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haltend, und zog reitend durch die Gaffen weiter auf den Stephansplag_mit, empfing allenthalben Huldigungen, und sprach leider nicht vom Reichstage oder sonst von einer heilsamen Wirksamkeit irgend Jemands, sondern stets nur von fich selbst. Indessen ist aber dennoch zum Schuße Latour's, Smolka und Sierakowski, beide polnische Deputirte, am Hof zurück geblieben; Borrosch aber zog zu Pferde, begleitet von mehreren Reichstagsmitgliedern zu Fuß, und umgeben von mehreren berittenen Rationalgarden, durch die Gassen der Kaiserstadt weiter.

Während dieser Vorgänge, gerade als Borrosch vor dem Reichstagsgebäude vorbeiritt, und die Volksmenge Hoch lebe Borrosch! Hoch lebe der Reichstag! Hoch lebe die Linke!" rief, kam der Abgeordnete Hawelka in das Reichstagsgebäude, und hörte vom Abgeordneten Klaudy, in Gegenwart des Abgeordneten Haimerl,' der gute Strobach sollte lieber das Weite suchen, indem die Linke gegen ihn furchtbar aufgebracht und das Schlimmste zu befürchten sey. Abgeordneter Hawelka ging in die Sizungsvorhalle, hörte mit dem Abgeordneten Hein aus Schlesien, daß sich Bewaffnete auf die Journalistenbank verfügten.

In der Reichstags-Vorhalle kam gleichzeitig Hauptmann Niewiadomski, Adjutant des Kriegsministers an, heftig bittend, es möchten einige Reichstagsglieder in's Kriegsgebäude gehen, indem der Kriegsminister Latour in Gefahr sey, aufgehängt zu werden.

Latours Tod.

Um dieses furchtbare und folgenreiche Ereigniß gehörig darstellen zu können, ist es nöthig, den bereits geschilderten Kampf am Stephansplaße in seiner Fortsegung bis zum Kriegsgebäude zu verfolgen, und Einzelnes ausführlicher zu wiederholen.

Um halb 2 Uhr war der Hof ungewöhnlich leer, die ganze Bevölkerung noch ganz entsegt über die fürchterlichen Ereignisse des Tages, und nicht ahnend, was der Tag noch weiter gebären werde, suchte in den Häusern ihre Zuflucht. Eine kleine Gruppe bürgerlicher Grenadiere, mit einigen aus dem Volke, be= trachteten neugierig die 3 Compagnien Pioniere, welche Gewehr bei Fuß, mit dem Rücken gegen die Kirche (zu den 12 Chören der Engel) schon seit 12 Uhr aufgestellt waren, in banger Erwartung harrend, wie der Conflict der Stadtgarden mit den Vorstadtgarden auf dem Steppansplaße enden werde.

Im Kriegsgebäude, woselbst rückwärts im zweiten Stockwerke noch immer der ganze Ministerrath versammelt war, brachten die mit jeder Viertelstunde einlangenden beunruhigenderen Berichte eine große Sensation hervor. Ez kamen von 10 zu 10 Minuten über die Vorfälle auf dem Stephansplaße Berichte an.

Der Kriegsminister Graf Latour wurde dringend angegangen, den auf dem Stephansplage hart bedrängten Garden des Kärnthnerviertels eine Militär

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Assistenz zu senden, dessen er sich jedoch immer standhaft weigerte, und der Ordonanz-Offizier Pizziggelli, der 1. Comp. des 1. Bezirkes, wurde fofort beauftragt, fich genau von der Sachlage zu überzeugen.

