bestieg die Tribune und sprach mit schwacher Stimme: Auch ich war bei dem Vorfall. Ich habe der Menge gesagt:,,hängt mich — nur über meine Leiche geht der Weg zu diesem Wehrlosen.“ -Sie haben versprochen ihn zu schonen. Auf den Nath - meiner Freunde bin ich weggezogen, um auch anderswo zu versöhnen. Jubelnd ist das Volk mir nachgezogen; neue Ströme Volkes, die mich nicht gehört, mögen diese That vollbracht haben. Sie läßt sich nicht mehr ungeschehen machen. Ich beschwöre Alle, die hier sind, Alles anzuwenden, diese legte glorreiche (?) Revolution nicht ferner entweihen zu lassen. (Sehr bewegt) Mein Leben hätte ich gerne geopfert, meine Freunde wissen es (ja, ja), aber es war zu spät. (Beifall)

Hornbostel: (erhob sich und sprach mit wehmüthiger Stimme),,Ich bin ein Wiener"

Löhner: (rasch) und ein ehrlicher Mann. . . . . (jubelnder Beifall) Hornbostel: (matt) Dieser Vorfall wird nicht ohne Folgen beim Militär bleiben, ich beschwöre Sie sogleich, eine Commission an den Commandirenden Wiens, Grafen Auersperg zu senden, . . . . es dürfte sonst weiteres Unheil die Stadt Wien verwüsten.

Es wurden zum Auersperg Fischhof, Scherzer, Catinelli, Lasser, und Hubicki in die Commission ernannt.

Goldmark: Beschwören wir heute nicht noch Zwistigkeiten und Parteihaß herauf. Ich trage darauf an, daß Löhner die Anklage gegen Strobach zurück nehme. (Beifall, es geschah.)

Scherzer: Das Volk dringt stürmisch darauf, daß auch Bach und Wessenberg zurücktreten. Es möge Vorsorge getroffen werden, daß ihr Leben geschüßt sey.

Vice-Präsident: Eine Eingabe des 4. Bezirks Nationalgarde bittet, es mögen Beschlüsse gefaßt werden, die Ruhe der Stadt zu sichern.

Stobnicki: Ich trage darauf an, in einer Proklamation an das Volk, unser Bedauern über das Geschehene auszudrücken. Der Minister hätte sollen auf die Anklagebank versezt werden, und nicht durch das Volk fallen.

Die Proklamation an das Volk wurde angenommen. Solche lautete: ,,Der Reichstag von den verhängnißvollen Ereignissen benachrichtigt, die diese Hauptstadt erschüttert haben, hat sich versammelt, und wendet sich vertrauensvoll an die Bevölkerung Wiens, damit sie ihn unterstüße in der Erfüllung seiner schweren Aufgaben.

,,Indem der Reichstag sein tiefstes Bedauern ausspricht, üder einen Act schrecklicher Selbsthilfe, *) durch welchen der bisherige Kriegsminister seinen gewaltsamen Tod gefunden, spricht er seine feste Ueberzeugung, seinen entschiedenen Entschluß aus, daß von diesem Augenblicke an, das Gesetz und die Achtung vor demselben wieder allein herrsche.

,,Der Reichstag hat sich permanent erklärt, er wird diejenigen Maßregeln treffen, die die Ordnung, Sicherheit und Freiheit der Staatsbürger fordern, er wird dafür sorgen, daß seinen Beschlüssen unbedingte Vollstreckung werde. Er wird sich zugleich an den Monarchen wenden, und demselben die Dringlichkeit vorstellen, diejenigen Minister seines Rathes, die das Vertrauen des Landes nicht besigen, zu entfernen, und das bisherige Ministerium durch ein volksthümliches zu erseßen. Er stellt die Sicherheit der Stadt Wien, die Unverleglichkeit des Reichstages und des Thrones, und dadurch die Wohlfahrt der Monarchie unter den Schuß der Wiener Nationalgarde. Wien, am 6. October 1848. Im Namen des Reichstages."

Der erste Vice-Präsident, Franz Smolka, m. p. Löhner beantragte ferner im Reichstage: Es möge eine Deputation an den Kaiser gesendet werden. (Einstimmig angenommen)

*) Der Reichstag wagte es nicht, diese Schandthat ein Verbrechen zu nennen und als solches zu tadeln, und läugnete Anarchie, läuznete terrorisirt zu seyn. Gott sey Dant, daß jener Zustand vorüber ist!

Dr.

Zimmer: Der Zweck dieser Deputation kann nur der seyn, ein neues volksthümliches Ministerium zu ernennen. Wie in anderen Städten kann auch in Wien die Reaction fiegen (?), wenn kein volksthümliches Ministerium vorhanden ist.

