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er zur Begründung anführte, daß bei dem Umstande, wo in Wien alle executive Gewalt gebrochen sey, und nur der Reichstag noch einige Achtung genieße, ge gründete Hoffnung vorhanden sey, daß die Kämpfenden einer versöhnenden Mahnung folgen werden, und man in solcher Art, wenn man auch nur das Leben eines einzigen Bürgers rettet, dem Vaterlande einen großen Dienst erweise *). Nach einstimmiger Annahme dieses Antrages wählte man zu dieser Commission Bioland, Schufelka, zwei noch andere Mitglieder der Linken, einen Bürger Wiens, und den Antragsteller Weznicky, dessen Protestation, daß er für die zu versöhnende Bevölkerung ein unbekannter Fremder sey, mit dem Vorgeben beseitigt wurde, daß er einer der Gemäßigten sey, eben deshalb daher mitgehen müsse. Zur weiteren Effektuirung dieses Beschlusses riß man die weißen Fenstervorhänge herab, und fertigte daraus Fahnen mit der Inschrift: „Reichstagsglieder **)."

Während sich die Commission zum Kriegsgebäude begibt, müssen wir den Leser zum Zeughause führen, und ihm anschaulich machen, was zur selben Zeit daselbst geschah.

Im Zeughause. Der blutige Zusammenstoß zwischen den k. Truppen und den Garden am Eisenbahndamme am Tabor mit seinem einzigen Kanonenschuß, war das Signal für bereits weit blutigere Conflicte geworden, und die bekannten Tendenzen der akademischen Legion und der Umsturz-Partei, für sich und für die Magyaren Waffen zu bekommen, ließen für die drei k. Zeughäuser in der Renngasse und Zeughausgasse das Schlimmste befürchten.

Es wurden daher schon bei Zeiten alle Anstalten getroffen, um das vordere Thor des großen Armatur-Zeughauses in der Renngasse und das hintere gegen die Schottenbastei gelegene, sorgfältig zu verrammeln, zwei Kanonen bei denselben aufzustellen, und die Besaßung, bestehend aus der Wachmannschaft von Kaiser-Infanterie-Grenadieren, einer halben Compagnie von Erzherzog Ludwig Grenadieren unter Commando des Hauptmanns Joseph von Möse, und gegen achtzig Mann der Zeugs-Compagnie zweckmäßig gegen alle Angriffe aus den umliegenden Häusern zu vertheilen.

Im Ober-Arsenale, wo das Wohngebäude für Offiziere und Mannschaft steht, und aus dessen Hof man durch die rechte Flanke des eben erwähnten Armatur-Zeughauses in selbes, und vorne in der Nähe des Thores über eine breite. Stiege in das untere Arsenal gelangen kann, waren die Vertheidigungs-Maßregeln blos auf die Schließung seines sehr schwachen Thores, durch welches man geradeaus in die Wipplinger-Strasse gegen die hohe Brücke zu, und rechts in die

*) Dieser Antrag des böhmischen Deputirten stimmt mit der vorhergehenden Beschuldidigung Scherzers nicht überein.

**) Vergl. Wiener Zeit. Beilage 295.

Dr.

Renngasse gelangt, beschränkt, hinter welchem eine Kanone aufgeführt, und eine halbe Compagnie von Deutschmeister-Grenadieren unter Anführung des Oberlieutenants Paar nebst den mit einigen Gewehren bewaffneten Artilleristen ziem lich sicher postirt wurden. Im Unter-Arsenale endlich mit seiner ungeheueren Ausdehnung verrammelte man auch sein schwaches Thor, welches in die Zeughausgasse führt, beseßte es mit einer Kanone, und dasselbe erhielt zur Vertheidigungsstärke der verschiedenen leicht bedrohbaren Punkte einen Zug DeutschmeisterGrenadiere und vierzig Mann vom Zeughaus-Personale mit Gewehren.

Da die Vorfallenheiten am Stephansplaß, Graben, in der Bognergasse, am Hof und auf der Freiung nicht leicht zu vermuthen waren, so wurde schon vorein Uhr Mittags und später nach zwei und gegen vier Uhr um die gewöhnliche Assistenz von der Nationalgarde, sowohl beim Ober-Commando derselben, als auch im bürgerlichen Zeughause und im Schottenhofe angesucht, welcher Anforderung aber nur mit Absendung von neun Garden Gehör gegeben wurde.