Um beiläufig dreiviertel auf zwey Uhr kehrte Pizzighelli in das Kriegsministerium zurück mit der Nachricht, daß die Stadtgarden in die Kirche zu St. Stephan hineingedrängt worden seyen, in der Kirche selbst das Gefecht fortdauere, und wenn den Stadtgarden nicht eine schleunige Hilfe werde, sehen sie verloren. Der Kriegsminister, in Folge dieser Nachricht neuerdings gedrängt, denselben Hilfe zukommen zu lassen, gab ungern den Bitten nach, und ertheilte dem Obersten Anton Schön von Monte Cerro den Befehl, mit 2 Kompagnien Pionieren, welche am Hofe aufgestellt waren, und mit zwei Kanonen gegen den Stephansplaß zu marschiren, um denselben zu räumen. Punkt 2 Uhr marschirte diese Truppe ab, der Ordonanz-Offizier Gitulewicz, vom 1. Bezirk, erhielt den Auftrag, dieselbe zu begleiten, und den Erfolg dem Ministerium mitzutheilen. Diese Truppe blieb am Anfange des Stock im Eisenplates in Colonen stehen, und Oberst Schön bemühte sich, die ihm entgegenströmenden Garden, Arbeiter und Volk durch Zureden zu bewegen, Ordnung und Ruhe aufrecht zu erhalten, welches, so versicherte er, allein auch nur sein Zweck sey. Am Anfang der Bischofgasse wurde schon kräftig an einer Barrikade gebaut, und von einem Haufen Arbeiter, mit Spießen bewaffnet, angegriffen und gedrängt, sah sich Oberst Schön veranlaßt, ernstliche Maßregeln eintreten zu lassen. Kaum ins Kriegsgebäude zurückgekehrt, enthob der Donner des Geschüßes, und das Peloton des Kleingewehr-Feuers den Ordonanz-Offizier Gitulewics jeder weiteren Meldung von dem Zusammenstoß des Volkes und der Garde mit dem Militär.

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Im Kriegsgebäude wurde sogleich die vor demselben aufgestellte` Hauptwache und zwei mit Kartätschen geladene Kanonen, in den Hofraum gezogen, das Thor geschlossen, und die Mannschaft folgender Massen vertheilt:

Wenn man vom Plag am Hof ins Gebäude tritt, links im Hofe, neben der großen Hauptstiege, wurde die in das Gebäude hineingezogene Hauptwache, mit einem Hauptmann und einem Lieutenant, und rechts, diesen gegenüber, eine Compagnie Deutschmeister- Grenadiere unter Commando des Hauptmanns Josef Brandmayer, wovon auch ein Theil die Stiegen beseßt hatte, aufgestellt, die Cavallerie-Ordonanzen saßen in der Mitte des Hofes zu Pferde; die eine Kanone hingegen in Mitte des Hofes außer der Schußlinie mit der Mündung auf das vordere Thor gerichtet, postirt. Beide Thore waren geschlossen; es war halb drei Uhr vorüber. Das Feuer wurde immer heftiger und zog sich vom Stephansplaße und Graben immer näher gegen den Plag am Hof zu.

Um halb 3 Uhr kam das Landwehr-Bataillon von Nassau-Infanterie, welches durch das Franzensthor in die Stadt gezogen wurde, über die Freiung und den Hof gegen die Bognergasse zu, konnte aber nicht mehr durchkommen, weil das Militär vom Graben aus zurückgedrängt wurde, und im Retiriren begriffen war.

Es wurde nun der Kriegsminister mehrseitig angegangen, das Feuer einzustellen, und ein Offizier der Legion, ein junger Mensch von zwanzig und kaum einigen Jahren, den Arm in der Schlinge, welcher wahrscheinlich auch Ordonanz-Offizier war, da er sich schon längere Zeit daselbst aufhielt, stellte sich keck dem Kriegsminister mit den Worten gegenüber: Werden Sie, Herr Minister, denn noch nicht bald die Truppen zurückziehen lassen, hören Sie nicht den Donner der Geschüße ?" welches anmaßende Benehmen dem jungen Menschen von einem anwesenden Generalen verwiesen wurde.

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Die Spannung im Ministerrathe war auf das Höchste gestiegen, doch wurde noch kein Beschluß gefaßt. — Mittlerweile näherte sich der Geschüßdonner mehr und mehr; einzelne fliehende Soldaten kamen schon durch die Bognergasse, den Fenstern des Kriegsministeriums zunächst vorüber. Man sah aus den Fenstern des Ministeriums gegen den Bazar in die Bognergasse hinab. Ein Adjutant rief: Das Militär flieht.“ Der anwesende Kriegsminister überzeugte sich davon.