Pillersdorff: Um der Form zu genügen, möge eine Adresse an Se. Majestät schriftlich abgefaßt werden. (Angenommen) Pillersdorff, Skoda, Lubomirski, Hornbostl und Borrosch werden bestimmt, nach Schönbrunn zu fahren, und die von Pillersdorff concipirte Adresse an den Kaiser zu überbringen. Vice-Präsident: Es liegt noch die Petition der (von?) Wiener Nationalgarden (?) vor, der Reichstag möge die Leitung der Sicherheit in Wien übernehmen.

Brestel: Dafür soll eine eigene Commission ernannt werden.

-

In dieselbe wurden gewählt: Brestel, Löhner, Füster, Klaudy, Schufelka, Bilinski, Umlauft, Skoda, Violand, Goldmark Männer von allen (?) Parteien.

Klaudy: Unser Arbeitslocale verbleibe der Reichstag. (Angenommen) Sie versammelten sich in einem der Berathungssäle in der Stallburg und wurden vom Reichstage beauftragt, alle halbe Stunden dem Reichstage die gefaßten Beschlüsse, und die eingelaufenen Berichte mitzutheilen.

Jelen bat, wie bereits erwähnt, der Reichstag möge ihm erlauben sich zu entfernen, um sich nach dem Geschicke seiner Landsleute und Meinungsgenossen zu erkundigen. Sein Wunsch wurde gewährt und er entfernte sich in Begleitung eines andern Mitgliedes, und zwar des Abgeordneten Zimmer. (Siehe Seite 139).

Die Deputation zu Doblhoff ist zurückgekehrt, ohne ihn getroffen zu haben.

Es wurde der Antrag Hubicki's angenommen, Se. Majestät in der Adresse zu bitten, die Ernennung Jellačičs zum Kommissär von Ungarn zurückzunehmen, und das leßte Reskript zu widerrufen. Pillersdorff wendete dagegen ein, daß der Reichstag für die ungarischen Angelegenheiten nicht kompetent sey, worauf aber Kudlich erwiederte, daß die Wiener Frage zu sehr mit der ungarischen (Ermordung Latour's und Plünderung des Arsenales?) zusammenhänge, daß, wenn man die Ruhe in Wien her stellen will, man das Uebel an der Wurzel vertilgen müsse; er sey also dafür, daß in der Adresse an den Kaiser die Widerrufung des Resfripts berührt werde. Diese Ansicht drang durch, und Pillersdorff entfernte sich um die Adresse zu verfassen.

Aus dem bürgl. Zeughause langte durch das Ober-Commando die Ein gabe an, daß General Frank daselbst gefangen gehalten werde, und es wurde gebeten,

ihn dem Schicksale Latours zu entziehen! Der Schuß des Reichstages wurde für ihn erbeten. (Gewährt).

Um 5 Uhr war die ganze Stadt von Truppen geräumt, mit Ausnahme einer Compagnie Grenadiere auf der Burgwache, und einer die auf der Hauptwache am Hof stand, vom Volke in keiner Hinsicht angefochten wurde. und der Besaßung des t. Zeughauses. Nach Schönbrunn find 2. Bataillons und 6 Escadrons, zur Sicherung der Munitions - Vorräthe auf der Türkenschanze, im Neugebäude, im k. Zeughause und für den Wachdienst 2'/, Bataillons verwendet worden.

Rettung und Abdankung Streffleurs.