2 Uhr N. M. im Zeughause. Ein drohender Haufe lärmenden Pöbels kam mit Picken, zugespißten Eisenstangen, Bajonetten und Spießen bewaffnet und von einigen Nationalgarden und Studenten angeführt, von der hohen Brücke herab gegen das Thor des Ober- Arsenals, und forderte unter den rohesten Schimpfwörtern Einlaß um Waffen zu holen. Ohne eine Antwort zu erhalten, verlief sich die wilde Schaar und zog vor das Thor des Armatur-Zeughauses, wo man sie ebenso ruhig ihre Rohheiten ausschreien ließ. Entweder getäuscht oder auf Unterstügung wartend, trieb sich der Haufe vor das Palais des Fürsten Windischgräß, zerriß dort den Glockenzug, zerschlug die Fenster, zerhieb das Thor und erstürmte sofort das Innere der Stockwerke, aus deren Fenstern auch bald die Gewehre der akademischen Legion und der Garden auf die gegenüberliegenden, durch vortreffliche Schüßen die mit Kammergewehren bewaffneten Büchsenmacher-Gesellen — beseßten Fenster der Armaturs-Säle blißten. Ebenso wurden auch alle angränzenden Häuser von Garden beseßt, so daß das Thor des Ober-Arsenales und die ganze vordere Face des Armatur-Zeughauses unter dem bedrohlichsten Angriffe stand.

In Folge der Ereignisse am Tabor kamen aus den Umgebungen Wienz Landbewohner zum Ober-Commando, und fragten an, ob der von Studenten aufgebothene Landsturm der Stadt zu Hilfe eilen solle. Der anwesende Plaßoffizier Dunder bedeutete denselben im Sinne der bereits vomOber-CommandantenStreffleur ergangenen Verordnung, fie sollten nur dann den Landsturm aufbieten, wenn es von der Regierung und vom Ober-Commando befohlen wird; die Garde-Abtheilungen aber sollen sich versammeln, versammelt bleiben, und wenn der wirkliche mit Siegel versehene Befehl des Ober-Commando fie beruft in die Stadt rücken früher aber unter keinerlei Vorwande. Ebenso warnte

gedachter Plaz-Offizier die erwähnten Abgeordneten vor Aufwieglern und mündlichen oder verfälschten schriftlichen Befehlen, welche verdächtige Aufwiegler · wenn auch in Legions-Uniform, überbringen. Diese Leute waren über die ihnen gewordene Aufklärung zufrieden gestellt, und versprachen solche den benachbarten Ortschaften bekannt zu machen.

Der Abmarsch des Militärs aus der Alser-Kaserne zog die ganze Aufmerk samkeit der Garden des Bezirks auf sich. Dieß geschah ungefähr um jene Zeit als am Stock im Eisenplaß der blutige Conflict erfolgte. Jede abmarschirende Militärabtheilung wurde von Seite der Garde des Bezirkes Alservorstadt, mit Ausnahme einer Anzahl libelgesinnter, mit oftmaligem Bivat begrüßt und dabei bedeutet, daß sich alle wie am 13. September an dasselbe anzuschließen gedenken. Auf die Anfrage des Bez. Adjutanten Nöthler beim Generalmajor Frank wegen weiteren Verhaltungsmaßregeln, wurde derselbe zum commandirenden Generalen Grafen Auersperg auf das Glacis geführt, und erhielt den Befehl, alle ärarischen Gebäude mit Nationalgarden beseßen und die Kasernwache mit einem Offizier und 31 Garden beschüßen zu lassen, was auch erfolgte.

Im Reichstage. Ein Viertel 4 Uhr. Hornbostel erschien im Reichstage und gab die Versicherung, daß Wessenberg und Latour bereits den Befehl unterschrieben haben, das Feuer einzustellen. „Sorgen Sie nur dafür," beschwor er die Reichsversammlung,,,daß vonSeite des Volkes keine weiteren llebergriffe geschehen.“ Borrosch: Ich frage, ob das Leben der Minister gesichert ist?