Hierauf zog sich der Ministerrath auf kurze Zeit zurück, und bald darauf erschien der Kriegsminister mit zehn bis zwölf Blättern Papier worauf die Worte standen: „Das Feuer ist überall einzustellen" mit der Unterschrift Latours, und der Contrafignirung des Ministers Wessenberg. Diese Blätter wurden unter den Adjutanten und Ordonanz-Offizieren vertheilt, um damit die Pazifizirung bewerkstelligen zu können, welches man aber nicht mehr zu thun im Stande war.

Plöglich kam das Feuern immer näher, das Militär kam in Unordnung, Pioniere und Infanterie untereinander, durch die Bognergasse und durch das Glockengäßchen aus der Naglergasse retirirend zurück; darauf sammelten sie sich am Hof-Plage, ebenfalls Infanterie und Pioniere unter einander, zwei StabsOffiziere in ihrer Mitte, jedoch in keine Glieder gereiht, und gaben eine Decharge, hoch, wie es schien, in die Luft. *) Die Artillerie mit der Kanone in der Bognergasse gab zwei oder drei Kartätschenschüsse, hoch, in kurzen Intervallen längs der Gasse, worauf dieselbe sich mit den beiden Kanonen und den am Hof gesammelten Pionieren und Infanteristen über den Heidenschuß in Unordnung gegen d'e Freiung zurück zog.

Hierauf trat eine Stille ein, und kein Mensch war am Hofe zu sehen als Lodte und Verwundete in der Vognergasse niedergestreckt liegen.

Der Kriegsminister befahl dem den Stadtgarden zu Hülfe gesendeten Militär,
Menschenleben zu schonen, und hoch zu schießet.

Nach und nach kamen vom Graben durch die Bognergasse, aus der Naglergasse durch das Glockengäßchen Studenten, Garden und Volk behutsam hervor, trugen die Gefallenen in die Häuser und auf die Hauptwache, welche leer war, da fich die Grenadiere in das Kriegsgebäude zurückgezogen hatten. Hierauf erst sammelte sich eine gemischte Gruppe von Volk und einigen Garden vor dem Kriegsgebäude, welches geschlossen war. Kurz zuvor schoß ein Student, welcher auf der Freiung hinter dem Tabakhäuschen versteckt war, aus einer Doppelbüchse den fliehenden Soldaten nach. Das Landwehr Bataillon Nassau war bereits theils durch die Bognergasse, und theils durch die Naglergasse über die Freiung zurückgedrängt. In der Naglergasse wurde der Major Franz Machill, von Nassau Infanterie verwundet; derselbe erhielt eine Schußwunde durch die Seite, eine andere durch den Arm.

Die Schottengaffe wurde mittlerweile verbarrikadirt; das Militär konnte daher beim Schottenthore nicht mehr hinaus, und mußte sich einen Weg durch die Herrngasse bahnen.

Auf der Freiung wurde ein Pferd der Kanonen-Bespannung getödtet, man suchte es unter einem wohl unterhaltenen Kleingewehr-Feuer loszumachen, welches aber nicht, gelang, daher diese Kanone zurückgelassen werden mußte; die zweite. abgeprogte Kanone wurde von Pionieren und Artilleristen mühsam mit fortgezogen, wobei das Militär durch das Feuer der sie verfolgenden Garden und Legionäre bedeutenden Verlust erlitt. Eine Abtheilung Pioniere und eine Abtheilung von Nassau Infanterie, welche im Hofe des General-Commando aufgestellt waren, wurden von der Nationalgarde, der Legion und dem Volte förmlich entwaffnet, mußten die Gewehre in Pyramiden stellen, und die Patronen abliefern, den Offizieren wurden die Säbel gelassen. Darauf bildete das Volk eine Spalier, und ließ das Militär wohl ungehindert, aber unter Hohngelächter und unter rohem Gebrülle vieler darunter anwesenden Wühler durchpassiren.