5. Uhr. Zu gleicher Zeit wie im Reichstage, gelangten Gerüchte zum Ober-Commando, Latour wäre gehangen worden; aber man schenkte denselben keinen Glauben war vielmehr der Meinung, es könne allenfalls in Effigie geschehen seyn. Ebenso brachten Gardeoffiziere die Nachricht, daß sie eine Proscripzionsliste am Hof gelesen haben, worauf zehn Personen *) bezeichnet waren, die umgebracht werden sollten, u. 3. Latour, Wessenberg, Bach, Strobach, Streffleur, Valmagini, Stadion, Rieger, Hawljček, Trojan. Der von den Basteien zurückgekehrte Plazoffizier Dunder erhielt aber die Versicherung, es sey das Entseßliche wirklich geschehen, und theilte dasselbe dem anwesenden Feldmarschall-Lieutenant Baron Bechtold mit. Leßterer, gegen den die Umsturz- und magyarische Partei ohnehin feindlich gesinnt war, ersuchte Dunder, ihn in seine Wohnung zu begleiten. Dunder that es, versprach, sich über das Gerücht Gewißheit zu verschaffen, und eilte zum Kriegsgebäude am Hof. Dort angelangt, fand er die herzzerreißende Bestätigung. Der Leichnam war wie bereits erwähnt, an jenen Gaskandelaber vor der Hauptwache aufgehangen und bot-später von fünf Gaslaternen grell beleuchtet — einen entseßlichen Anblick dar. Mit der Leiche wurde von den Cannibalen Hohn getrieben während die Guten zitterten und flohen. Am Rückwege erfuhr der Plaz- Offizier Dunder von gutgefinnten Freunden, daß Rittmeister Valmagini **) von den wüthenden Rotten am Graben meuchlings überfallen, gefährlich verwundet und mit genauer Noth dem Tode entgangen sey; daß der prov. Ober-Commandanten - Stellvertreter Streffleur vom Pöbel mit dem Vorsage, ihn ebenfalls zu ermorden, allenthalben gesucht werde, und daß, wenn er sich auf der Gasse irgendwo sehen ließe, oder aus der Stallburg treten sollte, bewaffnete Leute auf ihn passen und ihn überfallen werden. Nachdem der Plazoffizier Dunder dem F. M. L. Bechtold alle diese Facta in Eile mitgetheilt hatte, eilte er in die Stallburg

*) Von Wiener Bürgern war keiner darunnter. **) Derselbe war meistens im Kriegsministerium, und erschien an diesem Lage in Civilkleidern und nur einen Moment beim Ober-Commando.

Dr.

zum Streffleur, traf ihn im Ober- Commando am Tisch schreibend, und Befehle ertheilend, neigte sich zu ihm und sagte ihm leise ins Ohr: „Latour ist ermordet, Valmagini schwer verwundet, Sie werden überall gesucht, man will auch Sie ermorden; gehen Sie sogleich zum Reichstag." Hierauf stand Streffleur augenblicklich auf und rief:,,In den Reichstag!" Der Plazoffizier Dunder forderte den Plaßhauptmann du Beine und mehrere der umstehenden Plazoffiziere auf, sich schnell anzuschließen, und so eilten sie, Streffleur umgebend, zum Reichstags-Saale. Daselbst angelangt, ersuchte Streffleur um Enthebung von seinem Posten als Ober-Commandant der Nationalgarde, da er sonst für sein Leben zu fürchten hätte, welchem Gesuche auch willfahrt, und Scherzer durch Zuruf der Versammlung als prov. Ober-Commandant ernannt wurde. Nachdem der Plagoffizier Dunder, sowie die übrigen Streffleur geleitenden Offiziere lezteren dem Reichstage übergeben hatten, und für ihn nichts weiter zu befürchten stand, begab sich derselbe in Begleitung einiger Herren in die innern Räume der Burg, worauf sich die gedachten Offiziere in die Stallburg verfügten, woselbst bald darauf der Reichstags-Ausschuß zusammentrat, und die Berichte derselben entgegen nahm. Streffleur hat seitdem keinen Antheil an den October-Ereignissen genommen, und mit Bedauern mußten alle Gutgesinnten diesen ausgezeichneten Mann seinem Wirkungskreise durch die Ereignisse des blutigen Tages entrückt sehen. *)

Scherzer trat sogleich das Ober- Commando an, bat den Hauptmann Knoth als ad latus an seiner Seite zu bleiben, was leßterer mit Freuden annahm, und es erschien nachstehende Proklamation :

An die Nationalgarden! Nachdem mir von dem hohen Reichstage ausgedrückten Wunsche sehe ich mich in Anbetracht der eingetretenen außerordentlichen Umstände zur möglichst schleunigen Herstellung der geseßlichen Ordnung bestimmt, den Herrn Abgeordneten Scherzer als provisorischen Ober- Commandanten der Nationalgarde von Wien und Umgebung zu ernennen, und gebe mich der Hoffnung hin, daß sich sämmtliche Nationalgarden ohne Verzug um denselben schaaren werden, um mit gemeinsamen Kräften die öffentliche Sicherheit zu wahren. Wien, den 6. Oktober 1848. Der Minister des Innern." An diesem Tage blieb die Post zurück, da die gesammte Passage der Stadtthore ihrer Absendung entgegen stand.

Bestürmung des Zeughauses.

Nach 5 Uhr Abends im Zeughause. Nun drängten sich die Ereignisse in und beim Zeughause von Stunde zu Stunde, und es fehlte nicht an Momenten, wo

*) Nachdem ich Streffleur dem angedrohten Schicksale entzogen, begab er sich nach Baden, und später als Deputirter nach Frankfurt. Meinen herzlichen Gruß an ihn Dunder.

dahin!

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