Hornbostel: Nein!

Borrosch: So beantrage ich, zu ihrem Schuße gleich hinzugehen, weil ich nicht will, daß der Sieg des Volkes entweiht werde.

Borrosch, Smolka und Goldmark übernahmen diese heilige Pflicht, und eilten zum Kriegsministerium.

Bilinski: Man hat uns vor wenigen Stunden gesagt, die Geschäftsordnung erlaube nicht unsern Zusammentritt, man hat uns vorgeworfen, die Linke habe ihre Hand im Spiel. (Tumult)

Gegen halb 4 Uhr Nachmittag wurde der Plazoffizier von Hohenblum mit offener Ordre des pr. Ober-Commandanten Streffleur versehen, bei allen Batterien der Nationalgarde, insbesondere im bürgl. Zeughause, auf den Vasteien, am Fischer- und Neuthore ic. 2. das Feuern in solange zu verbieten, bis die Nationalgarde nicht von Seite des Militärs angegriffen würde.

Dieser Befehl wurde sowohl im bürgl. Zeughause, wo man eben beschäftiget war die Kanonen heraus zu führen, da eine Compagnie Pioniere im Sturmschritt über den Hof herangerückt kam, als auch am Neuthore, wo bereits eine Batterie altbürgl. Artillerie aufgeführt war, wenn auch mit Widerwillen doch wenigstens befolgt.

Nicht so bei jener am Fischerthore aufgefahrenen Batterie, welche theils von Nationalgarden, Studenten und Volke bedient war; dort wurde dem genannten Plaß-Offizier, nachdem er den Befehl kundgab, die offene Ordre aus den Händen gerissen, so daß ihm nur Siegel und Unterschrift erübrigte, er selbst aber unter dem Zurufe: der Ober-Commandant und sein ganzer Staab seyen Verräther, der Art bebroht, daß er nur durch die Beihülfe einiger besser Gesinnten, der Mißhandlung entging.

Der Plazoffizier v. Hohenblum kehrte mit dem lleberreste der offenen Ordre zum Beweise in das Ober-Commando zurück, erstattete den Bericht, worauf der provisorische Ober-Commandant Streffleur erklärte, unter solchen Umständen keine weiteren Befehle mehr ertheilen zu können.

Vor 5 Uhr. Das Militär zog sich aus der Stadt zurück; Barrikaden wurden fortwährend gebaut.

Um dieselbe Zeit zog die

dahin beorderte Truppenmacht

in Folge der Ereignisse an den Taborbrücken mit zwölf Kanonen durch die Praterstraße zurüc gegen die Stadt. Dieser Marsch war einer der traurigsten und furchtbarsten Schauspiele des Octobers. In der Mitte der weiten Straße zog die Masse, links und rechts an beiden Seiten, knapp an den Gebäuden, Plänkler. Die Mannschaft der leßteren hielt die Gewehre fertig, den Hahn gespannt, die commandirenden Offiziere riefen: gegen die Fenster hinauf!" Der dumpfe, traurige Trommelschlag mit langsamen Tempos, die Angst der Bewohner unbeschreiblich!—Auf den Basteien waren bereits Kanonen aufgefahren, und gegen die Brücke und die Praterstraße gerichtet. Als der Truppencommandant von Gutgesinnten darauf aufmerksam gemacht wurde, gab derselbe den Vorsaß in die Stadt zu marschiren, auf, und ließ in die Praterstrasse umkehren, worauf die Truppen durch die Vorstädte in die Kasernen gelangten und Abends großentheils das Lager im Schwarzenbergischen Garten bezogen. Um Mitternacht 2 Uhr befand sich Militär noch in der Alserkaserne.

Im Zeughause. Während eines Zeitraumes von 2 Stunden, in welchem sich der Strassenkampf der Garden gegen Garden und Militär entspann, und fowohl Peloton- als Kanonenfeuer in die bedrohte Einsamkeit des Zeughauses herübertönte, wuchs auch der Haufen der Meuterer, und das Fordern um Einlaß bei den Thoren des Arsenals begann unter einer neuen Phraseologie der wildesten Art, wobei man nicht unversucht ließ, das Thor des Ober-Arsenals mit Eisenstangen und anderen, jedoch zu schwachen Werkzeugen, zu forciren.