Mehrere verwundete Soldaten und Garden wurden theils auf die Hauptwache beim Kriegsgebäude, längst der ganzen Strecke vom Stephansplage, dem Hofe, der Freiung und der Herrengasse in die Nationalbank und in andern Häusern untergebracht. Es hat an Beweisen vom Edelsinne nicht gefchlt. Die Wiener find gut; aber die Fremden aus Pesth, Frankfurt, Paris und politischer Umgebung haben das herrliche Wiener Volk geschändet.

Ein Pionier, welcher schon auf dem Stephansplaße in der Nähe des Kniegelenkes eine Kugel erhielt, wurde auf die Wachstube des NationalgardeOber- Commando in der Stallburg gebracht, und daselbst von den Garden der anwesenden Wache auf das Liebevollste behandelt. Der Plaß-Hauptmann sorgte für dessen Unterkunft und Pflege, welch' lezterer sich der Garde Dr. Iznaz Seng, Arzt der 4. Compagnie des II. Bezirkes mit der größten Bereitwilligkeit

unterzog, dem Manne die Kugel glücklich herausnahm, und 24 Stunden nicht von seiner Seite wich. Drei Tage nachher wurde dieser Pionier schon auf dem Wege der Besserung durch den Plaß-Hauptmann in das k. k. Militär- Spital gebracht. Doch kehren wir ins Kriegsministerium zurück.

Die Ordonanz- Offiziere suchten vergebens ein Mittel, den Beschluß des Ministeriums wegen Einstellung des Feuerns dem Volke mittheilen zu können. General Frank, Lieutenant Gitulewics und der schon früher erwähnte Legions-Offizier wollten vom Balkon des Kriegsgebäudes dem bereits in Massen anwesenden Volke diesen Beschluß verkünden, es konnte aber der Schlüssel zu den Balkonsthüren nicht gefunden (?) werden; daher der Student ein Fenster ober dem Thore bestieg, sich an dem Kreußstocke desselben fest hielt, der tobenden Volksmasse mit einem weißen Tuche winkte, das Blatt Papier mit Latour's und Wessenberg's Unterschrift zeigte, und den Inhalt desselben verkündete. An eine Verständigung war jedoch nicht mehr zu denken, das Volk war zu gereizt, es war wüthend, blutdürftig, der Lärm zu groß, es begnügte sich mit dieser verspäteten Maßregel nicht, indem es mit den Händen verneinend gestikulirte und schrie, und forderte zuerst, der Student möge herunterkommen, dessen er sich aber weigerte, dann aber Einlaß in das Kriegsgebäude.

Das Toben nahm zu von Minute zu Minute, das Volk schlug mit Hacken, Brechstangen und Krampen an das Thor, welches in Folge dieses Angriffes auf der rechten Seite etwas durchsichtig wurde.

Der Kriegsminister gab daher um 3%. Uhr den Befehl das schwere Geschüß *) zurück zu ziehen, was auch sogleich geschah. Es wurde gegen die Kirchenseite etwa sechs Schritte zurückgezogen. Zugleich zogen sich die KavallerieOrdonanzen mit ihren Pferden in den Stall, die Deutschmeister - Grenadiere zogen sich durch den Brunnengang in den kleinen Hof zurück, welcher gegen die Bognergasse gelegen ist, jene der Hauptwache in den Gang zur Hauptstiege. Darauf wurde das Thor geöffnet. Ein Theil der Abtheilung der Grenadiere war auf der Schneckenstiege postirt.

Gleich nachdem das Thor geöffnet wurde, kam das Volk herein, dann marschirte die in das innere Kriegsgebäude gezogene Hauptwache wieder auf ihren Posten vor dem Gebäude, und sodann strömte das Volk angeführt von einem Manne in einem lichtgrauen Rocke, mit Stangen, Spießen, Krampen versehen, und untermischt mit Garden und Legionären, gleich in den Hof. Anfangs nur Einzelne, ohne Ungestüm, dann Gruppen, langsam gehend, lauernd und suchend, dann größere Massen sich zur hinteren Stiege begebend das ganze Gebäude durchwandelnd. An der Stiege riefen Einzelne: wo ist Latour, er muß sterben! und

*) Angeblich soll sich im Hofe des Kriegsgebäudes nur Eine Kanone befunden haben.

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