4. Uhr Nachmittags. Mittlerweile bekam der Commandant des Zeughauses die Meldung aus dem Dachstübchen ober dem eben genannten Thore, worin sechs Kanoniere mit Gewehren postirt waren, daß man die unteren Fenster des Armatur-Zeughauses einschlage, und mit Feuerhacken den Versuch mache, reparaturfähige Gewehre bei den Griffbügeln zu fassen und herauszuziehen, was auch theilweise

gelang. Nach genommener Ueberzeugung der Thatsache, und daß man auch gleichzeitig unter dem 3. Fenster, vom Thore gerechnet, eine Untergrabung der Mauer beabsichtige, wurde plöglich das schwache Thor des Ober-Arsenals, welches abfichtlich nicht verrammelt wurde, geöffnet, und ein Zug von Deutschmeister-Grenadieren unter der muthigen Anführung des Herrn Oberlieutenants Paar, züchtigte die Meuterer durch Flintenschüsse, wobei 4 derselben erschossen und 2 gefangen wurden, die anderen aber in wilder Flucht zerstoben. Hauptmann Kastell riefdie Mannschaft zurück, und ließ neuerdings das Thor nur mit dem Schlüffel schließen.

Während dieser Zeit kam die im Reichstag gewählte zweite Commission, den gefährdeten Minister Latour im Kriegsgebäude zu retten, am Orte ihrer Bestimmung an. Zufälliger Weise trafen beide Commissionen, denen sich noch andere Deputirte, wie Skoda, Piencikowski und andere, anschlossen, am Wege zum Hofe zusammen. Borrosch bestieg ein Pferd, und an vielen Orten wurde von der aufgeregten Menge gerufen: „Borrosch soll leben! Die Linke soll leben!" —

Am Hofe angelangt, hielt Vorrosch eine Rede, worin er sonderbarer Weise, die Worte fallen ließ: „Ich fürchte nichts, mir haben achthundert Swornoster, sage Swornoster, nachgestellt! Ich bekomme Tag für Tag Drohbriefe — ich fürchte nichts und werde für das Volk arbeiten; aber das Volk, welches jezt gefiegt hat, soll in seinem Siege mäßig seyn. Freunde! nehmt lieber mein Leben, aber schont das Leben Latour's, der in Anklagestand versezt wird." - Diese volksaufwiegelnde Anspielung auf Swornost war wahrlich nicht nur nicht geeignet, die gegen die böhmischen Deputirten ereiferten Gemüther zu besänftigen, sondern wirkte offenbar dahin, die gegen Böhmen bestehende, von magyarischen und pangermanistischen Emissären erzeugte Aufregung noch zu erhöhen, zumal in Wien noch immer die längst widerlegte irrige und bedauerliche Ansicht spuckte, in der Pfingstwoche habe unter Anleitung des Nationalgarden-Corps Swor nost" in Prag ein Vernichtungskampf gegen die Deutschen gewüthet. Borrosch's Wichtigkeitsthuerei war durch die erwähnte, aus der Luft gegriffene Swornost Verfolgung, gelinde gesagt, höchst tadelnswerth, und eines VolksDeputirten einer größtentheils czechischen Stadt unwürdig *).

Indessen versprachen Viele aus der am Hof versammelten Volksmenge mittelst eines durch Händeerhebung geleisteten Volksschwures, das Leben Latours zu schonen. Als aber die Mitglieder der ersten Frieden stiftenden Reichstags-Commission wegen des begonnenen Kampfes gegen den Stephansplaß fortzogen, hatte Borrosch unglücklicher Weise die ihm obgelegene Mission, den bedrohten Minister zu beschüßen, im Rausche des glorreichen Volkstribuns vergessen, oder irrigerweise für erfüllt erachtet, die Comödie des Händeaufhebens für ein Jurament

*) In Sachsen wohnen in der Laufig die Wenden, ein slawischer Stamm, und Borrosch ist ein windischer Name, das Individuum aber ein Wiener?

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